Weltbiodiversitätsrat: Forscher, Bestäuber und die Politik
Noch sind es 23 Tage, bis die 4. Vollversammlung des Weltbiodiversitätsrates, kurz IPBES (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services), in Malaysia stattfindet. Doch wie in den Vorjahren auch, tagt im Vorfeld des Plenums seit gestern das nationale Forum in Bonn. Dabei haben insbesondere all jene Interessenvertreter aus Deutschland, die sich nicht direkt an den internationalen Verhandlungen beteiligen können, die Möglichkeit, sich über laufende IPBES-Aktivitäten und Entwicklungen zu informieren und ihre Positionen zu übermitteln. Die Erarbeitung der Positionen der Bundesregierung, welche in die Verhandlungsprozesse in Malaysia mit einfließen sollen, ist ebenfalls Zweck dieses Treffens, an dem auch der NABU teilnimmt.
Was ist IPBES?
IPBES hat sich seit seiner Gründung 2012 mittlerweile als globale Schnittstelle zwischen Biodiversitätsforschung und Politik etabliert. Der Weltbiodiversitätsrat hat das Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse für politische Entscheidungsprozesse besser nutzbar zu machen und der Politik verschiedene Handlungsoptionen aufzuzeigen.
Andererseits sind die Vorhaben, die sich IPBES im Rahmen seines Arbeitsprogramms 2014-2018 gesetzt hat, bei Weitem noch nicht erfüllt: Noch steht die Erarbeitung der meisten der 12 geplanten „Assessments“ (globale und regionale Berichte zum Kenntnisstand von Biodiversität und Ökosystemleistungen) aus, wie zum Beispiel zu „invasiven gebietsfremden Arten“, „Landdegradierung und Wiederherstellung“ oder zur „nachhaltigen Nutzung und Erhaltung der Biodiversität sowie Stärkung der Instrumentarien“. In die Assessments fließen vor allem wissenschaftliche Arbeiten und jene der internationalen Organisationen mit ein, doch soll auch indigenes und traditionelles Wissen berücksichtigt werden.
Auch in den anderen Arbeitsbereichen von IPBES, nämlich „Generierung von Wissen“, “Politikrelevante Instrumente und Methoden“ sowie „Kapazitätsaufbau“, ist noch einiges zu tun. Doch bei dergleichen global organisierten und fachlich fundierten Konsultationsprozessen, an denen tausende von Wissenschaftlern, Regierungen, Wirtschaftsvertretern und zivilgesellschaftlichen Akteuren an so einem vielschichtigen Thema wie Biodiversität und Ökosystemleistungen beteiligt sind, verwundert es wenig, dass es auch Verzögerungen und Probleme gibt.
So sehen die Umweltverbände die Gefahr, dass die Vertreter von gewinnorientierten multinationalen Unternehmen, zum Beispiel aus der Pestizidindustrie wenn es um das Thema Bestäuber geht, zu starken Einfluss auf die Arbeit von IPBES gewinnen. Außerdem besteht noch große Uneinigkeit darin, wie das traditionelle Wissen lokaler Gemeinschaften und indigener Völker integriert werden soll in ein System, dass sich bisher nur auf klassische wissenschaftliche Publikationen stützt.
Bestäubungsleistungen und Pestizide
Doch erste Erfolge zeichnen sich bereits ab. Bei der vierten Vollversammlung (IPBES-4) wird es erstmals konkret um Inhalte gehen: die Assessments zu „Bestäubern, Bestäubung und Nahrungsmittelproduktion“ sowie „Szenarien und Modellierung von Biodiversität und Ökosystemleistungen“ stehen kurz vor dem Abschluss und sollen in Malaysia verabschiedet werden. Auch während des Forums in Bonn wurden zur Vorbereitung nationaler Positionen für IPBES-4 die noch unveröffentlichten Dokumente vorgestellt und in Arbeitsgruppen diskutiert.
Bei der eineinhalb Jahre andauernden Erstellung des „Bestäuber-Assessments“ war ein Team aus 90 Experten aus allen UN-Regionen beteiligt, die über 250.000 Fachartikel und Bücher unter die Lupe nahmen um deren Ergebnisse auf ihre wissenschaftliche Fundiertheit überprüften. Nun liegt der Entwurf eines über 800 Seiten langes Assessments vor, auf dessen Grundlage eine Zusammenfassung für Entscheider („Summary for policymakers“) erstellt wurde.
