Von der Leyen’s Rechtsdurchsetzung zu langsam!

Berlaymont-Gebäude der EU-Kommission. Foto: Europäische Union 2016.

Rechnungshof fordert von EU-Kommission schnellere Vertragsverletzungsverfahren

Heute hat der Europäische Rechnungshof einen Bericht veröffentlicht, in dem er sich mit dem Thema Vertragsverletzungsverfahren befasst. In seinem Audit untersuchte die Europäische Behörde, wie effektiv die EU-Kommission dabei ist, bestehende Gesetze durchzusetzen. Das Ergebnis bestätigt die Eindrücke, die ich während der Arbeit für den NABU in Brüssel die vergangenen Jahre sammeln konnte: Mit dem hohen Gut der Rechtsstaatlichkeit geht die EU-Kommission zu leichtfertig um – dabei liegen Lösungen auf der Hand!

Was sagt der Europäische Rechnungshof

Der Bericht (hier abrufbar) kritisiert v.a., dass Vertragsverletzungsverfahren und das Abarbeiten von Kommissionsbeschwerden zu langsam ist. Ausserdem weist die Behörde darauf hin, dass nur wenige Verfahren zu Strafzahlungen führten.

 

Was fordert der NABU mit seinen Dachverbänden auf EU-Ebene

Das Thema ist leider nicht neu für den NABU. Und um dies vorab klarzumachen: Unsere Kritik richtet sich nicht gegen einzelne Kommissionsmitarbeiter*innen. Vor allem auf Arbeitsebene der verschiedenen Generaldirektionen treffen wir immer wieder auf Menschen, die sich extrem engagieren, um Dinge voranzubringen. Aber klar ist auch, dass wir es uns nicht erlauben können, die eh vielfach schwachen politischen Kompromisse in den EU-Mitgliedstaaten dann nicht umzusetzen. Dies gefährdet zuallererst die in den Gesetzen vereinbarten Ziele, also sauberes Wasser, intakte Natur, etc. Dies gefährdet sodann aber auch das große Ganze, nämlich das Vertrauen der Bürger*innen in die EU und ihre Institutionen.

Aus diesem Grund bin ich in Brüssel seit Jahren dran, systematische Verbesserungen am System der Vertragsverletzungsverfahren zu fordern. Bereits 2016 organisierten wir mit dem vorletzten Europäischen Parlament unter dem Titel „The Last Line of Defence“ eine Veranstaltung, um gemeinsam mit Abgeordneten verschiedener Fraktionen Druck auf die EU-Kommission auszuüben. Verschiedene Briefe an die EU-Kommission und gemeinsame Gespräche folgten. Im Jahr 2022 veröffentlichten eine Kollegin vom Europäischen Umweltbüro EEB und ich außerdem eine Studie, in dem wir auf weiter bestehende Defizite hinwiesen und konkrete Forderungen erhoben (siehe diesen Naturschätze.Retten-Beitrag). Bei der Vorstellung konfrontierten wir immerhin einen Vertreter vom Generalsekretariat der EU-Kommission mit den Forderungen.

Diese sind bis heute gültig, wie unsere aktualisierten Teil-Analysen (zum Beispiel zur Dauer der Vertragsverletzungsverfahren, siehe diesen Naturschätze.Retten-Beitrag) zeigen. Konkret fordern wir einen Maßnahmenmix zur Entpolitisierung und Effektivierung des Systems von Vertragsverletzungsverfahren. Zu diesen Maßnahmen gehören ausreichende Vollzugskapazitäten in den jeweiligen Dienststellen, die Veröffentlichung der Schriftsätze von EU-Kommission und Mitgliedstaaten zur Steigerung der Transparenz, regelmäßige monatliche „Infringement Packages“ und eine Maximal-Dauer von 6 Monaten für die Beschwerde-Bearbeitung bzw. von 1 Jahr für das Vertragsverletzungsverfahren.

 

Wie geht’s nun weiter

Schon vor den Anhörungen der neuen Kommissar*innen hatte ich mit verschiedenen Abgeordneten das Thema angesprochen. Gleich mehrere haben hierzu die EU-Kommission auch kritisch befragt, z.B. die Umweltkommissarin Jessica Roswall oder den Umsetzungskommissar Valdis Dombrovskis. Die Veröffentlichung von „Infringement Packages“ unter der neuen EU-Kommission geht zwar weiter. Strukturelle Änderungen, Personalverstärkungen oder gar eine Transparenzpflicht für die Verfahrensschriftstücke sind indes bisher nicht ersichtlich. Der Zeitpunkt des Bericht des Europäischen Rechnungshofs ist daher gut gewählt.

Bevor die Kommission unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen richtig mit der neuen Amtszeit loslegt, besteht die Möglichkeit, Änderungen umzusetzen und das System zu verbessern. Dafür brauchen wir öffentlichen Druck für dieses technische Thema, das zwar viele tangiert, aber nur von wenigen beachtet wird. Dabei ist klar: Wir können es uns nicht erlauben, oft mehrere Jahrzehnte bei der Umsetzung hinterherzuhängen. Viele neue Gesetze wären gar nicht erst nötig, wenn die EU-Mitgliedstaaten die bestehenden Regeln besser umsetzen würden. Ich werde auf jeden Fall weiter an dem Thema dran bleiben. Vielleicht schaffen wir es ja, Vertreter*innen vom Rechnungshof nach Brüssel einzuladen, um ihren Bericht gemeinsam mit uns Umweltverbänden vorzustellen.

Raphael Weyland
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