NABU-GAP-Ticker: Artenvielfalt im Ackerbau – ein AUKM-Entwurf des NABU

17.08.2021 Nachdem die Bundesregierung die Gesetze zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) am 10.6.2021 verabschiedet hat, sind nun die Bundesländer an der Reihe, die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) der zweiten Säule zu programmieren. Der NABU hat unter Einbeziehung verschiedener Expert*innen und Projekte eigene Vorschläge für effektive AUKM erarbeitet. Im Folgenden wird die erste der sieben Maßnahmen „Extensiver Ackerbau für die Biodiversität“ vorgestellt, die hohe Steigerungen der Artenvielfalt und Ökosystemdienstleistungen mit guten wirtschaftlichen Perspektiven verbindet.

Eine Möglichkeit, Artenvielfalt wieder in die Nutzflächen zu bringen, ist der extensive Getreideanbau mit einer blühenden Untersaat. Hierzu wird das Getreide in weiter Reihe mit mindestens 30 cm Reihenabstand angebaut. Zwischen den Getreidereihen wird eine blühende Untersaat angesät. Die blütenreiche allelopathische (keimhemmende) niedrigwüchsige Untersaat besteht überwiegend aus Leguminosen (Inkarnatklee, Hornklee, Gelbklee u. a.) sowie wenigen anderen Arten wie der Ringelblume.  Die vorgeschlagene AUKM orientiert sich an dem Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) „Weite-Reihe-Getreide mit blühender Untersaat“ des Instituts für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB) und des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL).

Die ökologischen Vorteile erstrecken sich von der Förderung von Offenlandvogelarten wie der Feldlerche und dem Rebhuhn über die Schaffung eines Blühangebotes, der Verhinderung von Erosion, die Verbesserung des Nahrungs- und Deckungsangebots für überwinternde Tiere wie Feldhasen bis hin zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit. Auch aus landwirtschaftlicher Sicht sind die Gründe für dieses System vielfältig. Denn die Untersaat ersetzt den Umbruch und die Ansaat der Zwischenfrucht im Herbst. Der Ertrag beim Weite-Reihe-Getreide liegt nach Auswertung erster Ergebnisse des MuD bei etwa 80 Prozent des üblichen Ertrags bei Normalsaat und eine Nutzung der Untersaat ist ebenfalls möglich und liefert Erträge von 10-20dt/ha.

„Weite-Reihe-Getreide mit blühender Untersaat“ Foto: Institut für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB)

Warum brauchen wir eine Maßnahme zur Förderung der Artenvielfalt im Ackerbau?

Die Biodiversität in der deutschen Agrarlandschaft nimmt weiter rapide ab. Verantwortlich sind der landwirtschaftliche Strukturwandel und die industriellen Landnutzungsmethoden. Doch Vögel, Insekten, und auch Bodenlebewesen erfüllen existenzielle Funktionen in Agrarökosystemen. Der viel geforderte integrierte Pflanzenschutz oder auch die Sequestrierung von atmosphärischem Kohlenstoff in Böden sind ohne die Biodiversität in der Agrarlandschaft unmöglich.

Der deutsche Getreideanbau mit den Methoden der gängigen „guten landwirtschaftlichen Praxis“ produziert neben Getreide vor allem hohe Externalitäten mit großen negativen Auswirkungen auf die langfristige Resilienz der Agrarökosysteme. Im Vergleich zu natürlicher Vegetation ist die Biomasse um circa 60 Prozent reduziert, die unterirdische Biomasse sogar um erheblich mehr. Darüber hinaus ist die Vegetationsperiode und das damit einhergehende Potenzial für die Netto-Primärproduktion (also die Produktion organischer Materie mittels Photosynthese), die Kohlenstoff und Wasserkreisläufe reguliert, erheblich verkürzt. Nicht nur das Potenzial für Evapotranspiration (die Abgabe von Wasser durch Verdunstung und somit Oberflächenkühlung durch die Vegetation) sondern auch das Potenzial für den Aufbau von Humus ist im Vergleich mit natürlicher Vegetation äußerst begrenzt.

Dies hat verheerende Folgen für das Klima und die Artenvielfalt. Zum Beispiel sind Unterschiede in der Oberflächentemperatur zwischen Wald und brachliegendem Acker enorm. Der ungeschützte Boden ist außerdem extrem anfällig für Erosion, die sich durch die vermehrten Wetterextreme intensiviert. Weiter wird das Agrarökosystem durch den standardmäßigen Einsatz von Stickstoffdüngern und Pestiziden, die sowohl die Funktionsleistung von Insekten wie auch Bodenlebewesen erheblich beeinträchtigen, destabilisiert.

Oberflächentemperaturverteilung in einer gemischten Landschaft mit Wald. Foto: Ellison et. al

Die aktuelle GAP-Förderperiode zeigt, dass in den Bundesländern viele verschiedene AUKM von der Landwirtschaft angenommen werden. Zahlreiche Programme sind etabliert und werden zielgerichtet umgesetzt. Doch der Trend des Rückgangs der Artenvielfalt setzt sich fort. Agrarumweltmaßnahmen können effektvolle Naturschutzmaßnahmen sein. Um den Wandel in der Agrarlandschaft anzustoßen, braucht es jedoch eine höhere finanzielle Ausstattung der AUKM, die über die zweite Säule sowie über die Länder kofinanziert werden. Der Anteil der Umschichtung aus der ersten in die zweite Säule wird von aktuell 6 Prozent in der neuen Förderperiode auf 10 bis 15 Prozent bis 2027 anwachsen. Diese Mittel reichen jedoch immer noch nicht aus, um Natura 2000, den Ökolandbau und weitere biodiversitätsfördernde Maßnahmen umzusetzen. Es werden mindestens 25 Prozent Umschichtung bis Ende der nächsten Förderperiode benötigt, um die notwendigen Naturschutzmaßnahmen zu finanzieren. Hier muss die nächste Bundesregierung schnellstens nachbessern!

Mehr Infos zum AUKM-Entwurf des NABU unter diesem Link.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kulissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titelfoto: Europäische Union 2013

Keine Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte bleibe höflich.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht und Pflichtfelder sind markiert.