Jakob Wildraut Beiträge

Vom Abschied

Moin liebe Blogleser:innen,

die Saison ist zuende, ich bin seit Samstag Abend wieder am Festland. Der heutige Blogbeitrag ist etwas ungewöhnlich, es ist mein Abschiedsbrief an meinen Brieffreund und irgendwie auch an Trischen. Heinz-Lothar Heimbach war 1970 Vogelwart auf Trischen. Seitdem hält er stetigen Briefkontakt zu den Vogelwärter:innen und begleitet sie durch ihre Zeit. Meinen Brief habe ich ihm in meinen letzten Stunden auf der Insel geschrieben.

„Lieber Heinz-Lothar,

Nun kommt endlich meine Antwort und auch die von dir gewünschte Beschreibung einer meiner Tage hier auf unserer Sandbank. Ich bin ein Mensch, der wie man so schön sagt vieles „auf den letzten Drücker erledigt“, das wird sich wohl nicht mehr ändern. Aber so kannst du an einem ganz besonderen Tag teilhaben. Morgen werde ich abreisen.

Heute morgen bin ich wie gewohnt zu Sonnenaufgang mit dem Kaffee in der einen, der Zigarette in der anderen Hand an der Hütte gesessen und habe die ziehenden Vögel beobachtet. Ich war dabei, wie jeden Morgen, in engem Austausch mit meinem Freund Kilian, dem Vogelwart von Scharhörn. Wir halten uns stetig auf dem Laufenden was es zu sehen gibt und was auf unseren Inseln so los ist. Anschließend habe ich mich nochmal in mein warmes Bett verkrochen, es ist mittlerweile recht herbstlich. Zu Mittag habe ich dann mit Axel telefoniert. Eigentlich war meine Abreise für Sonntag geplant, da ist es aber zu windig, also wagen wir die Überfahrt morgen. Der Tag wurde plötzlich hektisch. Ich musste noch Holz für das nächste Jahr machen, packen, putzen, alles was eben so ansteht. Bei einer Zigarettenpause auf dem Umlauf rief ein Reporter vom NDR an. Wir hatten gerade mit dem Interview begonnen als ich einen Singvogel auf einem der Pfosten entdeckte. Der Blick durchs Fernglas verriet mir, dass es ein Schwarzkehlchen war. Aber mit dem Vogel stimmte etwas nicht: seine Beine sahen merkwürdig aus. Ich würgte den Reporter ab und beendete das Telefonat, was sich gelohnt hat. Der Vogel kam näher zur Hütte und der Blick durchs Spektiv bestätigte meinen Verdacht: das Schwarzkehlchen war farbberingt. Alles ging sehr schnell, aber ich konnte ein gutes Foto machen. Wenige Stunden später kam auch schon die Rückmeldung: der Vogel wurde dieses Jahr als Jungvogel in Norwegen beringt. Meine wohl spektakulärste Ablesung und ein tolles Abschiedsgeschenk. Anschließend habe ich das Interview weitergeführt, meine Arbeit erledigt und bin dann noch einmal bei schönster Sonne und kräftigem Wind zur Nordspitze spaziert um mich zu verabschieden. Jetzt habe ich noch mit Kilian telefoniert und aktuell gönne ich mir ausnahmsweise ein wenig Rum, höre Lieder über das Meer und Inseln und schreibe dir diese Zeilen.

Unvergessliche Momente gab es viele, es fällt mir schwer das auf einen zu konzentrieren. Was ich sicherlich niemals vergessen werde und was mich überwältigt hat war die Sturmflut im späten Sommer. Der Himmel war voll von zigtausenden Vögeln, die Hütte stand mitten im Meer und ich war unfassbar beeindruckt und glücklich. Aber es gab auch viele Momente die wenig herausragen und trotzdem unvergesslich waren. Ich habe es immer sehr genossen in der Düne zu liegen und der Brandung zu lauschen.

Die Ringelgänse die mich hier im März begrüßt haben verabschieden mich nun. In den letzten Monaten bin ich über Bernsteine gestolpert, habe die ersten Gelege und dann die ersten Küken bewundert, mich über die ersten blühenden Pflanzen gefreut, habe gesehen wie die Insel sich verändert hat, wie junge Seehunde geboren wurden, wie alles lila vor Halligflieder wurde, wie die Vögel wieder begonnen abzuziehen, wie Stürme über Trischen gefegt sind und die Wiesen unter Wasser setzten, und schließlich habe ich bemerkt, dass der Queller sich rot gefärbt hat, dass die Seeschwalben im Süden waren, und dass die Ringelgänse zurückgekehrt sind. Du wirst verstehen was ich beschreibe.

