European Green Deal in Zeiten von Corona (I)

Berlaymont-Gebäude der EU-Kommission. Foto: Europäische Union 2016.

Bewährungsprobe für neue EU-Kommission

Liebe Umweltschützer*innen und Interessierte der EU-Politik. Dies ist der Auftakt einer dreiteiligen Beitragsreihe, in der ich über die aktuelle Situation des sich mit dem European Green Deal befassenden Brüsseler Politikbetriebs informiere. Zum Einstieg der Reihe erkläre ich kurz, was der European Green Deal bedeutet, und berichte sodann über die derzeitige Lage in Brüssel sowie über meine Erfahrungen mit der virtuellen Verbandsarbeit. In der zweiten Folge zeige ich auf, dass verschiedene Interessensgruppen die aktuelle Krise gerade schamlos ausnutzen, um gegen Umweltpolitik herzuziehen. Im dritten Beitrag werde ich begründen, warum die EU beim Thema European Green Deal in Zeiten von Corona erst Recht Kurs halten muss. Viel Spaß beim Lesen!

 

European Green Deal als Planungsinstrument für nachhaltigere EU

Für den Green Deal wichtige Köpfe innerhalb der EU-Kommission. Collage: BirdLife 2019.

Zur Erinnerung: Als die EU-Kommission am 11. Dezember 2019 den „European Green Deal“ vorstellte und diesen mit der Mondlandung verglich, hatte der NABU auf Stärken und Schwächen hingewiesen (siehe diesen Naturschätze.Retten-Blog). Zwar sind wichtige EU-Politiken wie der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR), die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) oder auch die Handelspolitik nicht von der Kommissionsmitteilung des European Green Deals umfasst. Gleichwohl ist die neue Prioritätensetzung der EU-Kommission aus NABU-Sicht äußerst begrüßenswert. Der European Green Deal benennt erstmals in der Geschichte den Schutz der Umwelt als eine der wichtigsten Aufgaben der EU. Gemeinsam können die verschiedenen Einzelinitiativen bei ambitionierter Ausgestaltung zu einer Vielzahl von Maßnahmen führen und hierdurch substantiell zum Umweltschutz beitragen. Außerdem kann der European Green Deal auch ein Mehr an Politikkohärenz liefern. Gerade weil die Umweltkrisen nicht pausieren, ist dieses Planungsinstrument der EU-Kommission bitter nötig. Die Wirkung des European Green Deal wird sich dabei aber vor allem mittel- und längerfristig zeigen. Die geplanten Einzelinitiativen sind nicht automatisch mit EU-Rechtsakten gleichzusetzen, die unmittelbare Wirkung für Bürgerinnen und Bürger entfalten. Im Bereich Naturschutzpolitik etwa möchte die EU-Kommission im Jahr 2020 zunächst eine neue EU-Biodiversitätsstrategie veröffentlichen. Erst im Anschluss daran sollen einzelne Ziele der Strategie weiter auskonkretisiert werden, auch mit den europäischen Ko-Gesetzgebern Parlament und Rat.

 

Virtueller Brüsseler Politikbetrieb mit gewissen Einschränkungen

Vor Corona: NABU-Austausch mit Frans Timmermans. Foto: Europäische Union 2018.

Wie wirkt sich die aktuelle Krise nun auf die Arbeit der EU-Kommission an den Einzelinitiativen aus, die den European Green Deal zeitnah mit Leben füllen sollten? Meiner persönlichen Erfahrung nach geht der Brüsseler Politikbetrieb bei Vielen, die nicht unmittelbar mit der Corona-Krise befasst sind, weiter. Natürlich dauert es eine gewisse Zeit, bis gewohnte Arbeitsabläufe umorganisiert und Diskussions- und Entscheidungsstrukturen auf virtuellen Austausch umgestellt sind. Und natürlich sind auch in Brüssel Politiker*innen und Expert*innen Corona-bedingt mit zusätzlichen Terminen überladen und müssen sich zudem beispielsweise um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Eine grundlegende Richtungsabkehr vom European Green Deal ist bisher trotz verschiedener Lobbybemühungen (siehe hierzu den Folgebeitrag) aber glücklicherweise nicht erkennbar. Zwar wurde die im Rahmen des „Zero Pollution“-Ansatzes geplante Chemikalienstrategie ohne konkreten Ersatztermin aufgeschoben, da die entsprechenden Fachressorts stärker in die Corona-Arbeit eingebunden sind. Die zuletzt für 25. März 2020 angekündigte Veröffentlichung der „Farm to Fork“- und der EU-Biodiversitätsstrategie wurde indes nur um einen weiteren Monat auf 29. April verschoben. Wenn es dabei bleibt und die Zeit zugleich für das weitere Abstimmen von ambitionierten Zielen genutzt wird, ist dies sicher eine hinnehmbare Verzögerung. Bis dahin erfolgt der fachliche Austausch auch des NABU beispielsweise zum Thema EU-Biodiversitätsstrategie mit den verschiedenen Akteuren und auch der EU-Kommission eben über Videokonferenzen. Nur die öffentlichen Veranstaltungen mit Podiumsdiskussionen, fachlichen Gesprächen mit Entscheidungsträgern am Rande, und die für Brüssel obligatorischen Abendempfänge entfallen.

Raphael Weyland
Letzte Artikel von Raphael Weyland (Alle anzeigen)

Keine Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte bleibe höflich.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht und Pflichtfelder sind markiert.