NABU-GAP-Ticker: Naturschutzverbände müssen leider draußen bleiben

9. Oktober 2018. Am vergangenen Freitag, den 5. Oktober lud das baden-württembergische Ministerium für Ländliche Räume anlässlich des 100. Jubiläums des Landwirtschaftlichen Hauptfestes zu einer GAP- Tagung nach Stuttgart ein. Teilnehmer waren unter anderem EU-Agrarkommissar Phil Hogan, der Ministerpräsident Baden-Württembergs Winfried Kretschmann, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk sowie Bauernpräsident Joachim Rukwied. Titel der Veranstaltung war übrigens „Wie viel GEMEINSAME europäische Agrarpolitik wollen wir?“ Interessanterweise saßen hier allerdings keine Vertreterinnen und Vertreter von Umwelt- und Naturschutzvereinen in den verschiedenen Podiumsdiskussionen um über die Verteilung und den Einsatz von Steuergeld zu sprechen. Dies scheint ein aktueller Trend zu sein: Beim informellen EU-Agrarministerrat vor zwei Wochen waren nämlich von Verbandsseite her auch ausschließlich Funktionäre des europäischen Bauernverbands COPA-COGECA anwesend, Umweltverbände jedoch nicht. Anschließend ließ sich EU-Agrarkommissar Hogan sogar noch mit dem Bauernverband für Twitter ablichten.

Bei seiner Eröffnungsrede in der Porsche-Arena wies Ministerpräsident Kretschmann nachdrücklich darauf hin, dass es bei der Landwirtschaft um den Erhalt unserer Lebensgrundlage gehe, zu der neben der Lebensmittelproduktion eben auch der Schutz des Bodens, die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes sowie der Erhalt der Artenvielfalt gehöre. In der Landwirtschaft müssten Ökologie und Ökonomie Hand in Hand gehen. Dieser Ansatz sei aber, so bemängelte er, im derzeitigen GAP-Vorschlag der Kommission nicht zu erkennen. EU-Agrarkommissar Hogan wies dies entschieden zurück und stellte klar, dass die GAP aufgrund des BREXITs und der neuen Aufgabenfelder der EU künftig mit deutlich geringerem Budget auskommen müsse. Unter diesen Umständen sei das derzeitig veranschlagte Budget durchaus hoch angesiedelt. Konkret stellte er eine Deckelung der Direktzahlungen in Aussicht.

Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner erklärte in ihrem Redebeitrag, dass  sie es richtig finde, dass die Direktzahlungen künftig stärker an die Einhaltung von Umwelt- und Klimavorschriften geknüpft werden, allerdings müssten diese auch leistbar für die Landwirtinnen und Landwirte sein. Wie sie sich diese Auflagen jedoch vorstelle, sagte sich nicht. Auch sähe sie es lieber – vor allem mit Blick auf die großen Betriebe in den neuen Bundesländern – wenn statt einer Deckelung, die ersten Hektare der Betriebe besser gestellt würden. Dem konnte auch der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Hauk zustimmen. Bauernpräsident Rukwied forderte, dass mindestens 60% des Agrarhaushaltes in die erste Säule fließen müssten um die deutschen Betriebe zu unterstützen. Eine Kappung oder Degression lehnte er ab.

Einig waren sich die Vertreterinnen und Vertreter der Bundes-und Landesebenen in der Beurteilung, dass der aktuelle EU-Vorschlag zu einem folgenschweren „Wettrennen“ um die niedrigsten Umweltstandards unter den Mitgliedstaaten führen würde, wenn die maximalen Freiheiten bei der Programmierung der Säulen so beibehalten werden. Eine grundsätzliche Kritik am 2-Säulen-System oder den Direktzahlungen war jedoch von keinem der Gäste zu hören.

Insgesamt war diese Tagung ernüchternd für den Naturschutz in der GAP sowie die generelle Debatte um die Gemeinsame Agrarpolitik. Nur mit Vertretern einer Branche bzw. einer Seite zu sprechen fördert sicherlich nicht den Wettstreit um die besten Ideen oder ein fortschrittlicheres System. Den Naturschutz bei der Frage der Verteilung von Steuergeldern, mit denen ja auch Naturschutz betrieben werden soll, auszuschließen zeugt von wenig Souveränität. Frau Klöckner bezeichnete die GAP auf der Tagung als Schicksalsfrage für die Landwirtschaft – wir sagen sie ist auch eine Schicksalsfrage für den Erhalt der Biodiversität in der Agrarlandschaft.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titelfoto: Europäische Union 2013

2 Kommentare

Astrid Österreicher

10.10.2018, 09:33

"In der Landwirtschaft müssten Ökologie und Ökologie Hand in Hand gehen." Das kann ja nur ein Tippfehler sein, müsste wohl "Ökologie und Ökonomie" heißen.

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Sebastian Strumann

10.10.2018, 09:36

Stimmt, danke für den Hinweis!

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