Erneuerbare Energien: EU-Kommission stellt ihren Plan „REPowerEU“ vor

EU-Flagge. Foto: Europäische Union 2016

Die Europäische Kommission hat am 18.05.2022 ihren Plan namens REPowerEU vorgestellt. Es handelt sich um ein Paket von Maßnahmen, mit denen Probleme auf den globalen Energiemärkten adressiert werden sollen, welche als Konsequenz der russischen Invasion der Ukraine auftreten. Der Plan bezweckt die schnelle Unabhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern, unter anderem durch den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien.

Aus klimapolitischer Sicht ist der Plan überwiegend positiv zu bewerten. Gleichwohl sind einige Aspekte kritikwürdig mit Blick auf die Auswirkungen auf den Naturschutz, wie in diesem Beitrag erörtert wird.

Eckpunkte von REPowerEU

Um ihre energiepolitischen Ziele zu erreichen, schlägt die Kommission verschiedene Maßnahmen vor. Im Bereich der Energieeffizienz wird das Ziel von 9% auf 13% angehoben und insofern die Zielvorgabe im Rahmen des Pakets „Fit for 55“ geändert. Für Energieeinsparungen sieht eine Kommissionsmitteilung vor, kurzfristige Verhaltensänderungen durch Informationskampagnen zu erreichen. Daneben werden steuerliche Erleichterungen für energieeffiziente Heizungsanlagen, Gebäudeisolierung, Geräte und Produkte angeregt.

Zudem wird eine Diversifizierung der Energieversorgung angestrebt, wofür die EU-Kommission unter anderem auf den verstärkten Einsatz von Wasserstoff und die Steigerung der Einfuhren von LNG (liquefied natural gas, Flüssigerdgas) setzt. Letzterer Punkt ist aus ökologischer Sicht kritikwürdig, da hierdurch lediglich ein fossiler Energieträger durch einen anderen ersetzt wird und Investitionen in LNG-Infrastruktur zu einem Lock-in-Effekt führen können, wodurch mittel- und langfristig die Transformation hin zu einer emissionsarmen Energieversorgung erschwert wird.

Schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien

Für den schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien strebt die EU-Kommission eine Anhebung des Ziels bis 2030 von 40% auf 45% an. Hierfür sollen etwa verstärkt Wärmepumpen eingesetzt werden; auch sieht eine Mitteilung die Verdopplung der Stromerzeugung aus Photovoltaik bis vor 2025; bis 2030 sollen 600 GW installiert werden. Auf neuen öffentlichen und gewerblichen Gebäuden sowie auf neuen Wohngebäuden wird eine Solardachpflicht vorgeschlagen (siehe S. 3 f. in dieser Mitteilung und die vorgeschlagene Einfügung eines Art. 9a in die sogenannte EPBD-Richtlinie).

„Go-to-Gebiete“ und beschleunigte Genehmigungsverfahren

Um eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien-Projekte zu erreichen, soll unter anderem die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EE-RL) geändert werden. Die Mitgliedstaaten werden nach dem Kommissionsvorschlag verpflichtet, sogenannte „go-to-Gebiete“ auszuweisen, d.h. Gebiete, die für entsprechende Anlagen (mit Ausnahme von Biomasseverbrennungsanlagen) besonders geeignet sind. Bei der Ausweisung soll sichergestellt werden, dass erhebliche Umweltauswirkungen vermieden werden; zudem sind grundsätzlich besonders geschützte Gebiete wie Natura 2000-Gebiete ausgenommen (Art. 15c des Kommissionsvorschlags). Sowohl innerhalb der „go-to-Gebiete“ also auch außerhalb davon wird eine Änderung des Genehmigungsverfahrens vorgeschlagen, insbesondere mit Blick auf naturschutzrechtliche Vorgaben.

Innerhalb der „go-to-Gebiete“ dürfen Genehmigungsverfahren für Vorhaben zum Ausbau erneuerbarer Energien nicht mehr als ein Jahr dauern und grundsätzlich findet weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) noch eine Verträglichkeitsprüfung bzgl. Regeln der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) statt (Art. 16a des Kommissionsvorschlags). Die zuständigen Behörden führen lediglich ein nicht förmliches „Screening“ durch, um mögliche unvorhergesehene Umweltauswirkungen zu erkennen.

Außerhalb der „go-to-Gebiete“ dürfen Genehmigungsverfahren nicht mehr als zwei Jahre dauern; hier wird die UVP weiterhin durchgeführt und mit allen anderen relevanten Prüfungen gebündelt (Art. 16b des Kommissionsvorschlags). Eine Modifikation des Naturschutzrechts ist insofern vorgesehen, als dass ein Verstoß gegen das Tötungs- und Störungsverbot der FFH-RL und der Vogelschutz-Richtlinie (VS-RL) nicht anzunehmen ist, wenn angemessene Schadensbegrenzungsmaßnahmen getroffen wurden.

Artikel 16d des Vorschlags sieht zudem vor, dass im Genehmigungsverfahren die Planung, der Bau und Betrieb von Anlagen für erneuerbare Energien, der Netzanschluss sowie das Netz und Speicherlösungen stets als im überwiegenden öffentlichen Interesse stehend gelten. Dies ist relevant für bestimmte Abwägungsentscheidungen, die nach der FFH-RL, der VS-RL und der Wasserrahmen-Richtlinie (WR-RL) im Rahmen von Ausnahmegenehmigungen zu treffen sind.

