NABU-Bilanz der Internationalen Grünen Woche

NABU-Bilanz der Internationalen Grünen Woche

 

06.02.2023: Nach zwei Jahren Pause fand die Internationale Grüne Woche (IGW) dieses Jahr wieder auf dem Messegelände in Berlin statt und war der Auftakt des agrarpolitischen Jahres. Wie immer war die IGW geprägt von Empfängen und Diskussionen auf dem Erlebnisbauernhof, aber auch kritischen Veranstaltungen zur Landwirtschaft.

Auch der NABU hat die Grüne Woche genutzt, um dringend notwendige Diskussionen zu den Themen Flächennutzung, Ernährungssicherheit und Fleischkonsum sowie zum Nutzen der Regenerativen Landwirtschaft anzustoßen. Aber auch die Probleme des Waldes, wie beispielsweise Kahlschläge und Sanitärhiebe, wurden thematisiert. Hier unsere Bilanz der Grünen Woche:

Studie zur Flächennutzung

Im Lauf des letzten Jahres, insbesondere im Zuge des Ukraine-Krieges, wurden viele Errungenschaften des Naturschutzes wieder auf Eis gelegt, um „die Ernährungssicherheit nicht zu gefährden“. Es entstand der Eindruck, dass die Produktion in Deutschland gesteigert werden müsse, um diese nicht zu gefährden. Wir haben nachgerechnet und festgestellt, dass beides geht, Ernährungssicherheit und Natur- und Umweltschutz, wenn wir unsere Konsumgewohnheiten ändern und den Fleischkonsum mindestens halbieren. Dafür bedarf es politischer Werkzeuge und der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen.

Mit mehr Natur- und Klimaschutz in der Landwirtschaft gehen die erzeugten Mengen an Getreide, Ölsaaten oder Gemüse zwar – jeweils unterschiedlich stark – zurück. Gibt man weniger Getreide in den Trog und beschränkt die Fütterung vorwiegend auf Gras, Nebenprodukte (zum Beispiel Schrote aus der Ölerzeugung) oder Leguminosen (wie Luzerne) aus nachhaltigeren Fruchtfolgen, führt das auch zu weniger gehaltenen Tieren und entsprechend abnehmenden Produktionsmengen. Insgesamt geht also auch die Fleisch- und Milcherzeugung zurück, dies steht jedoch auch im Einklang mit den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die ohnehin aus gesundheitlichen Gründen eine deutlich fleischreduziertere Ernährung empfiehlt. In dem in der NABU-Studie modellierten Szenario ginge besonders die Erzeugung von Schweine- und Geflügelfleisch zurück, da Rinder benötigt werden, um das Grünland zu nutzen und zu erhalten.

Als Nebeneffekt gingen zudem die Importe von primär zu Futterzwecken angebautem Soja stark zurück, da diese kaum mehr benötigt würden, und somit die mit diesen einhergehenden Schäden in den entsprechenden Regionen. Die Verantwortung für dieses Umdenken darf jedoch nicht alleine auf die Verbraucher*innen geschoben werden, sondern die Politik muss dringend die Rahmenbedingung so setzen, dass eine entsprechende Reduktion des Fleischkonsums möglich ist. Hierzu wäre eine Senkung der Mehrwehrsteuer wie auch eine breite Umstellung der öffentlichen Versorgung geeignete Möglichkeiten.

Link zur Studie: https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/agrarpolitik/32750.html

Studie zur Regenerativen Landwirtschaft zusammen mit der Boston Consulting Group (BCG)

Die Regenerative Landwirtschaft wird in Deutschland bisher kaum wahrgenommen, obwohl sie viele Möglichkeiten bietet, die Probleme der Naturkrise zu adressieren, und gleichzeitig eine ökonomische Alternative für Landwirt*innen bietet.

Insbesondere der Boden, seine Biodiversität und sein Schutz stehen im Fokus der Regenerativen Landwirtschaft. Aufgrund der zunehmenden Wetterextreme, der immer schwerer werdenden Landmaschinen und der jahrelangen Nutzung großer Mengen an Pflanzenschutzmitteln und dem häufigen Einsatz von mineralischem Dünger gehen auch in Deutschland und Europa immer mehr fruchtbare Böden verloren. Dabei ist der Boden DIE landwirtschaftliche Produktionsgrundlage. Weil Landwirt*innen immer häufigere und intensivere Starkwetterereignisse mit teilweise gravierenden Folgen für ihre Ernte erleben, sind sie zunehmend motivierter, ihre Arbeit an die sich stark ändernden Umstände anzupassen. Allerdings bricht aktuell die Umstellungsgeschwindigkeit zur ökologischen Landwirtschaft ein, derzeit verstärkt durch den verminderten Absatz im Zuge der Inflation. Ein Reformstau türmt sich auf. Die Regenerative Landwirtschaft bietet hier den dringend benötigten Ausweg und Vorteile für die Natur, die Landwirt*innen und den Lebensmittelhandel. Die gemeinsame Studie von NABU und BCG verdeutlicht, dass eine Umstellung auf Regenerative Landwirtschaft zu einem gesellschaftlichen Gewinn von 8,5 Milliarden Euro jährlich durch verringerte Treibhausgasemissionen führen kann. Außerdem ist eine Gewinnsteigerung von bis zu 60 Prozent auf den Betrieben möglich, und auch Lieferketten werden resilienter. Höchste Zeit, dass auch in Deutschland mehr Betriebe auf Regenerative Landwirtschaft umstellen!