Morgen werde ich diese kleine Heimat für immer aufgeben. Das schmerzt. Aber ich werde Trischen und meine Zeit als Robinson nie vergessen, so wie auch du.

Ich danke dir für den stetigen Kontakt und deine Briefe, es hat meine Zeit bereichert.

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.

Viele liebe Grüße
Jakob“

Der Vogelwart und seine Hütte

Und so endet meine Zeit als Vogelwart. Ich bin gespannt, was Mareike im nächsten Jahr erleben und berichten wird und werde, wie auch ihr, den Blog verfolgen. Ich danke euch für euer Interesse und die vielen Nachrichten im Gästebuch!

Die besten Grüße aus Soest,

Jakob

Moin liebe Blogleser:innen,

entschuldigt bitte die lange Funkstille, ich habe seit einigen Wochen nur sehr eingeschränkt funktionierendes Internet zur Verfügung. Mittlerweile ist es sehr herbstlich hier auf Trischen. Der rotgefärbte Queller erinnert an das bunte Laub des Waldes, im Spülsaum finden sich Walnüsse, die wohl die Elbe ins Meer getrieben hat und am Himmel ziehen die Gänse nach Süden. Die Seeschwalben sind schon lange abgereist und nun irgendwo im Warmen. Die meisten Blumen sind mittlerweile verblüht und die Insel ist in den vergangenen Monaten wieder ein paar Meter gewandert. Vieles an der aktuellen Stimmung hier auf Trischen erinnert mich an die Zeit im März, als ich hier ankam. Ich sitze morgens wieder in warmer Winterkleidung an der Hütte, drinnen wird der Holzofen wieder wichtiger, das Sonnenlicht und damit der Strom werden knapper und die Tage kürzer. Am Strand liegt wieder viel Bernstein und auch die Ringelgänse, die mich hier bei meiner Ankunft begrüßt haben, sind zurückgekehrt. Der Kreis schließt sich, ein schönes Gefühl.

Trischens „Herbstlaub“

Der Herbst ist auch die Zeit, in der Trischen sich wieder selbst überlassen wird. Die ungemütlichen Herbststürme, die in der nächsten Zeit wieder erwartet werden, verhindern es, die Insel weiterhin wöchentlich zu versorgen. Für mich heißt es deshalb, Abschied nehmen und vermutlich werde ich am kommenden Sonntag die Insel, die mir so vertraut geworden ist, verlassen. In dieser Woche bin ich damit beschäftigt, die Hütte winterfest zu machen, Feuerholz für Mareike im nächsten Jahr zu sägen und zu stapeln, Ordnung in den kleinen Haushalt zu bringen und meine Sachen zu packen. Daneben verbringe ich viel Zeit draußen. Ich gebe mir Mühe, nochmal alle Eindrücke zu verinnerlichen, noch tolle Beobachtungen zu machen und die letzten Ringe bei den Vögeln abzulesen. Jetzt am Ende meiner acht Monate auf der Insel wird mir noch einmal bewusst, wie außergewöhnlich es ist, hier zu sein, hier auf Zeit leben und arbeiten zu dürfen. Ich bin sehr dankbar für diesen Aufenthalt und hoffe, ich konnte euch während dieser Zeit ein bisschen mitnehmen. Meinen nächsten und wahrscheinlich letzten Blogbeitrag werde ich dann vom mittlerweile gefühlt sehr fernen und für mich erstmal ungewohnten Festland schreiben. Trischen fehlt mir schon jetzt.

Genießt euren Herbst!
Jakob

Vogelwärterfreunde

Moin liebe Blogleser:innen,

Trischen ist nicht der einzige Außenposten in der Nordsee mit Vogelwart oder Vogelwartin. Auf einigen Inseln und Halligen in den drei deutschen Wattenmeer Nationalparks haben eine Handvoll Personen das Glück, zwischen unseren gefiederten Freunden leben und arbeiten zu dürfen. Manchmal sind sie etwas näher an der Zivilisation und weniger einsam, manchmal sind sie für kürzere Zeitfenster im Einsatz und manchmal auch gleich mit mehreren Personen gleichzeitig. Ihre Situation ist insgesamt aber doch sehr ähnlich wir hier bei mir. Einen dieser Kolleg:innen durfte ich während meiner Inselzeit kennenlernen.