Im Fokus des Assessments steht der gegenwärtige Populationszustand von Bestäubern (v.a. Wildbienen, aber auch Honigbienen, Schmetterlinge und andere Insekten) sowie die Ursachen für deren dramatischen Rückgang. Zudem wird verdeutlicht, wie groß die Bedeutung der Bestäubungsleistung für das menschliche Wohlergehen ist und durch welche Maßnahmen – allen voran in der Landwirtschaft – die Bestäubervielfalt geschützt und gefördert werden kann. Dabei kann angenommen werden, dass insbesondere das Thema Pestizide und gentechnisch veränderten Organismen nicht nur eines der Kapitel ist, welches in der Öffentlichkeit am meisten Gehör findet, sondern auch am kontroversesten diskutiert werden wird. Grund hierfür ist die laut Assessment nach wie vor lückenhafte Datenlage, durch die eine schädigende Wirkung von Pestiziden auf Wild- und Honigbienen nicht zweifelsfrei belegt werden könne. Wie oben erwähnt hat die Pestizidindustrie ein großes Interesse an den Ergebnissen des Assessments…
Für den NABU steht fest: bei der Risikobewertung von Neonikotinoiden und anderen Pestiziden muss stets das Vorsorge- und Vermeidungsprinzip gelten – und im Zweifel Verbote ausgesprochen werden. Desweiteren verlangt die Datenlage nach zusätzlichen wissenschaftlichen Untersuchungen unabhängiger Forschungseinrichtungen zur Frage welche Wirkstoffe für Wild- und Honigbienen schädlich sind. Noch bis zum 20. Februar sind die Delegierten der Mitgliedsstaaten und akkreditierte Beobachter dazu aufgerufen, das „Bestäuber-Assessment“ in seiner letzten Fassung zu kommentieren.
Vom Wert der Natur
Weitere Inhalte des nationalen Forums waren unter anderem die Vorstellung mehrerer sogenannter „Scoping-Reports“. Scopings werden durch nominierte Expertengruppen erstellt und dienen als Grundlage der Assessments, da durch sie ein Überblick über den gegenwärtigen Kenntnisstand gewonnen wird und Arbeitsschwerpunkte für die Assessments festgelegt werden können. Eine Annahme der Scoping Reports auf IPBES-4 würde entsprechende Assessments einleiten, für die auch Deutschland erneut nationale Experten nominieren könnte.
Ein Scoping trägt den sperrigen Titel „Politikunterstützungsinstrumente sowie Methoden hinsichtlich verschiedener Konzeptualisierungen der Werte von Biodiversität und des Nutzens der Natur für den Menschen“. Einfacher ausgedrückt geht es dabei um die wichtige Frage, wie man die vielen Dimensionen der Bedeutung der Natur für die Menschen in IPBES künftig betrachten soll. Es wäre fatal, wenn wir Arten und Lebensräume nur nach ihrer kurzfristigen ökonomischen Wert evaluieren. Eine intakte Natur hat für die Menschen ja auch eine große ästhetische, kulturelle und ethische Bedeutung, die sich nicht in Geld beziffern lässt.
Beteiligungsmöglichkeiten
Neben anderen Themen wurden auch die Beteiligungsmöglichkeiten am IPBES-Prozess und diverse Kommunikationsangebote vorgestellt. Demnach stehen der Zivilgesellschaft gleich mehrere Türen offen, wie die Mitwirkung an Konsultationen, die Nominierung von Experten, die Akkreditierung als Beobachter bei den Plenumssitzungen und den „Stakeholder-Days“ (welche stets ein paar Tage vor dem Plenum stattfinden) sowie der besseren Vernetzung untereinander.
Über unseren Dachverband BirdLife International, das einen Beobachterstatus bei IPBES hat, besitzt der NABU bereits Einflussmöglichkeiten. Da das Sekretariat von IPBES in Bonn angesiedelt wurde, wegen der aktive Rolle der Bundesregierung seit Beginn des Prozesses und über das Netzwerk-Forum Biodiversitätsforschung Deutschland (nefo) ergeben sich aber auch weitere Möglichkeiten des Engagements für den NABU und andere Organisationen.
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