NABU-Agrar-Blog: Beweidung von Auen – ein AUKM-Vorschlag des NABU
11.02.2022. Die Klimakrise ist auch hier angekommen, was uns durch Starkregenereignisse und Hochwasser, wie zum Beispiel in diesem Sommer, immer deutlicher vor Augen geführt wird. Die Bundesregierung hat einen Hilfsfonds zum Wiederaufbau der betroffenen Regionen der diesjährigen Hochwasserkatastrophe in Höhe von 30 Milliarden Euro eingerichtet. Vergleicht man diese Zahl mit den Zahlen der verursachten Schäden durch Hochwasserkatastrophen von 2002 (9,1 Mrd. Euro) und 2013 (12 Mrd. Euro), erscheinen Investitionen in präventive Maßnahmen aus volkswirtschaftlicher Sicht zwingend erforderlich. Wir stellen hier einen AUKM-Vorschlag für beweidete Auen zum Hochwasserschutz vor.
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) berechnete in seinem Auenzustandsbericht 2021, dass 133.000 ha Fläche ehemaliger Auen der 79 größten Flüsse in Deutschland als Ackerland genutzt werden. Ein erheblicher Teil dieser Flächen, vorgeschlagen werden 100.000 Hektar, sollte in den nächsten Jahren wieder als natürlicher Überschwemmungsraum zur Verfügung stehen.
Die Wiedergewinnung von extensiv genutzten Auen als Wasserrückhalteraum ist dabei eine bedeutende Hochwasserschutzmaßnahme. Hochwasser kann sich in diesen Gebieten ausbreiten und die Wahrscheinlichkeit von Schäden wird verringert. Außerdem sind Auen ein artenreicher Lebensraum. Die Ökosystemfunktionen großer Flussauen sind enorm. Sie verbessern die Wasserinfiltration und können Wasser speichern. Die hohe Feuchtigkeit des Auenbodens bewirkt eine bessere hydraulische Leitfähigkeit des Bodens, wodurch mehr Wasser im Boden versickern kann und das Grundwasser speist. Auen leisten mit ihrer Retentions- und Infiltrationsfunktion einen großen Beitrag zur Grundwasserneubildung. Darüber hinaus fungieren sie als Nährstoffrückhalt und Kohlenstoffsenke.
Eine dauerhafte, extensive Grünlandbewirtschaftung wird dabei als tragende Förderstrategie empfohlen (BfN 2021). Durch eine extensive Beweidung können diese Flächen am besten genutzt und geschützt werden. Eine extensive Beweidung fördert die Artenvielfalt, da durch die Vorlieben der Tiere für bestimme Futterpflanzen, Strukturen mit kurzer Vegetation und andere mit höherer Vegetation entstehen. Durch diese Strukturvielfalt können viele Arten auf den Flächen leben. Das entstehende Grünland sollte eine große Vielfalt an Gräsern und Kräutern enthalten. Bäume wie Erlen, die die Gewässer begleiten, sind wichtig für die Insekten, die sich im Wasser entwickeln, wie zum Beispiel Steinfliegen.
Die Flächen sollten nicht gedüngt werden und frühestens Anfang August gemäht werden, falls eine Nachmahd nötig ist. Auch der Dung der Tiere dient als Nahrungsquelle für Insekten, die wiederum wichtig als Nahrung für viele Vogelarten sind. Die Fladen einer einzelnen Kuh bieten pro Jahr Futter für über 100 kg Insektenbiomasse. Um dies zu erhalten, sollte es keine prophylaktische Parasitenbehandlung geben, außer in einer konkreten Befallssituation und nach Absprache mit dem Veterinäramt. Nötige Behandlungen sollten nach Möglichkeit nur im Herbst durchgeführt werden. Die Beweidung sollte über ein Schlagbuch oder Weidetagebuch mit Art und Datum der Bewirtschaftung (perspektivisch auch digital) dokumentiert werden.
Es wurde berechnet, dass bei einer Förderprämie von bis zu 1.700 Euro pro ha und Jahr die dauerhafte Extensivierung einen Fördermittelbedarf in Höhe von rund 400 Millionen Euro pro Jahr verursachen würde. Um diese Maßnahme für Eigentümer und Bewirtschafter attraktiv zu machen, sollte diese Summe für eine dauerhafte Umwandlung über einen Zeitraum von 20 Jahren bereitgestellt werden.
Ein Beitrag von Christine Tölle-Nolting.
Quellen:
Bundesamt für Naturschutz (2021): Methodische Grundlagen zum Auenzustandsbericht 2021: Erfassung, Bilanzierung und Bewertung von Flussauen, Bonn: Skript591.pdf (bfn.de)
Bundesamt für Naturschutz (2016): Zusammenfassung der Tagungsinhalte: II 3.2 Binnengewässer, Auenökosysteme und Wasserhaushalt, Bonn: https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/wasser/Dokumente/NLA_Zusammenfassungi.pdf
Laurence, B. R. (1954): The Larval Inhabitants of Cow Pats. Journal of Animal Ecology Vol. 23, No. 2 (Nov., 1954), pp. 234-260 – zitiert nach Buse (2020).
Reisinger, E. (2016): Perspektiven für einen zukunftsfähigen Landschaftswandel – Förderstrategien für eine auenverträgliche Landwirtschaft. Vortrag im Rahmen der Tagung „Naturverträgliche Landwirtschaft in Auen“ am 14./15.06.2016. Abrufbar unter: http://www.bfn.de/25918.html (01.08.2016).
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