Wenn ich über das Wattenmeer nach Südwesten schaue, kann ich meist problemlos die Insel Neuwerk sehen. Sie liegt auf der anderen Seite der Elbe und im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer. Und wenn ich mit dem Spektiv etwas weiter nach Norden schwenke und genau hinsehe, erkenne ich einen dünnen Streifen von Sand und Vegetation, eine weitere Insel: Das ist Scharhörn. Auch dort sind Vögel streng geschützt. Auch dort steht eine Hütte. Und auch dort darf ein Vogelwart für sieben Monate ein Inselleben führen. Ende April schrieb mir eine Freundin folgende Nachricht: „Ist es okay wenn ich deine Nummer an einen Vogelwart da bei dir in der Ecke weiter geb? Der hat grad nen ganz seltenen Vogel gefunden und will dich irgendwas fragen“. Seltene Vögel finde ich natürlich spannend und andere Vogelwarte auch, also habe ich selbstverständlich zugesagt und wenig später hatte ich Kontakt zu Kilian. Kilian war nach der Schule als Freiwilliger bei der Schutzstation Wattenmeer im Einsatz und hat hier seine Liebe zur Nordsee und zu den Vögeln entdeckt, genau wie ich. Und nun ist er auf Scharhörn, arbeitet als Vogelwart und dreht nebenbei einen Film über die Insel. Seit der ersten Nachricht ist der Kontakt immer mehr geworden, wir tauschen uns mittlerweile täglich dazu aus, was hier auf unseren Inseln passiert, welche Vögel da sind und wie das Eremitenleben läuft. Aktuell zählen wir beide in den ersten Stunden des Tages die Zugvögel und ich kann mich eigentlich immer darauf verlassen, dass, wenn ich zu Sonnenaufgang mit Kaffee und Fernglas in der Hand an der Hütte sitze, Kilian das gleiche tut und von seinen Beobachtungen berichtet. Häufig zeigt sich uns ein sehr ähnliches Bild, die gleichen Arten ziehen über unsere Inseln und teilweise haben wir auch schon die gleichen Vögel gesehen, erst waren sie auf Scharhörn, wenig später dann auf Trischen.

Für mich ist der Kontakt zu meiner Nachbarinsel sehr wertvoll. Wenige Menschen führen ein Leben wie ich es gerade tue, wenige Menschen dürfen mitten im Nationalpark Wattenmeer leben und sehen jeden Tag diese beeindruckende Landschaft mit ihren Wetterspektakeln und den tausenden Zugvögeln. Mir fällt es oft schwer zu beschreiben, wie es ist hier zu sein, umgeben von dieser außergewöhnlichen Situation. Die schönsten Bilder, die ich hier gesehen habe und die Gefühle, die sie ausgelöst haben, sind nur schwer zu vermitteln, die Stimmung der Momente mit der Kamera einzufangen, war immer unmöglich. Und direkt teilen kann ich diese Momente meist mit niemandem. Von Kilian denke ich, dass er versteht was ich hier erlebe, weil er da drüben ganz Ähnliches erlebt. Das ist ein schönes Gefühl, so verbunden zu sein, obwohl uns 18 Kilometer Watt und Wasser trennen. So ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis hatte ich noch nie, das ist schon absurd. Und auch wenn wir nicht wirklich zusammenarbeiten, für zwei unterschiedliche Vereine tätig sind und uns nicht einmal im selben Nationalpark befinden, ist er ein geschätzter Kollege für mich. Und das alles, obwohl wir uns noch nie persönlich gesehen haben.

Kilians Blick auf Trischen

Wobei das nicht ganz richtig ist: Vor wenigen Wochen hatten wir morgens sehr klare Sicht. Ich habe meine Taschenlampe gezückt, Kilian sein Handylicht und wir haben uns ein paar Lichtzeichen über die Elbe geschickt, auf dem Foto gut zu sehen. Die Umrisse des Nachbarn an seiner jeweiligen Hütte konnten wir ganz leicht erahnen. Ich hoffe, dass es nicht bei dieser Sichtung bleibt, und dass ich meinen Vogelwartfreund nach meiner Abreise von Trischen dann doch auch mal von nahem sehen und sprechen kann.