Link zur Studie:
https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/umweltschutz/32775.html

Verleihung der NABU-Waldmedaille und Vortrag zu Kahlschlägen

Auch Themen der Waldnutzung werden traditionell auf der Grünen Woche diskutiert. Deshalb nutzte der NABU diese Gelegenheit, und verlieh hier seine Waldmedaille an Prof. Dr. Pierre Ibisch für 2022, um seine politische und mediale Arbeit zum Thema Waldnaturschutz und Kahlschläge zu ehren. Seit 30 Jahren beschäftigt sich der Professor für Naturschutz an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde mit dem Thema Wälder – ihrer Entwicklung, ihren wichtigen Funktionen und Ökosystemleistungen sowie ihrem Schutz und Erhalt. Er gilt als Fürsprecher naturnaher Wälder, wirbt für Alt- und Totholz und ökologischen Waldbau. Dabei stößt der Wissenschaftler auch immer wieder auf Widerstände, von denen er sich aber nicht von seiner wichtigen Arbeit abbringen lässt.

Im Rahmen des Waldempfangs von Anna Deparnay-Grunenberg (Mitglied des Europäischen Parlaments/Grüne) gemeinsam mit dem NABU verdeutlichte Prof. Ibisch, wie stark Kahlschläge in den letzten Jahren in Skandinavien, dem Baltikum, aber auch in Deutschland zugenommen haben und welchen negativen Einfluss dies auf die Umwelt hat. Auf diesen Kahlschlagsflächen sind die Temperaturen deutlich höher als auf den umliegenden Flächen. Selbst ein abgestorbener Fichtenwald kann noch für eine Kühlung oder Beschattung sorgen, eine Kahlschlagsfläche, deren Boden womöglich noch gepflügt wurde, allerdings nicht mehr. Auch die anderen Ökosystemleistungen des Waldes könne dieser so laut Ibisch nicht mehr erfüllen. Sein Vortrag machte deutlich, dass es keine weiteren Kahlschläge mehr geben darf und es dazu einer europäischen gesetzlichen Grundlage bedürfe.

Link zur Veranstaltung: https://www.nabu.de/news/2023/01/32798.html

10.000 Teilnehmer*innen bei der WHES-Demo

Ebenso nach zwei Jahren Pause fand auch wieder die Agrar-Demonstration des Bündnissees „Wir haben es satt“ statt. Die diesjährige Demonstration stand unter dem Motto „Gutes Essen für alle“ und machte damit deutlich, dass wir eine sozial gerechte Agrarwende brauchen. 10.000 Demonstrant*innen brachten zum Ausdruck, dass sie eine Transformation der Landwirtschaft wollen und das bisherige Tempo des BMEL und des Bundeslandwirtschaftsministers hierfür viel zu langsam ist.

Unser Fazit all dieser Eindrücke von der Grünen Woche: Die Politik ist in der Verantwortung

Dass es einer Transformation der Landwirtschaft bedarf, war wirklich von allen Seiten zu hören, und es wurde wieder einmal deutlich, dass im Hinblick auf die Ursachen wie die Auswirkungen der Naturkrise kein Wissensdefizit gibt, sondern vor allem ein Handlungsdefizit bezüglich der dringend notwendigen Gegenmaßnahmen. Die Politik muss ihrer Verantwortung gerecht werden und endlich Rahmenbedingungen schaffen, die eine Transformation ermöglichen!

Der NABU-Agrar-Blog

Im NABU-Agrar-Blog informieren wir über die Themen zukunftsfähige Landnutzung und Agrarpolitik in Deutschland und Europa. Abonnieren Sie unseren Blog, um über diese auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen oder diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Weitere Hintergrundinformationen zu den Aktivitäten des NABU für eine naturverträgliche Landwirtschaft finden Sie unter  https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/. Folgen Sie uns gerne auch auf Twitter: @NABU_biodiv

 

 

1 Kommentar

Catrin-Friederike Richter-Schwering

08.02.2024, 22:53

Liebe NABU-Mitarbeiter, bei der diesjährigen Grünen Woche trugen die Leute hinter dem Stand tolle Blumenwiesen-Kopfbedeckungen. Waren die Trockenblumen in Steckmoos gesteckt? Sie sahen toll aus und ich würde sie gerne nacharbeiten. Überhaupt war es ein sehr anregender und hübsch gestalteter Stand, mit netten Leuten, die einem alle meine Fragen beantworteten. Danke dafür :-))

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