Problematische Aspekte

Der NABU begrüßt grundsätzlich den schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien, der in den letztens Jahren versäumt wurde. Jedoch darf neben der Klimakrise die Biodiversitätskrise nicht vergessen und daher das Naturschutzrecht nicht ausgehöhlt werden. Letzteres könnten aber einige Punkte des REPowerEU Plans teilweise bewirken.

So ist zu bezweifeln, dass die vorgesehene Berücksichtigung von Naturschutzaspekten auf der Planungsebene (bei der Ausweisung der „go-to-Gebiete“) in Kombination mit dem „Screening“ im Genehmigungsverfahren eine angemessene Prüfung erlaubt. Auch steht zu erwarten, dass der Wegfall der UVP die Öffentlichkeitsbeteiligung negativ berührt. Zwar macht der Verordnungsvorschlag hierzu keine Ausführungen, in der Praxis ist die UVP aber häufig Anknüpfungspunkt für die Öffentlichkeitsbeteiligung. Sollte sie im Rahmen der vorgeschlagenen Richtlinienänderung wegfallen, bestehen Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der Aarhus-Konvention, einem völkerrechtlichen Vertrag, der unter anderem die Öffentlichkeits- und Verbandsbeteiligung in Umweltangelegenheiten regelt.

Mit Blick auf die Regelung zum überwiegenden öffentlichen Interesse ist kritisch anzumerken, dass es dieser Regelung zum einen nicht bedarf, da in der Praxis schon heute regelmäßig ein solches überwiegendes öffentliches Interesse bei Genehmigungsentscheidungen angenommen wird. Zum anderen dürfte die Annahme in dieser Pauschalität den naturschutzfachlichen Bedürfnissen nicht immer gerecht werden – hier ist etwa an einen Fall zu denken, in dem eine geschützte Art nur noch in dem Gebiet vorkommt, das von einer geplanten Anlage betroffen und konkret bedroht ist.

Allgemein ist zudem zu bedauern, dass der Plan der Kommission nicht ­­­­– spiegelbildlich zur Ausweisung der „go-to-Gebiete“ – auch die Ausweisung von Gebieten für den Naturschutz vorsieht, in denen diese wiederhergestellt oder besser geschützt wird.

Fazit

Bleibt zu hoffen, dass diese Aspekte im Gesetzgebungsverfahren adressiert werden. Mit Blick auf die angesprochene fragliche Vereinbarkeit mit der Aarhus-Konvention gilt dies auch aus dem Grund, dass für einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien Rechtssicherheit erforderlich ist.

3 Kommentare

Angelika Heitmann

28.05.2022, 19:44

Es ist nicht nur zu befürchten, sondern es zeichnet sich leider ganz deutlich ab, dass der Natur- und Artenschutz im Rahmen der Energiediskussion bezüglich der erneuerbaren Energien völlig unter den Tisch fällt. Dies ist ebenso bei der Brachflächendiskussion bezüglich des Anbaus von Weizen etc. zur Nahrungsmittelproduktion geschehen. Es ist für mich als Juristin ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip die Genehmigungsverfahren so zu beschleunigen, dass der jetzt schon regelmäßig reduzierte Natur- und Artenschutz im Genehmigungsverfahren faktisch nicht mehr existent ist. Es darf nicht sein, dass im öffentlichen Interesse die Energiegewinnung einen so hohen Stellenwert einnimmt, dass der aktuell minimale Arten - und Naturschutz entfällt. Wozu existieren eigentlich unsere Naturschutzgesetze, wenn dies nicht mehr greifen soll? Wie viele Naturschutzgebiete haben wir eigentlich? Es sind sehr wenige bezogen auf die Fläche Deutschlands. Hier den besonderen Schutz für die Stromgewinnung entfallen zu lassen, nenne ich nicht nur rechtswidrig, sondern pervers! Wie egozentrisch auf die rein menschlichen Interessen bezogen, kann es denn noch werden? Haben wir Menschen immer noch nicht realisiert, dass eine gute Stromversorgung zwar wichtig, aber die noch weiter zunehmende Biodiversitätskrise lebensbedrohlich auch für uns ist. Wir stehen doch selbst nach den Aussagen der Wissenschaft hier am Abgrund. Glauben wir wirklich, dass wir in absehbarer Zeit einen anderen Planeten bewohnen und dann wieder zugrunde richten können? Ich kann mich nur über diese eingeengte und rechtswidrige Denkweise der EU / deutschen Politik wundern - leider auch von Herrn Habeck. Das dürfen die Umweltverbände m.E. nicht hinnehmen, sonst würden sie ihrer Zielsetzung / Aufgabe nicht mehr gerecht werden und den Naturschutz insgesamt für die Stromerzeugung verraten.

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I. Müller

28.05.2022, 23:21

Vielen Dank, liebe Frau Heitmann, Sie sprechen nicht nur mir in allen Punkten aus der Seele. Erschütternd zu erfahren, dass wir , die praktischen Umweltschützer (damit eigentlich auch Menschen- Schützer) politisch nun endgültig gar nicht mehr vertreten sind. Ich wünschte mir schon länger eine eine neue Partei aus allen Teilnehmern der "Wir haben es satt"- Bewegung, es brauchte nur ein Führungs- Team. Wäre das nicht zu schaffen?

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Ute Hasenbein

30.05.2022, 15:35

Da wäre ich sofort dabei, I. Müller! Und ja, danke Fr. Heitmann für Ihre deutlichen Worte, ich unterschreibe jedes einzelne davon. Es kann und darf so nicht weitergehen.

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