Angriffe auf EU-NGOs: Geht die Saga weiter?

Das Europäische Parlament in Straßburg. Foto: Raphael Weyland 2025

Kommission entlastet. Droht trotzdem ein Untersuchungsausschuss von Rechtsaußen?

Seit Monaten treiben konservative und rechte Kräfte die Angriffe auf die europäische Zivilgesellschaft – und indirekt auf die von den NGOs verteidigten Umweltgesetze – voran (siehe hierzu bereits meinen Februar-Blog). In diesem Beitrag berichte ich Ihnen kurz direkt von der Plenarsitzung aus Straßburg, welche beiden Angriffslinien diese Woche auf der Tagesordnung des Europäischen Parlaments stehen.

Entlastung der EU-Kommission

Der deutsche CDU-Abgeordnete Niklas Herbst hatte im Haushaltskontrollausschuss des Parlaments gemeinsam mit der CSU-Abgeordneten Monika Hohlmeier (übrigens die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß) einen Bericht zur Entlastung der EU-Kommission für das Jahr 2023 vorbereitet.

Für die Plenarabstimmung erfuhr dieser dank der Arbeit der Schattenberichterstatter*innen über Kompromissvorschläge verschiedene Änderungen. Zwar ist der Bericht immer noch kein Dokument, das ausgewogen aufzeigt, wer in Brüssel wieviel Geld für Lobbying ausgibt, welche Abgeordneten wie viele Nebeneinkünfte erhalten, etc. Aber die teilweise tendenziösen Vorwürfe des ursprünglichen Textes, EU-NGOs wie unsere Dachverbände BirdLife Europe oder das Europäische Umweltbüro EEB seien intransparent und würden von der EU-Kommission für spezifisches Lobbying gegen Abgeordnete gezahlt, finden sich in dem nun zur Abstimmung ins Plenum gebrachten Text nicht mehr.

Und das zu Recht, denn jüngst hatte EU-Haushaltskommissar Piotr Serafin in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des niederländischen Abgeordneten Gerben-Jan Gerbrandy nochmals explizit klargestellt, dass die EU-Kommission niemals NGOs dafür bezahlt hat, für sie das Parlament zu lobbyieren.

Spannend war vor der Abstimmung am Mittwoch noch gewesen, ob die gegen NGOs gerichteten Änderungsanträge der Rechtsaußenfraktionen – etwa Nummer 53 oder Nummer 56 – von der konservativen Europäischen Volkspartei Manfred Weber’s unterstützt werden und damit eine Mehrheit erhalten. Einzelne EVP-Abgeordnete taten dies zwar, aber für eine Mehrheit reichte dies nicht (hier die namentliche Abstimmungsliste). Dafür fanden die positiven Änderungsanträge der S+D-Fraktion, etwa Nummer 12 und 13, Zustimmung.

Insgesamt ist damit diese Angriffslinie – genau wie der schon vor einigen Wochen gestartete Versuch, das LIFE-Programm 2025 bis 2027 über eine „Objection“ generell abzulehnen – gescheitert. Hoffentlich ist hiermit nun ein Endpunkt hinter die aktuelle „LIFE-Saga“ gesetzt (hierzu hier ein aktuelles Verbände-Statement).

Denn klar ist: die Natur braucht das winzige, aber hocheffektiv für gute Projekte sorgende LIFE-Programm. Und Die EU-Demokratie muss auch eine ausgewogene Interessensvertretung sicherstellen. Entweder wir beschränken den Einfluss der finanzstarken Industrie- und Agrarlobby. Oder wir sorgen dafür, dass sich auch die Gemeinwohl-Interessen, mit denen sich kein Geld verdienen lässt, wie etwa der Natur- und Umweltschutz, ausreichend Gehör verschaffen können.

Untersuchungsausschuss der von Rechtsaußen gegen NGOs

Ein Angriffsstrang könnte aber leider noch weitergehen und uns von der tatsächlich nötigen Natur- und Umweltschutzarbeit abhalten. Es geht um den von der rechtskonservativen EKR-Fraktion bemühten Untersuchungsausschuss gegen NGOs auf EU-Ebene.

Angeblich hat EKR genügend Stimmen zusammen, um einen solchen Ausschuss (entsprechend Regel 208 der Prozessordnung des Parlaments) zu beantragen. Nächster Schritt ist eine Entscheidung der Konferenz der Präsidenten (der Fraktionen). Dort wurde der Punkt letzte Woche verschoben, und sollte ursprünglich diesen Donnerstagvormittag diskutiert werden. Informellen Meldungen nach ist der Punkt allerdings auch für diese Woche von der Tagesordnung genommen.

Besorgt blicken unsere EU-Dachverbände trotzdem darauf, wie sich vor allem Manfred Weber’s EVP verhalten wird. Denn klar ist, dass es keinen Skandal gibt, der einen Untersuchungsausschuss rechtfertigen würde. Untersuchungsausschüsse gab es insgesamt noch nicht viele im Parlament, und sind schweren Rechtsbrüchen der Kommission vorbehalten (weitere Argumente z.B. hier in diesem Verbändebrief ans Europäische Parlament).

Aus meiner Sicht müsste vielmehr das Thema Lobby-Einflüsse verschiedener wirkmächtiger Akteure insgesamt beleuchtet werden, genauso wie Nebeneinkünfte von Abgeordneten, wie sie etwa durch den Bauernverband gezahlt werden. Auch dass im Agrarausschuss Abgeordnete ohne Befangenheitsregeln darüber abstimmen dürfen, welche Zahlungen sie oder ihre Betriebe selbst durch die EU-Agrarpolitik (GAP) erhalten, scheint mir eine Gefahr für die Demokratie.

Zukunft von LIFE im nächsten EU-Haushalt

Bleibt nur noch die Frage, wie es mit dem LIFE-Programm im nächsten EU-Haushalt (MFR) nach 2027 weitergeht. Nach den Ankündigungen der EU-Kommission zeichnet sich ab, dass dieses (eh winzige, aber hocheffektive) Naturschutzförderprogramm in seiner Eigenständigkeit unter die Räder der neuen MFR-Architektur geraten könnte. Anders als etwa bei den GAP-Direktzahlungen findet sich nämlich kein Hinweis auf eine mögliche Sonderbehandlung in aktuellen Dokumenten der EU-Kommission.

Klar ist für mich, dass LIFE erhalten bleiben muss, schon weil es hervorragende Naturschutzprojekte mit Mehrwert hervorbringt. Und weil in diesen oftmals verschiedene Akteursgruppen, also staatliche Institutionen, Landnutzer und Umweltverbände, zusammenarbeiten. Und weil es ansonsten keinen eigenständigen Naturschutzfonds gibt. Ergänzend fordern wir aber auch einen eigenständigen, an den tatsächlichen Finanzierungslücken ausgerichteten Fonds zur Umsetzung der EU-Wiederherstellungsverordnung. Hierzu werden wir auch weiter aus Brüssel berichten.

Und schließlich: Was den winzigen Teil des EU-Haushalts angeht, der in institutionelle NGO-Förderung fließt, so sollte dieser meiner Meinung nach in einen echten Zivilgesellschafts- und Demokratiefonds überführt werden. Zum einen, um LIFE damit nicht überzustrapazieren, und vor allem, um der Bedeutung der Sache gerecht zu werden.

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