GAP-Ticker: Das „Who is Who“ im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments

GAP-Ticker: Who is Who im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments

10. August 2018 Nachdem der Agrarkommissar Phil Hogan im Juni seine Vorschläge für die GAP-Reform vorgestellt hat, beraten nun der Ministerrat und das Europäische Parlament darüber. Allerdings nicht das ganze Parlament sondern lediglich zwei Ausschüsse befassen sich zu diesem Zeitpunkt mit der GAP-Reform: Der Agrarausschuss (COMAGRI) und der Umweltausschuss (COMENVI), dem ein (leider nicht sehr umfassendes) Mitspracherecht eingeräumt wurde. In dieser und der nächsten Woche wollen wir daher die wichtigsten deutschen Mitglieder dieser Ausschüsse vorstellen.

 

Albert Deß – Mitglied und agrarpolitischer Koordinator der EVP Fraktion

CSU-Urgestein Albert Deß ist seit über 50 Jahren in der (Agrar-)Politik engagiert und hat bereits Ämter auf allen politischen Ebenen bekleidet – vom Gemeinderat in seiner Heimat Berngau bis hin zum deutschen Bundestag. Seit 2004 gehört er dem Europäischen Parlament an und dort seit 2009 dem Agrarausschuss. Darüber hinaus ist er agrarpolitischer Koordinator für die gesamte EVP-Fraktion im Parlament und Mitglied im Fraktionsvorstand. In konservativen Kreisen ist er also einer der einflussreichsten Agrarpolitiker auf europäischer Ebene.
Kontroverse Auftritte sind Deß nicht fremd: Im Jahr 2017 sagte er auf einer Veranstaltung in Heinsberg, der Klimawandel sei für ihn die größte Volksverdummung seit Jahrzehnten. Erst kürzlich sorgte er für einen Eklat im Agrarausschuss des EP als er dem Europäischen Rechnungshof bei der Vorstellung seines Greening-Berichts fehlende Sachkompetenz vorwarf, sich weigerte auf dessen Argumente einzugehen und daraufhin vorzeitig den Saal verließ, sodass sich andere Mitglieder für das Verhalten von Deß entschuldigen mussten.
Deß ist eng mit der Landwirtschaft verbunden. In den 1960er Jahren machte er eine landwirtschaftliche Ausbildung, führte danach lange Zeit einen eigenen 42 Hektar Betrieb, ist Ehren-Kreisobmann des Bayrischen Bauernverbands und seit 1995 Vorstandsvorsitzender der Molkereigenossenschaft Bayernland e.G. Außerdem sitzt er im Beirat der BayWa AG. in den letzen Jahren setzte er sich massiv für die Zulassungsverlängerung von Glyphosat ein und sagte in einem Interview „Wenn an Glyphosat die Große Koalition scheitert, dann soll sie scheitern.“ Deß ist großer Kritiker der aktuellen Vorschläge von Agrarkommissar Hogan und wünscht sich deutlichere Auflagenvereinfachung für die Landwirtinnen und Landwirte. Nach der Veröffentlichung ging er sogar soweit, den Kommissar aufzufordern, die Vorschläge zurückzunehmen.

 

Maria Noichl – Mitglied und Schattenberichterstatterin der S&D Fraktion

Die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin und Fachlehrerin für Ernährung und Gestaltung aus Rosenheim in Bayern ist seit 2014 für die SPD Mitglied des Europäischen Parlaments. Zuvor war sie für eine Legislaturperiode Mitglied im Bayrischen Landtag und dort ebenfalls im Agrarausschuss tätig. Neben ihrer Arbeit im Agrarbereich kümmert sie sich auf europäischer Ebene besonders um die Gleichstellung von Frauen sowie um die Entwicklungszusammenarbeit mit Südamerika.
Den GAP-Vorschlägen von Kommissar Hogan steht Noichl kritisch gegenüber. Besonders die Fortführung der pauschalen Direktzahlungen hat sie unmittelbar nach der Veröffentlichung kritisiert: „Der jetzige Zustand der EU-Agrarpolitik ist teilweise absurd: Das Geld, das an die Landwirtinnen und Landwirte geht, wird momentan hauptsächlich nach Fläche vergeben. Wir brauchen endlich eine Abkehr von der Flächenbezahlung hin zu einer Vergütung für gesellschaftlichen Mehrwert. Öffentliche Gelder nur noch für öffentliche Leistungen.“ Bei den derzeitigen Verhandlungen um die GAP im Agrarausschuss ist Noichl Schattenberichterstatterin für die sozialdemokratische S&D-Fraktion.

