Mehr Natur in der Stadt – und auch um die Stadt herum?! Aktuelle Entwicklungen verheißen nichts Gutes…

Die letzten Wochen waren heiß. Und noch heißer. Gerade in den Wärmeinseln der städtischen Ballungszentren wurde munter geschwitzt, man war froh um jedes Schatten und Kühle spendende Fleckchen Grün. Gerade recht zu kommen scheint da der „Masterplan Stadtnatur“ der Bundesregierung – das klingt groß, nach Aufbruch und Veränderung, nach wogenden Baumwipfeln und blühenden Wiesen eingebettet ins Häusermeer; nach Strategie, nach wegweisenden Plänen. Und tatsächlich kann man den am 6. Juni vom Bundeskabinett beschlossenen Masterplan Stadtnatur als einen ersten Schritt hin zu einer nachhaltigeren und grüneren Stadtentwicklung deuten.

Foto: Helge May

Kann, denn das nun vorgelegte Papier bleibt oft im Ungefähren und bleibt auch hinter dem Ende der letzten Legislatur veröffentlichten Weißbuch Stadtgrün zurückDie Bundesregierung erklärt Absichten und Prüfaufträge, will Leitfäden entwickeln, ihre eigene Verantwortung an bundeseigenen Liegenschaften stärker wahrnehmen und Förderprogramme stärken. Das ist natürlich zu begrüßen: Eine Aufstockung des Bundesprogramms Biologische Vielfalt haben die Verbände seit langem gefordert, und wenn nun eine zusätzliche Förderlinie für Stadtnatur etabliert werden soll, kann das der Natur helfen. Ob und in welchem Ausmaß dieser Anspruch gehalten wird, wird sich aber erst im Haushaltsbeschluss für das Jahr 2020 zeigen.

Foto: Helge May

Ganz vorsichtig werden allerdings auch Gesetzesänderungen ins Visier genommen. So soll im Bundesnaturschutzgesetz die kommunale Landschaftsplanung gestärkt werden, ins Baugesetzbuch möchte man die Möglichkeit aufnehmen, Flächen explizit als Naturerfahrungsräume auszuweisen. Ehrenhafte Anliegen, fürwahr,  aber um den größten Gegentreiber einer naturverträglichen Stadtentwicklung wird ein großräumiger Bogen geschlagen: der unsägliche § Paragraph 13b des Baugesetzbuchs findet keinerlei Erwähnung – dieser erlaubt seit dem Jahr 2017 die Ausweisung von Bebauungsplänen am Ortsrand OHNE Umweltprüfung und OHNE Ausgleichsmaßnahmen, was Naturschutzverbände scharf kritisieren.

Der NABU unterstützt deshalb ausdrücklich auch die von der UVP-Gesellschaft eingereichte EU-Beschwerde gegen das Gesetz. Ursprünglich bis zum Jahresende 2019 befristet, soll die Ausnahmeregelung nun sogar verlängert werden, so schlägt es die „Baulandkommission“ des Innen- und Bauministeriums (formal Expertenkommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“) vor. Und so könnte es im Herbst dann tatsächlich auch kommen, entgegen aller fachlichen Einschätzungen nicht nur der Verbände, sondern auch der Fachgremien der Verwaltung.

Foto: NABU/Philipp Schulze/BEST-Sabel

Welch verheerende Auswirkungen der § 13b BauGB bereits entfaltet und wie wenig er zur Lösung der Wohnungsnot in den Ballungszentren beiträgt lässt sich inzwischen klar erkennen: Für Baden-Württemberg zeigte der Landesnaturschutzverband unlängst auf, dass der ganz überwiegende Teil der Anwendungen im ländlichen Raum liegt und kaum in den Verdichtungsräumen. Auch aktuelle Zahlen aus Brandenburg zeigen, wohin die Reise geht. Hier werden nämlich fast nur Einfamilienhäuser gebaut, wodurch zwar der Speckgürtel um Berlin wächst und der Flächenverbrauch munter steigt, die Wohnraumknappheit aber kaum bekämpft wird.

