Korrigierter Link / NABU-GAP-Ticker: Umweltbericht zum NSP – der NABU nimmt Stellung

26. Juli 2021: Die Strategische Umweltprüfung (SUP) ist Teil des Prozesses zur Erstellung des Nationalen Strategieplans zur Ausgestaltung der GAP in Deutschland. Zentraler Bestandteil dieser SUP ist der Umweltbericht, den das Bundeslandwirtschaftsministerium veröffentlicht hat. Zu diesem Umweltbericht hat der NABU heute Stellung bezogen. Hier unsere Stellungnahme im Wortlaut.

Der SUP-Prozess darf nicht nur die Vermeidung einer weiteren Verschlechterung zum Ziel haben

Der NABU begrüßt die Möglichkeit einer Stellungnahme zu dieser Strategischen Umweltprüfung. Wir begrüßen ebenfalls, dass eine Strategische Umweltprüfung erstmals in Bezug auf den nationalen GAP-Strategieplan durchgeführt wird.

Gleichwohl tritt ein deutliches und grundlegendes Defizit des SUP-Prozesses zu Tage. Wie der Umweltbericht feststellt, erfordert die Umweltsituation in Deutschland, besonders mit Blick auf die Schutzgüter Biodiversität, Wasser, Klima und Luft, einen hohen Handlungsbedarf. Wie der Bericht weiter bezeugt, ist es das Ziel der SUP, „ein hohes Umweltschutzniveau im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sicherzustellen“.

Der NABU kritisiert insbesondere, dass die Umweltprüfung jedoch lediglich auf Grundlage des Status quo erfolgt. So ist zu erklären, dass dem GAP-Strategieplan für die Bundesrepublik Deutschland summarisch ein positives Wirkungsbild attestiert wird. Die Einschätzung einer positiven Wirkung bedeutet aber keinesfalls, dass der neue Strategieplan einen positiven Einfluss auf die Arten der Agrarlandschaft hat. Es heißt lediglich, dass der Einfluss des NSP nicht ganz so schlecht sein wird wie in der letzten Förderperiode. Für eine schlüssige Bewertung müssen die Trends und Zielwerte unter anderem folgender allgemein anerkannter Indikatoren als Grundlage der Bewertung hinzugezogen werden: der Erhaltungszustand von EU-rechtlich geschützten Arten und Lebensraumtypen, die im Prioritären Aktionsrahmen für Natura 2000 unter der FFH-Richtlinie (PAF) festgestellten Finanzierungsdefizite und -Ziele, der Feldvogelindex und die Zustandsdaten zu anderen Schutzgütern.

Es ist nicht ausreichend, dass lediglich eine ausbleibende weitere Verschlechterung der aktuellen Umweltsituation Benchmark für die Ausgestaltung politischer Programme ist. Dies muss in besonderem Maße dann gelten, wenn diese ein so beachtliches finanzielles Volumen und umweltschutzfachliche Gestaltungsmöglichkeiten aufweisen, wie dies bei der Gemeinsamen Agrarpolitik der Fall ist. Eine lediglich ausbleibende weitere Verschlechterung kann nicht im Sinne einer SUP sein, die die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus zum Ziel hat.

Die Bewertungsgrundlagen des SUP-Umweltberichts müssen überarbeitet werden

Der Umweltbericht stellt fest, dass ausgehend vom vorliegenden Planungsstand in vielen Bereichen (darunter die komplette zweite Säule sowie die Eco-Schemes) nur sehr bedingt Aussagen getroffen werden können. Es wird nicht klar, wie diesen Unsicherheitsfaktoren methodisch begegnet wird.

Es erfolgt keine eingehende Prüfung der Umweltauswirkungen, die sich aus den Direktzahlungen ergeben – mit 43 Prozent der immerhin größte Posten im GAP-Budget. Hier sollten die Bemühungen verstärkt werden.

An mehreren Stellen im Abschnitt „Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt“ sowie in den folgenden Abschnitten fehlen Quellenangaben. Zudem basieren Aussagen nicht immer auf den neuesten Datengrundlagen.

Angesichts dieser Unsicherheiten und nicht geklärten Bewertungsgrundlagen kann dieser Umweltbericht nicht final sein, sondern muss im weiteren Verlauf der NSP-Erstellung entsprechend überarbeitet zur neuen Beteiligung ausgestellt werden.

