NABU-GAP-Ticker: Koalitionsvertrag erneut ignoriert

NABU-GAP-Ticker

20. September 2018 Vor einem Jahr widmete „Die Zeit“ ihre Titelseite dem Insektensterben, mit Angela Merkel als Protagonistin des Filmklassikers „Das Schweigen der Lämmer“. Dieses Schweigen der Politik beim Artenschwund geht weiter: Gerade eben hat Deutschland erneut die Chance verpasst, eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, die sehr viel für die Natur bewirken könnte. CDU, CSU und SPD haben zu Beginn ihrer Koalition nämlich festgehalten, sich für einen Naturschutzfonds auf EU-Ebene einzusetzen. Bei den entsprechenden Haushaltsverhandlungen auf EU-Ebene ist hierzu von den deutschen Diplomaten bisher allerdings nichts zu hören.

Der Koalitionsvertrag vom März 2018 ist eindeutig. In Zeile 6565f. heißt es: „Wir werden uns in der EU für mehr Mittel für den Naturschutz, die sich am Bedarf von Natura 2000 orientieren, und einen eigenständigen EU-Naturschutzfonds einsetzen.“ Zur Erinnerung: Dieser Bedarf wird EU-weit jährlich auf etwa 15 Milliarden Euro geschätzt.

Welche Fonds in der EU eingerichtet werden, regelt der sogenannte Mehrjährige Finanzrahmen der EU (MFR). Dieser wird gerade für den Zeitraum nach 2020 neu verhandelt. Umweltschutzorganisationen wie der NABU sowie der Brüsseler Dachverband BirdLife Europe hatten die Vorschläge von EU-Haushaltskommissars Günther Oettinger im Mai 2018 scharf kritisiert: Entsprechende Mittelzuweisungen für den Naturschutz sind im MFR-Vorschlag nicht enthalten.

Am 18. September 2018 fand nun ein „Rat für Allgemeine Angelegenheiten der EU“ statt, bei dem die Mitgliedstaaten der EU als ein Hauptthema den MFR-Vorschlag der EU-Kommission diskutierten (zum weiteren Verlauf der MFR-Verhandlungen siehe auch dieses NABU-Schaubild). In Vorbereitung des Treffens fragte die Österreichische Ratspräsidentschaft u.a., ob die Kommission die Prioritäten richtig gesetzt habe. Genau die sich hieran anschließende Debatte hätte also die Chance geboten, die Stimme zu erheben, und eine Naturschutzfinanzierung zu fordern, die sich am Bedarf von Natura 2000 orientiert.

Doch soweit der NABU dies in der öffentlichen Übertragung der Debatte verfolgen konnte, äußerte sich der Vertreter Deutschlands nicht zu Umwelt- und Naturschutzthemen – das Wort „Naturschutzfonds“ ist jedenfalls öffentlich nicht gefallen, und auch eine Zweckbindung von Mitteln in entsprechender Höhe innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) wurde nicht gefordert. Frankreich beantwortete die Fragen der Ratspräsidentschaft demgegenüber offenbar dahingehend, dass es das von der EU-Kommission vorgesehene Ziel, 25% der Mittel für den Klimaschutz auszugeben, vom Umfang her gerne auf 40% aufgestockt sehe. Mit diesen Mitteln möchte Frankreich sodann nicht nur den Klimaschutz, sondern auch Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität finanzieren.

Bleibt zu hoffen, dass sich zumindest Angela Merkel an den Koalitionsvertrag erinnert, wenn sie das nächste mal mit ihren Kollegen aus den EU-Mitgliedstaaten den MFR diskutiert. Aller Voraussicht nach wird dies auf dem Europäischen Rat am 13./14. Dezember 2018 erfolgen.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titelfoto: Europäische Union 2013

Raphael Weyland
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