NABU-GAP-Ticker: Mehr Klimaschutz in der GAP durch „Fit for 55“?
Brüssel, 24.08.2021. Mitte Juli, kurz vor Beginn der Sommerpause, veröffentlichte die EU Kommission ihr sgn. „Fit for 55“ Paket. Dieses enthält eine Reihe von Änderungsvorschlägen zum EU Emissionshandel, der Erneuerbare-Energien Richtlinie usw. Diese Änderungen waren notwendig geworden, um die rechtliche Struktur des EU Klimaschutzes an das neue Klimagesetz anzupassen. In diesem hatten Rat und Europaparlament verbindlich festgelegt, dass die EU bis 2030 netto 55% weniger Treibhausgase emittieren soll. Das bisherige Ziel lag bei lediglich 40%. Ob das Neue ausreichen wird, um das 1,5°C Ziel zu erreichen, wird von mehreren Seiten angezweifelt. Da die jetzige rechtliche Architektur auf die ursprüngliche 40%-Marke angepasst war, bestand in jedem Fall Nachbesserungsbedarf.
Als eines der Kernthemen der EU Politik, stellt sich natürlich die Frage, was bedeuten all diese Vorhaben für den Landwirtschaftssektor und vor allem für die Programmierung der GAP? Handlungsbedarf besteht auf jeden Fall. Seit Jahren stagnieren die Emissionen aus der Landwirtschaft, während andere Sektoren deutliche Fortschritte gemacht haben. Studien zeigen jedoch, dass allein die Treibhausgas-Emissionen aus der Ernährungswirtschaft ausreichen, um das 1,5° Ziel zu reißen (siehe hier).
Schärfere Ziele, aber wenig direkte Verpflichtungen
Aus Agrarsicht sind zwei vorgeschlagene Gesetzesänderungen besonders interessant: die Novellierung der Lastenteilungsverordnung (eng. Effort-Sharing-regulation = ESR) und die „Verordnung über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft“ (kurz LULUCF). Beide Vorhaben sehen eine deutliche Verschärfung der Klimaziele für ihre jeweiligen Anwendungsbereiche vor.
Die ESR deckt jene Bereiche der Wirtschaft ab, die bisher nicht vom EU Emissionshandel sowie der LULUCF-Verordnung reguliert werden, z.B. den Gebäude- und Transportsektor. Sie umfasst aber auch alle landwirtschaftlichen Emissionen, die nicht mit der direkten Nutzung von Acker- und Grünland zusammenhängen (also z.B. Emissionen durch die Energienutzung für Landmaschinen etc., aber auch Methan-Emissionen durch die Tierhaltung oder Lachgas aus der Anwendung von Düngemitteln). Bisher waren die Mitgliedstaaten verpflichtet die addierten Emissionen aus all diesen Sektoren bis 2030 um 30% gegenüber 2005 zu reduzieren. Nach Willen der EU Kommission soll sich dieses Ziel auf 40% erhöhen, wobei die grundsätzliche Struktur der Verordnung erhalten bleibt. Dies würde höhere Anstrengungen von den Mitgliedstaaten verlangen und damit auch von Deutschland.
Auch bei der LULUCF-Verordnung kommt auf die künftige Bundesregierung wohl Nachholbedarf zu. Bisher galt die Regel, dass die Netto-Emissionen aus Nutzung von Acker- und Grünland sowie aus der Forstwirtschaft in der Summe negativ sein müssen, d.h. dass diese Bereiche mehr Kohlenstoff binden als emittieren. Deutschland erreicht dieses Ziel zwar, vor allem aufgrund der Senkenwirkung der Wälder (welche in den vergangenen Jahren jedoch auch nachgelassen hat). Bei den Emissionen etwa aus der Grünlandnutzung ist die Bundesrepublik EU-weit jedoch ein trauriger Spitzenreiter, u.a. aufgrund der landwirtschaftlichen Nutzung von entwässerten Moorböden. Entsprechend dem Vorschlag der EU Kommission soll die Netto-Null Regel durch das Ziel ersetzt werden, im Jahr 2030 310 Mt. CO2eq. durch natürliche Senken zu binden. Diese Zahl soll auf die einzelnen Mitgliedstaaten heruntergebrochen werden, für Deutschland käme man auf eine Summe von 30,8 Mt CO2eq., fast doppelt so viel, wie Land- und Forstwirtschaft hierzulande bisher leisten.
