August 2024 Beiträge

Vom Warten

Moin liebe Blogleser:innen,

irgendwie steckt es ja schon im Namen: Als Vogelwart wartet man recht viel. Viel Zeit verbringe ich mit dieser Tätigkeit, oder vielmehr diesem Zustand. Das können kleine Dinge sein wie das Warten darauf, dass die tägliche Flut kommt, oder dass ein Regenschauer endet. Das kann aber auch Größeres sein wie die Lieferung von wichtigen Dingen, oder dass ein Sturm vorbei zieht, dass die Schleuse wieder aufmacht und Axel übersetzen kann. Manchmal warte ich auf besseres Wetter, um bestimmte Arbeiten zu verrichten oder auch, um einfach mal wieder duschen zu können. Es gibt das Warten auf den Vogelzug. Und das Warten darauf, an Tausenden Vogelbeinen mal einen bunten Ring zu entdecken. Das Warten, irgendwann Familie und Freund:innen wiederzusehen. Eigentlich habe ich bereits gewartet, als ich noch gar nicht auf der Insel war. Das war das Warten darauf, endlich nach Trischen zu fahren und loszulegen. Und seit ein paar Tagen verbringe ich die ersten Stunden des Tages mit Warten. Zu Sonnenaufgang sitze ich an der Hütte, den Blick nach Norden gerichtet und warte auf nach Süden ziehende Vögel, um sie systematisch zu erfassen.

Die morgendliche Zugplanbeobachtung

Letztes Wochenende wurde meine Geduld mehrfach auf die Probe gestellt. Zunächst musste ich feststellen, dass das Datenvolumen meines Internetsticks aufgebraucht war. Ich hatte zu große Mengen an Fotos zu den abgelesenen Vögeln versendet und saß erstmal auf dem Trockenen. Nach Gesprächen mit den Kolleg:innen vom NABU in Neumünster konnte ich neues Guthaben buchen. Manche Arbeiten blieben dadurch liegen und auch ihr musstet warten, denn den Blog konnte ich nicht bespielen. Jetzt läuft es wieder. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass der Kühlschrank nicht funktioniert. Also hieß es warten, dass Axel mir einen neuen liefert, bzw. dass ich mit jemandem mit etwas Expertise sprechen kann. In dem Fall war es Axels Sohn, der Elektriker ist. Nach drei Tagen ohne Kühlschrank konnte ich den alten wieder zum Laufen bringen. Und am gleichen Tag habe ich noch bemerkt, dass die Hüttentür nicht mehr schließt. In der letzten Woche waren Handwerker hier, um einige Reparaturen an der Hütte durchzuführen. Wie es scheint, hat sich dabei etwas am Boden verzogen und die Tür setzt nun auf. Jetzt muss ich auf Werkzeug warten um die Tür zu reparieren. Zum Glück regnet es gerade nicht aus dem Osten.

Teil des Kücheninventars

Ich würde mich an sich als eher ungeduldigen Menschen einschätzen. Hier draußen habe ich in den letzten Monaten gelernt, geduldiger zu sein. Auf die meisten Dinge, auf die ich hier warte, habe ich keinen Einfluss. So bin ich zwar in manchen Dingen eingeschränkt, doch mit diesen Einschränkungen kommt auch viel Freiheit. Entscheidungen, bzw. Einflussnahme wird mir abgenommen und ich kann nichts tun, außer abzuwarten. Dass sich das Wetter bessert, dass die Vögel sich zeigen, dass Axel zu Besuch kommt. Und irgendwie geht das Warten dann auch immer wieder vorbei. Ich werde belohnt mit einer tollen Beobachtung, mit frischem Essen, mit Sonnenschein, gefundenen Vogelringen und im Herbst dann damit, meine Liebsten wiederzusehen. Und so lege ich mich in die Düne, setze mich auf meine Bank an der Hütte, drehe mir eine Zigarette, lausche dem Meer und den Vögeln und genieße das Warten.