 

Ulrike Müller – Mitglied und Berichterstatterin für die horizontale Einbindung der GAP

Die ebenfalls gebürtige Bayerin Ulrike Müller ist eine von nur zwei MdEPs der Bundesvereinigung der Freien Wähler. Seit 2014 ist die Mitglied des Europäischen Parlaments und dort in der liberalen ALDE-Fraktion organisiert. Zuvor saß sie sechs Jahre im Bayrischen Landtag und war dort bis 2013 agrarpolitische Sprecherin der Freien Wähler.
Auch Müller hat Verbindungen zur Landwirtschaft. Als Hauswirtschafterin betreibt sie zusammen mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb mit 75 Kühen im Oberallgäu. Zusätzlich ist sie Ehrenkreisbäuerin im Bayrischen Bauernverband Oberallgäu.
Müller fand überwiegend positive Worte für die neuen GAP-Vorschläge. Sie befürwortete vor allem die Flexibilisierung und den Bürokratieabbau: „Es ist vollkommen klar, dass die derzeitige Gemeinsame Agrarpolitik modernisiert, vereinfacht und effizienter gestaltet werden muss. Daher ist es eine gute Nachricht, dass die Vorschläge Vereinfachungen bei den Kontrollen und Inspektionen für Landwirte vorsehen und den Mitgliedstaaten einen größeren Spielraum einräumen. Seit Jahren schon fordert unsere Fraktion mehr Flexibilität – dies ist nun endlich aufgegriffen worden.“ Bei den derzeitigen Verhandlungen um die GAP im Agrarausschuss ist Müller Berichterstatterin des Parlaments für die horizontale Einbindung in andere Politikbereiche.

 

Norbert Lins – Mitglied

Der aus Baden-Württemberg stammende CDU-Abgeordnete Norbert Lins ist seit 2014 Mitglied im Europäischen Parlament. Im Jahr 2004 wurde er allerdings bereits Büroleiter bei seinem Kollegen Andreas Schwab, MdEP. Volles Mitglied im Agrarausschuss ist er erst seit 2018. Zuvor saß er im Umweltausschuss und fiel dort vor allem als Berichterstatter für die Verordnung über Emissionen aus der Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) auf.
Seine Verbindungen zur Landwirtschaft sind politischer und privater Natur. Aufgewachsen ist Lins auf einem Bauernhof und von 2006 bis 2011 war er persönlicher Referent des damaligen baden-württembergischen Landwirtschaftsministers Rudolf Köberle.
Die aktuellen GAP-Vorschläge bewertet er gemischt. Er begrüßt die Beibehalt der Zwei-Säulen-Struktur, bemängelt aber die Vermischung von Agrarumweltmaßnahmen in der ersten und zweiten Säule. Ebenfalls kritisiert er die geplanten Freiheiten der Mitgliedstaaten bei der konkreten Ausgestaltung der Maßnahmen.

 

Peter Jahr – Mitglied

Der CDU-Abgeordnete Peter Jahr kommt aus Sachsen und sitzt seit 2009 im Europaparlament. Zu DDR-Zeiten war er in der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands aktiv, bevor er nach der Wende in die CDU wechselte. In den 1990er und 2000er gehörte er außerdem den CDU-Fraktionen im sächsischen Landtag und dem deutschen Bundestag an.
Seine Nähe zur Landwirtschaft ist offensichtlich. Als studierter Diplom-Landwirt war er in der DDR zunächst als Ökonom einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) tätig und übernahm 1990 die Geschäftsführung der Agrar GmbH in Taura. Er ist Nebenerwerbslandwirt mit einem 350 Hektar Betrieb in Sachsen. 2014 geriet er in Kritik, da Transparency International ihn als Spitzenreiter der deutschen MdEPs bei Nebeneinkünften identifizierte. Er ist Gesellschafter in sechs verschiedenen Firmen und unterhält unter anderem eine Agrar GbR zusammen mit dem sächsischen Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt.
Jahr hat die GAP-Vorschläge von Kommissar Hogan deutlich kritisiert. Ihm gehen die enthaltenen Freiheiten für die Mitgliedstaaten nicht weit genug. Die Umweltauflagen in der ersten Säule empfindet er als Überfrachtung: „Wir müssen aufpassen, dass hier nicht ein Cross-Compliance-Greening-XXL-Monster‘ entsteht.“ Auch eine Kappung der Direktzahlungen bei 60.000€ oder 100.000€ lehnt er als kontraproduktiv ab.

