NABU-GAP-Ticker: Vor der GAP-Abstimmung im Bundestag: Systemwechsel? Fehlanzeige!

08.06.2021: Während in Brüssel die GAP-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat – zuletzt im “Jumbo-Trilog” – vorerst gescheitert sind, wird in Deutschland munter an der Ausarbeitung des Nationalen Strategieplans (NSP) gearbeitet, um noch vor den Bundestagswahlen Fakten zu schaffen. Kurz vor der am Donnerstag (10.6.) anstehenden Abstimmung im Bundestag deutet sich an: Der deutsche NSP besteht aus Trippelschritten, die keinesfalls der großen Agrar- und Umweltkrise gerecht werden. Nur das Minimum der künftigen EU-Vorgaben soll umgesetzt werden: Drei Prozent der Ackerflächen sind als Refugien für die Biodiversität vorgesehen, viel zu wenig Geld wird für die Honorierung von Naturschutzmaßnahmen bereit gestellt, und auch 2027 sollen noch mehr als die Hälfte des Sechs-Milliardenbudgets als unsinnige und unfaire Flächenprämien verteilt werden. Vor allem das Grünland droht zum großen Verlierer zu werden.

Wiesen und Weiden sind ein unverzichtbarer Bestandteil für eine reichhaltige Biodiversität in der Agrarlandschaft – wenn sie extensiv bewirtschaftet werden und Platz lassen für Insekten, Vögel und eine vielfältige Flora. In den Vorschlägen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für die auch Öko-Regelungen (ÖR) genannten Eco-Schemes werden zwei Möglichkeiten für Grünlandbewirtschaftung genannt: eine gesamtbetriebliche Extensivierung der Grünlandflächen oder eine ergebnisorientierte (nach vier regional definierten Kennarten), extensive Bewirtschaftung von Teilflächen. Ob dies Anreiz genug ist für einen bedeutenden Anstieg an artenreichen Grünlandflächen oder auch nur den Erhalt der vorhandenen, ist fraglich. Zumal die finanzielle Anreizkomponente wegzufallen droht, nachdem sie von der Europäischen Kommission als nicht WTO-kompatibel eingestuft worden ist – Landwirt*innen werden also produktive Flächen kaum aus der Nutzung nehmen.

Schutz von artenreichem Grünland: Schwache Eco-Schemes, keine Konditionalität  

Doch der Deutsche Bauernverband (DBV) will auf den letzten Metern weitere Verwässerungen durchsetzen: Für Betriebe mit einem hohen Anteil an Grünland reiche das Angebot an Eco-Schemes nicht aus. Stattdessen sollten diese ohne weitere Leistungen im Sinne der Biodiversität entweder per se die Bedingungen eines im Gesetz noch zu ergänzenden Eco-Schemes erfüllen oder auch über eine ÖR namens “Grünland-Klima-Bonus” entlohnt werden können. Ob intensiv genutztes Grünland wirklich dem Klima nützt, ist mehr als fraglich – durch die häufige Mahd verschiebt sich das Verhältnis von unterirdischer zu oberirdischer Biomasse. Statt tiefe Wurzeln auszubilden, benötigt die Pflanze ihre Energie, um wieder den Halm und die Blätter zu regenerieren, wodurch sich die Humusschicht und die Kohlenstoffbindungskapazität reduzieren. Im Sinne der Biodiversität sind eine intensive Düngung, die wenige starkzehrende Pflanzenarten fördert, sowie eine häufige Mahd, die Rückzugsräume für Vögel zerstört und einen Verlust an Insektenbiomasse zur Folge hat, jedenfalls nicht. Aus diesem Grund sind die Forderungen des DBV abzulehnen, da sie pauschal intensives Grünland weiterfördern und keinerlei Anreize zur Veränderung bieten.

Verbände des Verbraucher-, Natur- und Tierschutzes sowie der bäuerlichen Landwirtschaft fordern stattdessen eine Öko-Regelung, die die Beweidung von Wiesen durch Milchkühe und deren Nachzucht honoriert. Eine Beweidung mit angepassten Viehbesatzdichten, maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar, kann einen großen Beitrag zum Arten- und Klimaschutz leisten.

Grundsätzlich begrüßenswert wäre auch eine Ausdehnung der Agroforst-Förderung im Rahmen der Eco-Schemes auf das Grünland, sofern naturschutzfachliche Belange berücksichtig werden. Wichtig wäre dabei der Verzicht von Agroforst in FFH-Lebensraumtypen des Grünlands, in High-Nature-Value- oder anderem naturschutzfachlich wertvollem Grünland sowie in Gebieten mit den teilweise stark gefährdeten Wiesenbrütern. Nach Möglichkeit sollte auf Kurzumtriebsplantagen verzichtet und der Fokus auf heimische Werthölzer gelegt werden.

Neben den ÖR bleibt auch die Konditionalität, die die Mindestanforderungen an die Landwirt*innen für den Erhalt der Direktzahlungen definiert, deutlich hinter den Erwartungen zurück. Obwohl die EU-Biodiversitätsstrategie einen Anteil von zehn Prozent unbewirtschafteter Fläche in der Agrarlandschaft verlangt, schlägt die Große Koalition gerade einmal drei Prozent vor – und das nur auf die Ackerflächen bezogen. Und das, obwohl der schlechte Erhaltungszustand großer Teile des Grünlands längst bekannt ist und die Europäische Kommission kurz davor steht, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen mangelnden Schutzes von artenreichem Grünland zu verklagen. Eine weitere Klage in Bezug auf FFH-Gebiete ist in Luxemburg bereits eingereicht. Naturschutzfachlich zwingend wäre es dafür zu sorgen, dass mindestens zehn Prozent, auch im Grünland, unbewirtschaftet blieben, etwa in Form von Brachen, Blühflächen, Altgrasstreifen oder angrenzenden Hecken.