Der NSP muss den beschlossenen Umweltzielen gerecht werden

Wenn auch an vielen Stellen zaghaft formuliert, so lässt der Bericht keinen Zweifel daran, dass die Umweltsituation dramatisch ist. Er versäumt es auch nicht, sich auf relevante Umweltziele zu beziehen: das Paris-Abkommen, die UN-Konvention zur Biologischen Vielfalt, der „Green Deal“, europäische und deutsche Biodiversitätsstrategien, EU-Richtlinien zu Naturschutz, Wasser, Nitrat, Pestiziden und viele weitere.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz – das in dem Bericht ebenso wie laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik nicht erwähnt wird – hat deutlich gemacht: Eine Politik, die sich vor substanziellen Reformen scheut, wird den immensen Herausforderungen des Umwelt- und Klimaschutzes nicht gerecht.

Wie der Bericht beispielsweise feststellt, ist „selbst unter Fortführung der bisherigen Maßnahmen mit Biodiversitätsbeitrag (v.a. AUKM und investive Naturschutzmaßnahmen) voraussichtlich eine Verschlechterung der Biodiversität in der Agrarlandschaft, d. h. insbesondere im Offenland, zu erwarten. Auch die biodiversitätsrelevanten Bestandteile aus Cross Compliance und Greening konnten das Defizit von Landschafsstrukturen und vielfältigen Landwirtschaftsflächen sowie deren Ökosystemleistungen nicht ausgleichen. Insbesondere der stark in Anspruch genommene Anbau von Zwischenfrüchten und vielfältigen Kulturen im Ackerbau hatte kaum positive Wirkungen auf den Erhalt der Arten- und Strukturvielfalt.“

Dies kann nur bedeuten: Erforderlich ist eine Trendumkehr der Biodiversitätssituation. Stellt der Bericht nun „geringe positive als auch negative Umweltwirkungen auf die SUP-Schutzgüter“ für einen Großteil der vorgesehenen Budgets (Flächenprämien, andere entkoppelte Direktzahlungen und gekoppelte Tierprämien; insgesamt 54% des Budgets) fest, so bedeutet dies nicht mehr, als dass sich das Artensterben möglicherweise etwas verlangsamt. Es belegt somit das Scheitern der Ausgestaltung der GAP in Deutschland hinsichtlich der internationalen und nationalen Umweltziele.

Den weiteren SUP-Prozess hinsichtlich wirkungsvoller Optionen unterstützen

Sinn und Zweck einer Strategischen Umweltprüfung ist auch das Aufzeigen von Alternativen, die wiederum in den Prozess der NSP-Erstellung einfließen sollen. Der Umweltbericht wird diesem Anspruch in Ansätzen gerecht. Er entwickelt in dem gegebenen budgetären Rahmen wenige Szenarien, die mit höheren Budgetausstattungen für etwa Eco-Schemes (Szenario C I: 50% des Budgets der ersten Säule) oder stärkere Umschichtungen von der ersten in die zweite Säule (Szenario C II: Aufstockung zweite Säule auf 45,4% des Gesamtbudgets) stärkere positive Umweltwirkungen erzielen sollen.

Ob und inwiefern die hier vorgeschlagenen Verbesserungen in den weiteren Prozess der NSP-Erstellung aufgenommen werden, ist mehr als fraglich. Die im Juni im Bundestag verabschiedeten Gesetze zur GAP jedenfalls orientieren sich weiter am Szenario B (der dem damaligen Stand des NSP entspricht) und werden den o.g. Alternativszenarien nicht gerecht. Der NABU fordert, dass die programmerstellende Behörde die aus dem SUP-Prozess resultierenden Verbesserungsvorschläge in die weitere NSP-Ausgestaltung aufnimmt.

Schutzgut Biodiversität

Auch jenseits der Alternativszenarien gibt es einige Hinweise auf mögliche Verbesserungen. So heißt es zu der Öko-Regelung zur Aufstockung von GLÖZ 9: „Die voraussichtliche Wirkung dieser Intervention auf Schutzgutebene ist als leicht positiv bewertet worden (siehe Interventionsteckbrief im Anhang 5). Dies liegt zum einen an der insgesamt nur geringen adressierten Fläche (6-9 % der Ackerfläche insgesamt) und der begrenzten Wirkungsstärke einer einjährigen Brache. Erkenntnisse aus der Evaluation und weiteren Untersuchungen entsprechender AUKM der letzten Förderperiode(n) mit ähnlicher Ausgestaltung belegten nachweislich bei mehrjährigen Brachen eine höher Wirkung z.B. bei der Insektenvielfalt (Oppermann et al., 2013).“

Hieraus ergibt sich aus Sicht des NABU die Aufforderung an die programmerstellende Behörde, mehrjährige Brachen zu ermöglichen, zumal dies EU-rechtlich möglich ist. Zudem sollte dieses Eco-Scheme so ausgestaltet werden, dass, zusammen mit den in GLÖZ9 enthaltenen Flächen zur Konditionalität, der Gesamtanteil nicht-produktiver Flächen mindestens zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche erreicht. Dabei ist das Grünland einzubeziehen.