Viele Grüße,

Jakob

Trischen international Teil 3

Moin liebe Blogleser:innen,

heute berichte ich mal wieder von den Vogelringen hier auf der Insel. Mit dem Herbstzug kommen viele Gäste unterschiedlichster Arten zu mir auf die Insel, ihre Ringe erzählen weiterhin spannende Geschichten. Seit Ende Juli verbringe ich fast jeden Tag ein paar Stunden damit, rund um das Hochwasser den Strand entlangzupirschen und je nach Bedingungen verschiedene Arten abzulesen. Zu Beginn waren das die Zwergseeschwalben, von denen ich ja schon berichtet hatte. Dann folgte eine Zeit, in der ich mich vor allem auf Limikolen konzentriert habe und aktuell habe ich es auf Lachmöwen und Austernfischer abgesehen. Bei mittlerweile 19 Arten konnte ich Codes entziffern und Punkte im Lebenslauf der Vögel hinzufügen. Darunter Pfuhlschnepfen aus Mauretanien und Polen, Lachmöwen aus Deutschland, Polen, Dänemark, England, Lettland, den Niederlanden und Kroatien, Alpenstrandläufer aus Ungarn, Polen, Spanien, Wales, der Ukraine und den Niederlanden, sowie vieles Spannendes mehr. Besonders der Herbstzug zeigt mir wieder, wie international es hier zugeht und welche Bedeutung das Wattenmeer und auch Trischen im Speziellen für den Vogelzug hat.

Die Zwergseeschwalben sind mittlerweile größtenteils abgezogen, von den zeitweise an die 700 Vögeln sind noch zwei anwesend. Drei Wochen habe ich damit verbracht mich heranzuschleichen, nach beringten Individuuen zu suchen, zu versuchen, ihre Codes zu erkennen und Fotos der Ringe zu machen. Am Ende sind Beobachtungen von 78 Individuen zusammengekommen, ein kleiner Schatz an Daten für die Zwergseeschwalbenforschung. Acht meiner Vögel kamen aus verschiedenen Teilen Dänemarks, zwölf waren hier aus Deutschland, zwei aus den Niederlanden und zwei aus Litauen, ein Vogel kam aus England und 48 aus Polen, zum größten Teil von der Weichsel. Einer der Vögel wurde auf dem Zug in Portugal beringt und zwei Individuen bei der Überwinterung im Senegal. Meine älteste Zwergseeschwalbe wurde 2006 bei Lensterstrand an der Ostsee beringt. Einige meiner Vögel wurden nach ihrem Abzug hier auf Trischen wiederentdeckt, vor allem in den Niederlanden. Ein Vogel ist aber auch zurück an die Ostsee, nach Usedom, geflogen. Gleich bei meiner ersten Beobachtung der Zwergseeschwalbe im April hier auf der Insel ist sie zu meiner liebsten Trischen-Art geworden. Das kleine Ring-Projekt war bisher die schönste Arbeit hier für mich. Die hübschen, kleinen Seeschwalben werden mir fehlen.

Zwergseeschwalbe ZPK

Vor etwa zwei Wochen hatten wir eine sehr beeindruckende Sturmflut hier an der Küste, der Wasserstand auf Trischen lag bei 1,60 m über Normal und es haben nur noch die höchsten Punkte der Dünen und die Hütte aus dem Wasser geguckt. Nordwestlich von Trischen liegt der D-Steert, ein großer Außensand, der tausenden Zugvögeln einen sicheren Hochwasserrastplatz bietet – normalerweise. Während ich mich an der Hütte postiert hatte, und auf den Höhepunkt der Flut gewartet habe, konnte ich irgendwann ein riesiges Band von wabernden Limikolen ausmachen, das sich aus Richtung Norden den Strand entlang an Trischens Südspitze bewegte. Dieses Band war mehrere Kilometer lang und ein nicht enden wollender Strom von Watvögeln kämpfte sich gegen den Sturm vom abgesoffenen D-Steert zur nun sichereren Insel Trischen. Während des Hochwassers hätte ich gerne aufs Meer hinausgeblickt, um möglicherweise Hochseevögel zu sichten. Das war aber nicht möglich, da stundenlang ein Vorhang aus Limikolen über der Insel stand. Ein unbeschreibliches Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Als das Wasser wieder abgelaufen war, war die Zeit für Ringablesungen gekommen. Und auch hier sind wieder schöne Geschichten ans Licht gekommen. Ich konnte mehrere Knutts ablesen, zwei von ihnen wurden in Mauretanien beringt, zwei in den Niederlanden. Beim Blick auf die Lebensläufe zeigte sich, dass auch diese Vögel Menschen verbinden: Die beiden Knutts aus Mauretanien wurden dort unter anderem von Benjamin Gnep – Trischenwart 2014 – und Jonas Kotlarz – Trischenwart 2018 – abgelesen. Und einen der niederländischen Knutts haben bisher nur Ben und ich beobachtet, er allerdings auch in den Niederlanden. Das ist schon ein besonderes Gefühl, den gleichen Vogel wie meine Vorgänger gesehen zu haben, allerdings an einem ganz anderen Ort.