Fast eine Randnotiz nur, dass die Baulandkommission auch noch anregt, die Beseitigung von städtischen Waldflächen zu erleichtern, um sie für den Wohnungsbau zu roden. Nicht, dass das nicht bisher schon möglich wäre, aber Naturschutz, Klimaanpassung und Erholungsbedürfnisse der Bevölkerung als abzuwägende Gemeinwohlinteressen haben scheinbar keinen Platz in der Holzhammerpolitik heutiger Tage, trotz aller Lippenbekenntnisse.

Kurzum: die Bundesregierung schlingert einmal mehr zwischen hehrem Anspruch und ernüchternder Realität. Wie ernst es ihr wirklich mit dem  Naturschutz in der Stadt (und darüber hinaus) ist, wird sich in Kürze zeigen, wenn mit der (erneuten) Novelle des Baugesetzbuches harte Fakten geschaffen werden können. Wohin die Reise dabei eigentlich gehen müsste, machen folgende zwei Passagen aus dem Koalitionsvertrag, deutlich, die die Richtung eindeutig vorgeben sollten:

„Unser Ziel ist, Eingriffe in Natur und Landschaft möglichst zu vermeiden. Dort, wo dies nicht möglich ist, sind entstandene Beeinträchtigungen wieder auszugleichen, um die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes auf Dauer zu sichern“.  Und weiter hinten

„Unser Ziel ist, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf maximal 30 Hektar/Tag zu halbieren. Wir prüfen, mit welchen zusätzlichen planungsrechtlichen und ökonomischen Instrumenten das Ziel erreicht werden kann.“

2 Kommentare

Frauke Hellwig

05.07.2019, 11:16

Das klingt wirklich beängstigend - und ist doch heute schon Realität. In unserer kleinen Stadt mit rund 13000 Einwohnern wird alles platt gemacht, was nur geht, um Wohnungen zu bauen oder Plätze zu pflastern. Bäume und Grünpflanzen bekommen ein paar Quadratmeter Platz und müssen dann zusehen, wie sie überleben. Statt großflächig Grün in der Stadt zu schaffen wird es immer weniger... Es wird verdichtet, überbaut und versiegelt ohne Rücksicht auf Natur und Klima. Man kann sich nur verwundert die Augen reiben und sich fragen, ob Artensterben, Klimawandel mit sommerlichen Hitzewellen oder regelrechten Sintfluten bei den Entscheidern noch nicht angekommen sind. Viele Kommunen befinden sich in dieser Hinsicht noch in den 80er Jahreh als alles ging und alles möglich war - ohne Rücksicht auf Verluste. Die Bevölkerung wird in einigen Jahren die Zeche dafür zahlen, dass die Verwaltungen heute auf beiden Augen blind sind.

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Waldfee Helga

05.07.2019, 19:54

Sicher wird die Bevölkerung eines Tages diese Zeche zahlen. Aber die Bevölkerung selbst wirkt intensiv an der Beseitigung von Bäumen, Sträuchern, Hecken, Grünflächen u.ä. mit. In einigen Gemeinden existieren noch nicht einmal funktionierende Baumschutzsatzungen. Bäume werden sogar in der Brutzeit gefällt und es stört keinen. Wer das der Behörde anzeigt, gehört die den Bösen. Weiter geht es bei der Aufklärung unserer Kinder. Wer für FUTURE auf die Straße geht, muss selbst wissen, was uns die Natur überhaupt bedeutet. Wie viele Kinder gehen noch in den Wald? Wer weiß denn noch, welche Blumen am Rand stehen, die in den nächsten Tagen den Insekten durch Rasenmäher weggenommen werden. Wer weiß denn noch, welcher Vogel in seinem Garten singt? Das Thema ist komplex, es geht uns alle an. Aber viele schauen weg.

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