Viele Grüße

Jakob

Robinson Crusoe, die Schatzinsel und weiteres Freizeitprogramm

Liebe Blogleser:innen,

heute geht es ausnahmsweise mal nicht um die Natur, sondern um Kultur. So schön und spannend es hier auch ist, ab und zu bin ich mit den Gedanken auch gerne mal woanders und irgendwie wollen die Abende gefüllt werden. Ich bin ja die meiste Zeit alleine hier, das Feierabendprogramm ist also etwas eingeschränkt. Mein Datenvolumen für das Internet ist gedeckelt, Kochen füllt keine kompletten Abende, und jeden Tag stundenlang telefonieren ist ein bisschen viel. Zum Glück gibt es Bücher und davon einige über Inseln und das Meer. Und so habe ich mir eine kleine Bibliothek angelegt und verbringe die Freizeit oft damit, in meiner Koje zu liegen und in Gedanken zu anderen Inseln und auf das Meer zu reisen.

Als Einstimmung auf die Zeit hier habe ich „Und an den Rändern nagt das Meer“ von meiner Vorgängerin Anne de Walmont gelesen. Anne war 2019 hier und hat über ihre Zeit ein Buch geschrieben. Man bekommt einen guten Eindruck über das Leben als Vogelwärter:in und die Insel Trischen. Das Buch hat mir sehr geholfen, eine Vorstellung zu bekommen, was mich hier erwartet.

Ein Buch über Trischen auf Trischen

„Zur See“ von Dörte Hansen spielt auf einer Nordseeinsel und handelt von einer alteingesessenen Familie. Der Vater lebt und arbeitet für 20 Jahre zurückgezogen als Vogelwart, das klang für mich sehr nach Peter Todt, Vogelwärterlegende von Trischen. Ein wirklich schönes und spannendes Bucht! Natürlich musste ich auch „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe lesen. Ein absoluter Eremiten-Klassiker! Robinson strandet auf einer Insel im Mündungsgebiet vom Orinoco und kämpft sich dort einige Jahre durch. Oft werde ich von Außen mit Robinson verglichen, der Vergleich hinkt aber ziemlich, ganz so hart wie damals ist es hier dann doch nicht. Das Buch hat mir aber großen Spaß gemacht.

„Vogelweide“ von Uwe Timm habe ich auch gelesen. Der Protagonist Eschenbach entflieht seinem in den Sand gesetzten Leben auf die Insel Scharhörn (meine Nachbarinsel), um dort als Vogelwart zu arbeiten – hier holt ihn seine Vergangenheit ein. Ich fand die Charaktere recht unsympatisch und das Buch ehrlich gesagt nicht besonders spannend, es ging auch wenig um die Insel Scharhörn und die Arbeit als Vogelwart. Was mich dann aber wieder sehr begeistert hat war „Das Rätsel der Sandband“ von Erskine Childers, der wohl erste Spionageroman der Welt. Zwei junge Engländer erkunden das Wattenmeer auf einem kleinen Segelboot und sammeln Informationen zu einem sich anbahnenden Krieg mit Deutschland. Wirklich spannend und toll geschrieben!

Lesen mit bester Aussicht

Aktuell lese ich „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson, ein weiterer Klassiker. In meinem Regal stehen noch „Moby-Dick“ von Herman Melville, „Die roten Matrosen“ von Klaus Kordon, „Lucas“ von Kevin Brooks und „Kruso“ von Lutz Seiler. Wenn euch noch weitere Insel- oder Meeresklassiker einfallen, schreibt es mir doch gerne in mein Gästebuch. Und vielleicht findet ihr ja auch etwas in meiner Auswahl für eure nächste Reise auf eine Insel oder an die Küste.