Ein farbberingter Knutt mit seinen Kollegen

Es bleiben mir noch wenige Wochen, um weiter nach den bunten Ringen zu suchen. Vergleichbare tolle Bedingungen für diese Art der Forschung werde ich so schnell nicht wieder haben. Ich bin gespannt, welche Vögel hier während meiner letzten Etappe noch vorbeischauen.

Viele Grüße

Jakob

Vom Warten

Moin liebe Blogleser:innen,

irgendwie steckt es ja schon im Namen: Als Vogelwart wartet man recht viel. Viel Zeit verbringe ich mit dieser Tätigkeit, oder vielmehr diesem Zustand. Das können kleine Dinge sein wie das Warten darauf, dass die tägliche Flut kommt, oder dass ein Regenschauer endet. Das kann aber auch Größeres sein wie die Lieferung von wichtigen Dingen, oder dass ein Sturm vorbei zieht, dass die Schleuse wieder aufmacht und Axel übersetzen kann. Manchmal warte ich auf besseres Wetter, um bestimmte Arbeiten zu verrichten oder auch, um einfach mal wieder duschen zu können. Es gibt das Warten auf den Vogelzug. Und das Warten darauf, an Tausenden Vogelbeinen mal einen bunten Ring zu entdecken. Das Warten, irgendwann Familie und Freund:innen wiederzusehen. Eigentlich habe ich bereits gewartet, als ich noch gar nicht auf der Insel war. Das war das Warten darauf, endlich nach Trischen zu fahren und loszulegen. Und seit ein paar Tagen verbringe ich die ersten Stunden des Tages mit Warten. Zu Sonnenaufgang sitze ich an der Hütte, den Blick nach Norden gerichtet und warte auf nach Süden ziehende Vögel, um sie systematisch zu erfassen.

Die morgendliche Zugplanbeobachtung

Letztes Wochenende wurde meine Geduld mehrfach auf die Probe gestellt. Zunächst musste ich feststellen, dass das Datenvolumen meines Internetsticks aufgebraucht war. Ich hatte zu große Mengen an Fotos zu den abgelesenen Vögeln versendet und saß erstmal auf dem Trockenen. Nach Gesprächen mit den Kolleg:innen vom NABU in Neumünster konnte ich neues Guthaben buchen. Manche Arbeiten blieben dadurch liegen und auch ihr musstet warten, denn den Blog konnte ich nicht bespielen. Jetzt läuft es wieder. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass der Kühlschrank nicht funktioniert. Also hieß es warten, dass Axel mir einen neuen liefert, bzw. dass ich mit jemandem mit etwas Expertise sprechen kann. In dem Fall war es Axels Sohn, der Elektriker ist. Nach drei Tagen ohne Kühlschrank konnte ich den alten wieder zum Laufen bringen. Und am gleichen Tag habe ich noch bemerkt, dass die Hüttentür nicht mehr schließt. In der letzten Woche waren Handwerker hier, um einige Reparaturen an der Hütte durchzuführen. Wie es scheint, hat sich dabei etwas am Boden verzogen und die Tür setzt nun auf. Jetzt muss ich auf Werkzeug warten um die Tür zu reparieren. Zum Glück regnet es gerade nicht aus dem Osten.

Teil des Kücheninventars

Ich würde mich an sich als eher ungeduldigen Menschen einschätzen. Hier draußen habe ich in den letzten Monaten gelernt, geduldiger zu sein. Auf die meisten Dinge, auf die ich hier warte, habe ich keinen Einfluss. So bin ich zwar in manchen Dingen eingeschränkt, doch mit diesen Einschränkungen kommt auch viel Freiheit. Entscheidungen, bzw. Einflussnahme wird mir abgenommen und ich kann nichts tun, außer abzuwarten. Dass sich das Wetter bessert, dass die Vögel sich zeigen, dass Axel zu Besuch kommt. Und irgendwie geht das Warten dann auch immer wieder vorbei. Ich werde belohnt mit einer tollen Beobachtung, mit frischem Essen, mit Sonnenschein, gefundenen Vogelringen und im Herbst dann damit, meine Liebsten wiederzusehen. Und so lege ich mich in die Düne, setze mich auf meine Bank an der Hütte, drehe mir eine Zigarette, lausche dem Meer und den Vögeln und genieße das Warten.

Viele Grüße

Jakob