Der Umweltbericht geht auch auf GLÖZ 8 „Fruchtwechsel“ ein und stellt fest: „Eine hohe Akzeptanz ist nicht nur aufgrund der Einjährigkeit der Maßnahme zu erwarten, sondern auch wegen eines geringen Anpassungsbedarfs potenzieller Teilnehmer. Röder et al. haben festgestellt, dass ein Drittel der gesamten Ackerfläche Deutschlands in Betrieben liegt, bei denen der Anpassungsbedarf unterhalb von 10 % der jeweiligen Ackerfläche liegt (Röder et al., 2021a).“ Da hier also hohe Mitnahmeeffekte zu erwarten sind, ergibt sich daraus die Aufforderung, die Mittelverwendung hinsichtlich der zu erreichenden Umweltziele zu optimieren.

Kritisch sieht der NABU die positive Bewertung der Umweltwirkungen auf das Schutzgut Biodiversität, die der Umweltbericht den Interventionen des Sektors Bienenerzeugnisse attestiert. Diese Maßnahmen sehen Schulungen von Imker*innen vor hinsichtlich der Varroa-Bekämpfung, Völkervermehrung oder Zucht. Diese Maßnahmen werden aus Sicht des NABU wenige positive Effekte auf die Biodiversität haben, da sie in erster Linie die Honigbiene adressieren, bei der es sich um ein domestiziertes Tier handelt. Schlechter ist es um die Wildbienen bestellt, die über die o.g. Maßnahmen nicht gefördert werden. Zudem können sich viele Honigbienen nachteilig auf die Präsenz von Wildbienen auswirken.

Ein weiterer Punkt, den der Bericht als aus Naturschutzsicht wichtig herausarbeitet: Öko-Regelungen sollen laut NSP-Planung nur Betriebsinhaber*innen offen stehen. Weitere Landbewirtschaftende, wie Verbände, werden ausgeschlossen. Dies ist aus Sicht des NABU nicht akzeptabel.

Fazit

Trotz der o.g. Unzulänglichkeiten zeigt auch dieser Bericht auf, dass durch den Nationalen Strategieplan keine Trendumkehr in Bezug auf die Schutzgüter, u.a. Biodiversität und Klima, zu erwarten ist. Den seitens der programmerstellenden Behörde so oft beschworenen Systemwechsel bestätigt der SUP-Umweltbericht nicht.

Es liegt daher an der programmerstellenden Behörde, den Nationalen Strategieplan in bedeutendem Umfang anzupassen und alle Spielräume zu nutzen, um die Wirkungsstärke der Agrarförderung im Zeitraum 2023-2027 bei den Schutzgütern deutlich zu erhöhen.

Das Urteil des summarisch positiven Wirkungsbildes sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bewertung nicht auf Grundlage der bekannten Herausforderungen bzw. vielfach formulierten Umwelt- und Klimaziele erfolgt ist, sondern dazu lediglich die Fortführung des Status quo herangezogen worden ist.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kulissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv – #FutureOfCAP

Titelfoto: Europäische Union 2013

2 Kommentare

Martin Schmid

26.07.2021, 14:21

"Weitere Landbewirtschaftende, wie Verbände, werden ausgeschlossen. Dies ist aus Sicht des NABU nicht akzeptabel." Mir scheint, dass ist die wichtigste Aussage in diesem Artikel. Der NABU fürchtet wohl um die Millionen-Gelder aus der EU. Mittlerweile bekommt man an der Basis den Eindruck, dass es auf den obersten Ebenen, oft nur um den schnöden Mammon geht.

Antworten

Pierre Johannes

26.07.2021, 15:53

Lieber Herr Schmid, der NABU nutzt im Sinne seines gemeinnützigen Auftrags Fördergelder aus der GAP für Naturschutz- und Landschaftspflegemaßnahmen. Mehr dazu können Sie hier erfahren. Schöne Grüße

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