Unterm Strich sind die Veränderungen erst einmal positiv, aber vermutlich nicht ausreichend. Gerade bei der ESR fehlen sektorspezifische Ziele etwa für die Landwirtschaft. So könnte sich der bisherige Trend fortsetzen, d.h. dass Emissionsminderungen vor allem in anderen Sektoren erreicht werden und der Anpassungdruck auf die Landwirtschaft entfällt. Bei der LULUCF –Verordnung bleibt die EU Kommission mit Ihrem Ziel unter dem, was laut Wissenschaft möglich wäre (etwa 600 Mt CO2eq. bis 2030, siehe hier). Aber auch das von der EU Kommission angestrebte Ziel dürfte den Druck auf die Acker- und Grünlandnutzung in Deutschland erhöhen. Denn ohne eine deutliche Reduzierung der Emissionen aus diesen Bereichen, etwa durch die Wiedervernässung von Moorflächen etc., dürften die Vorgaben an Deutschland schwer erreichbar sein.
Wird sich die EU Agrarpolitik anpassen?
Es ergibt sich zunächst ein durchwachsenes Bild, das aber zeigt, dass der Anpassungsdruck auf die Landnutzung steigt. Diesen sozialverträglich und ökologisch sinnvoll zu kanalisieren, ist eine enorme Kraftanstrengung. Vor allem um die Landnutzer mitnehmen zu können, wird es ohne zusätzliche Investitionen und finanzielle Hilfen nicht gehen. Die Mittel aus der EU Agrarpolitik (GAP), immerhin fast ein Drittel des EU Haushaltes, wären dafür als Instrument prädestiniert. Hier zeigt sich jedoch die Problematik der finalen Einigung der EU Gesetzgeber zur Zukunft der GAP, wenn es um die Integration des Green Deals in dieselbe geht (siehe hier).
Zwar werden die beiden Verordnungen in Klammern im Anhang XI der endgültigen GAP Verordnung bereits erwähnt. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten den neuen Zielen Rechnung eigentlich tragen müssten, wenn sie die nationale Umsetzung der EU Agrarmilliarden planen. Ein Schönheitsfehler bleibt jedoch. Bis das „Fit for 55“ Paket durch die EU Gesetzgeber bestätigt ist, dürften die sgn. nationalen GAP Strategiepläne bereits finalisiert und die Frist zur Genehmigung durch EU Kommission abgelaufen sein. Auch hat sich der Agrarministerrat im Trilog mit seiner Forderung durchsetzen können, dass nur gesetzliche Ziele von der EU Kommission als Bewertungsgrundlage für die nationalen Pläne herangezogen werden können. Sowohl die Farm-to-Fork als auch die Biodiversitätsstrategie fallen damit als Kriterium weg, aber eben auch noch nicht verabschiedete Gesetze wie die beiden genannten.
Einen theoretischen Ausweg gäbe es noch. Im Trilog wurde auf Bestreben des Europaparlaments ein Passus eingeführt, der greifen soll, sobald Änderungen an den in Anhang XI gelisteten Gesetzen vorgenommen werden. Die Mitgliedstaaten müssen in dem Fall überprüfen, ob sie die GAP Strategiepläne ebenfalls anpassen müssten. Das Problem ist jedoch, dass dieser Vorgang allein im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt. Der EU Kommission bleibt de-facto keine Handhabe gegenüber säumigen Regierungen. Vielversprechend ist das nicht.
Untätigkeit wird teuer, auch finanziell
Das alles sollte die neue Bundesregierung nicht als Grund sehen, sich beim Klimaschutz in der Landwirtschaft zurückzulehnen. Die absehbare Verschärfung der Klimaziele ist unabhängig von ihrer Integration in die GAP bindend. Sollte Deutschland die Ziele verfehlen, wäre es ein ökologisches und soziales Desaster, weil die Existenzgrundlage der Landwirtschaft in Deutschland durch den Klimawandel direkt gefährdet ist. Es droht aber auch ein teures Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel, ähnlich wie bei der verpfuschten Umsetzung der Nitratrichtlinie. Die neue Förderperiode der GAP wird bis Ende 2027 laufen. Soll sie helfen, die neuen Klimaziele für 2030 zu erreichen, müssen die richtigen Entscheidungen jetzt getroffen werden. Die Entscheidungsträger, die nach der Bundestagswahl Verantwortung in Berlin übernehmen, sollten die Chance, die sich ihnen angesichts des Geldregens aus Brüssel bietet darum dringend nutzen.
Der NABU-GAP-Ticker
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Titelfoto: Europäische Union 2013
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