 

Maria Heubuch – stellvertretendes Mitglied und Co-Schattenberichterstatterin der Grünen Fraktion

Die Landwirtin aus Baden-Württemberg ist seit 2014 Mitglied der Grünen Fraktion im Europaparlament. Im Agrarausschuss ist sie wie ihr Kollege Martin Häusling stellvertretendes Mitglied und gleichzeitig Co-Schattenberichterstatterin für ihre Fraktion was die GAP-Verhandlungen angeht.
Auch ihre Nähe zur Landwirtschaft ist offensichtlich. Als Landwirtin und Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft bewirtschaftet sie seit den 1980er Jahren einen Milchviehbetrieb. Im Jahr 1984 mitbegründete sie den „Verband für den Erhalt klein und mittelbäuerlicher Familienbetriebe e.V.“. Seit 1998 leitet sie den Verband „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V.“ (AbL) dem sie ein Jahr zuvor beigetreten war. Im Jahr 2005 wurde sie Mitglied im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) und gründete ein Jahr später das „Bündnis gentechnikfreie Anbauregion Bodensee, Allgäu, Oberschwaben“.
Hogans Vorschläge bewertet sie äußerst kritisch. Besonders negativ sieht sie die Kürzungen in der zweiten Säule und die geplanten Freiheiten für die Mitgliedstaaten. Ebenfalls sieht sie in den derzeitigen Vorschlägen keine Möglichkeit, den Landwirtinnen und Landwirten ein faires Einkommen zu garantieren: „Ihrem selbstgesetzten Ziel, die Gelder gezielter zu verwenden, wird die EU-Kommission damit nicht im Geringsten gerecht. Die Auswirkungen dieser Reform wären für Klima, Umwelt, Tierwohl und Höfesterben katastrophal. Für mich kann es keine andere Lösung geben, als diese Vorschläge augenblicklich zurückzunehmen.“

 

Martin Häusling – stellvertretendes Mitglied und Co-Schattenberichterstatter der Grünen Fraktion

Häusling stammt aus Hessen und ist seit 2009 Europaabgeordneter. In die Grüne Partei ist er bereits 1979 eingetreten und übernahm seit dem verschiedene gewählte Ämter, unter anderem ein Landtagsmandat von 2003 bis 2008 und wiederum 2009 in Hessen. Für die grüne Fraktion im Europaparlament ist er zusätzlich noch agrarpolitischer Koordinator.
Als gelernter Agrartechniker bewirtschaftet er einen Bioland-Betrieb in Nordhessen mit einer eigenen Hofkäserei. Im hessischen Landtag war er agrarpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er engagiert sich stark gegen den Einsatz und die Zulassung von Gentechnikverfahren in der Landwirtschaft.
Die GAP-Vorschläge kritisiert er fundamental. In der ersten Sitzung des Agrarausschusses nach der Veröffentlichung der GAP-Vorschläge rief er die MdEPs dazu auf, alles daran zu setzen, die Verhandlungen über die GAP auf die Zeit nach der Europawahl hinauszuzögern, damit diese Thema im Wahlkampf werden und die Bürgerinnen und Bürger (indirekt) darüber abstimmen könnten. Für ihn ist in den derzeitigen Vorschlägen die Biodiversität nicht ausreichend berücksichtigt. „Der GAP-Vorschlag von EU-Kommissar Phil Hogan zur Agrarpolitik nach 2020 eröffnet ein Tableau der Beliebigkeiten für die Mitgliedstaaten in Sachen Ressourcen- und Klimaschutz. Kürzungen werden voraussichtlich besonders die Agrarumweltmaßnahmen und Zahlungen für benachteiligte Regionen treffen.“

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

 

 

 

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