Auch auf nationaler Ebene: mangelnde finanzielle Ausstattung für Naturschutz

Kurzum: eine schwache Konditionalität, die das Grünland ganz außen vorlässt, und Eco-Schemes, die den Anteil artenreicher Flächen nicht erheblich erhöhen werden, sind unterm Strich zu wenig für den so oft von Ministerin Klöckner verkündeten Systemwechsel. Stattdessen sollten nach Ansicht des NABU ambitionierte und ausreichend finanzierte Eco-Schemes (50 Prozent des Budgets der ersten Säule bis 2027 statt nur 25 Prozent), die bisher pauschalen Flächenprämien im Laufe der anstehenden Förderperiode immer weiter qualifzieren, damit ab 2028 eine gänzlich gemeinwohlorientierte Subventionierung der Landwirtschaft gelingen kann.

Auch die Umschichtung von Geldern von der Ersten in die Zweite Säule bewegt sich auf zu niedrigem Niveau. Im Gesetzentwurf ist eine Steigerung von zehn (im Jahr 2023) auf lediglich 15 Prozent (Ende 2026) vorgesehen. Alleine für die Finanzierung der verbindlichen EU-Naturschutzrichtlinien wäre eine Umschichtung von 18,5 Prozent nötig, was rund 800 Millionen Euro entsprechen würde. Damit darüber hinaus weitere Biodiversitätsmaßnahmen, den Ausbau des Ökolandbaus und anderer Ziele für einen nachhaltigen Ländlichen Raum zu erreichen, fordert der Nabu ab 2023 eine steigende Umschichtung von 20 auf mindestens 25 Prozent bis 2027.

Der Bundestag wird die Pläne der Regierung wohl durchwinken – doch solange in Brüssel noch verhandelt wird, steht die Ausgestaltung der GAP in Deutschland auf tönernen Füßen. Vor allem aber muss der finale NSP, zu dem dann auch die Förderprogramme der Bundesländer für die Zweite Säule gehören, voraussichtlich zum 1. Januar 2022 der Europäischen Kommission zur Zustimmung vorgelegt werden. Stand heute wird der NABU die EU-Kommission dann dazu auffordern, den NSP als nicht zukunftstauglich und nicht kompatibel mit dem “Green Deal” abzulehnen.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kulissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titelfoto: Europäische Union 2013

2 Kommentare

Albert Sans

10.06.2021, 09:43

Sehr geehte Damen und Herren, was glauben Sie, was Politiker*innen für das Volk tun, die mit Vorstandsmitgliedern großer Konzerne "herumtanzen" und deren Vorganger ebensowenig zum Wohle des Volkes -sondern zum Wohle der Konzerne- gehandelt haben? Ich habe vor 3 Wochen bei Change.org eine Petition gestartet, in der ich gefordert habe, dass alle im Herbst zu wählende Politiker*innen ALL Ihre Konten offenzulegen haben, um zu überprüfen, ob sie sich von Lobbyisten beeinflussen lassen. WEIL, jede*r, die/der in Kindertagesstätten, Schulen, Pflegediensten, Krankenhäusern, Paketdiensten &&& sich bewirbt, muss ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. SO ist es doch mehr als gerecht - wenn wir schon ALLE vor dem Gesetz gleich sein sollen, dass die Politiker*innen auch ein "Volksloyales Führungszeugnis" vorlegen. Ich habe in der Woche danach abgeordnetenwatch, AVAAZ, Campact, Lobbycont, Greenpeace, openpetition, wwf, whales.org, generationenstiftung, Tierschutzbüro, Deutsche UmweltHilfe, foodwatch, gemeingut.org, abstimmung21.de und mehr demokratie.de um Unterstützung für diese Petition UND für die Petition: Patentämter , Regierungen Umweltschutzorganisationen: Weltweites offenlegen aller Patente, die emisionsfreie Energiegewinnung beinhalten geben. Von einigen habe ich dankenswerterweise Antwort erhalten - Nur keine Unterstützung - . Wenn all diese Verbände und Organisationen zu diesen beiden Themen gegebenenfalls Europa-oder sogar Weltweit sich zusammensetzen und gemeinsam an einem Strang -UND DANN ALLE GEMEINSAM IN EINE RICHTUNG - ziehen, wäre der Natur, dem Klima und den Menschen weltweit geholfen. Denn die Deviese der Zukunft muss meiner Ansicht nach UMWELTFREUNDLICH/UMWELTNEUTRAL MENSCHENWÜRDIG KOSTENGÜNSTIG EHRLICH lauten Mit freundlichen Grüßen für eine schöne, friedliche Zukunft Albert Sans

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Stefan Alexander Mauel

10.06.2021, 09:48

Woran liegt es aus Sicht des NABU, dass gerade Abgeordnete der CDU/CSU in Berlin und Brüssel die Steuergelder in der Landwirtschaft nicht für Qualität, also naturverträgliche- nachhaltige Landwirtschaft, sondern nach wie vor pauschal für Quantität, also Flächenprämien, einsetzen wollen? Spielen die Nebeneinkünfte dieser Politiker*innen dabei eine Rolle, weil sie bspw. sowohl für Agrarkonzerne tätig sind, in Verbänden wie dem DBV, und in der Agrochemieindustrie wie Bayer und BASF? Und wieviel Abgeordnete sind selber Landwirte bzw. finanziell an landwirtschaftlichen Betrieben beteiligt und profitieren unmittelbar von den Flächenprämien?

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