Die besten Grüße

Jakob

Zwergenauflauf

Liebe Blogleser:innen,

wie ich hier bereits berichtet habe, hat die Anzahl der Zwergseeschwalben auf Trischen nach der Kükenflut Anfang Juni deutlich zugenommen. Auf der Insel brüten etwa 80 Vögel, nach dem Hochwasser waren es dann doppelt so viele. Anfang Juli waren dann für einige Tage mehr als 100 Trauerseeschwalben auf der Insel, darunter auch bis zu drei Weißflügelseeschwalben. Und wenige Tage später haben dann auch die hier rastenden Brandseeschwalben die Hunderter-Marke geknackt. Von den Zwergseeschwalben halten sich mittlerweile mehr als 650 Vögel hier am Strand auf, eine ungewöhnlich hohe Zahl. Mein Kollege Kilian, der Vogelwart von Schahörn, berichtet gerade von 500 bei ihm anwesenden Trauerseeschwalben. Irgendetwas geht hier gerade vor sich, vermutlich hat es mit einer guten Nahrungsverfügbarkeit zu tun: Es könnten Massen von Stint und Hering sein, die aus der Elbe strömen.

Wie ja hier im Blog schon deutlich geworden ist, begeistert mich das Ablesen von Vogelringen sehr und der Schwarm der Zwergseeschwalben ist eine wahre Goldgrube. Leider sind die Vögel extrem scheu und unruhig, in den letzten Tagen habe ich aber Wege gefunden, mich nah an sie heranzuschleichen und ich konnte mit dem Ablesen beginnen. Der Anteil an beringten Vögeln ist wirklich beeindruckend, rote, grüne und weiße Ringe an gefühlt jedem zwanzigsten Bein. Aktuell bin ich bei fast 20 abgelesenen Individuen. Einer der Vögel kommt aus den Niederlanden, genauer gesagt von der Insel Vlieland am anderen Ende vom Wattenmeer, der Großteil kommt aus Polen und vier der Vögel stammen aus dem Naturschutzgebiet Bottsand an der Kieler Außenföhrde. Ich bin nun in engem Kontakt mit den Kollegen aus Dänemark und Schleswig-Holstein, die die Zwergseeschwalben beringen. Die Summe der hier anwesenden Vögel ist eine gute Gelegenheit, um mehr über die Art herauszufinden. Meine Vögel stammen scheinbar größtenteils von der Ostsee, sie scheinen Schleswig-Holstein über die Schlei und dann die Trene-Sorge Niederung zu überqueren und dann hier zu landen. Die Zwergseeschwalben aus allen Teilen Dänemarks hingegen halten sich gerade eher weiter nördlich auf, beispielsweise auf Rømø. Ablesungen von Zwergseeschalben hier in Dithmarschen sind bisher recht rar, es motiviert mich sehr, hier einen Beitrag zur Forschung leisten zu können. Die Stunden um Hochwasser verbringe ich gerade immer damit, über den Strand zu schleichen oder in der Düne zu hocken, um so nah wie möglich an die kleinen Seeschwalben heranzukommen und immer mehr Ringe abzulesen.

Zwergseeschwalbe YE5 vom NSG Bottsand

Dabei gab es auch schon guten Beifang. Sechs abgelesene Alpenstrandläufer und ein Steinwälzer, farbberingte Sichelstrandläufer und Knutts und einfach herrliche Szenen von großen Massen an Limikolen auf dem Strand. Der Herbstzug bahnt sich an und mit ihm meine Vorfreude auf tolle Beobachtungen. Unter den am Strand rastenden Vögeln konnte ich auch zwei Seltenheiten ausmachen. Gestern saß direkt vor der Hütte am Strand zwischen den Alpenstrandläufern ein Sumpfläufer, eine seltene Limikole aus Skandinavien. Und vorgestern sah ich das absolute Highlight und meine bisher wohl seltenste Art hier auf Trischen: einen Terekwasserläufer! Er zeigte sich für ca. fünf Minuten unter tausenden rastenden Vögeln und flog dann ab.

Terekwasserläufer

Auch wenn gerade vom Wetter her erst der Sommer kommt, ich bin bereit für den Herbst mit seinen tausenden Gästen!

Viele Grüße

Jakob