Zurück auf Anfang – EU beschließt mit GAP-Änderung weiteren Abbau von Umweltstandards

Zurück auf Anfang – EU beschließt mit GAP-Änderung weiteren Abbau von Umweltstandards

Mit dem Omnibus-III-Paket baut die EU erneut ökologische Mindeststandards in der europäischen Agrarpolitik ab. In den letzten Wochen wurde die nun mittlerweile dritte Änderung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der laufenden Förderperiode – das sogenannte „Omnibus-III“-Paket – beschlossen. Was als bürokratische Vereinfachung verkauft wird, ist im Kern allerdings nur eine erneute Abschwächung der Umwelt- und Naturschutzstandards in der europäischen Agrarpolitik. Die zentrale Frage lautet: Was bleibt von den Umweltambitionen der GAP noch übrig – und wofür zahlen wir eigentlich noch?

Was heißt das konkret für Böden, Wasser, Artenvielfalt – und für die Legitimation der milliardenschweren Agrarzahlungen?

Wie es zur erneuten Aufweichung der GAP kam

Mitte Mai legte die EU-Kommission die Omnibus-Verordnung zur erneuten Änderung der GAP vor. Aus Sicht des Naturschutzes war sie besonders problematisch, weil die ökologischen Mindestanforderungen weiter abgeschwächt werden sollten. Besonders schwer wiegen dabei die Vorschläge, den Grünlandschutz weiter abzuschwächen. Details und Probleme zu den Vorschlägen der Kommission hatten wir bereits in einem früheren Blogbeitrag erläutert. Während der Rat den Vorschlag im Sommer nahezu kommentarlos durchgewunken hat – auch, um die Änderungen schnell zu bestätigen, damit sie 2026 in Kraft treten können – legte das Europäische Parlament anschließend einen Änderungsantrag vor, der noch einmal deutlich radikaler als die Vorschläge der Kommission aussah.

Das Parlament forderte insbesondere weitreichende Änderungen bei den Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ). Neben der Streichung von GLÖZ 9 (Schutz von Dauergrünland in Natura-2000-Gebieten) sowie GLÖZ 5 (verpflichtende Maßnahmen zum Erosionsschutz) verlangte das Parlament, dass Landwirtschaft in Natura-2000-Gebieten automatisch als GLÖZ-konform gelten solle – völlig unabhängig von der tatsächlichen Bewirtschaftungspraxis vor Ort. Der Antrag des Parlaments las sich dabei wie ein Forderungskatalog einer landwirtschaftlichen Interessensvertretung: Maximalforderungen, die eine faire Kompromisslösung zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Zielen der GAP schmerzlich vermissen ließen.

Dabei sind gesunde Ökosysteme die Grundlage für eine langfristig nachhaltige Landwirtschaft. Ohne intakte Ökosysteme gibt es keine zukunftsfähige Landwirtschaft. Die GLÖZ-Standards sind dabei Teil der ökologischen Mindestanforderungen, die Landwirt*innen einhalten müssen, um Zahlungen innerhalb der GAP zu erhalten. Sie gewährleisten, dass ein Mindestniveau an Umweltambition EU-weit nicht unterschritten wird. Damit sichern sie nicht nur ein Minimum an Schutz für Böden, Wasser, Biodiversität und Klima, sondern gewährleisten auch einen fairen Wettbewerb innerhalb der EU. Werden diese Vorgaben nun durch immer weitreichendere Änderungen mehr und mehr wirkungslos, werden die milliardenschweren Agrarzahlungen politisch immer schwerer zu rechtfertigen. Wofür zahlt die Gesellschaft, wenn dafür kaum ökologische Gegenleistungen erbracht werden?

Am 10. November haben nun Parlament, Rat und Kommission eine Einigung erzielt. Positiv anzumerken ist hier, dass einige der radikalsten Forderungen des Parlaments keinen Eingang in die Einigung gefunden haben. Rat und Parlament müssen nun nochmal formal zustimmen, dies gild jedoch als reine Formsache.

Nur der Hammer, nicht die Brechstange

So bleiben GLÖZ 5 und 9 bestehen, und auch in Natura-2000-Gebieten müssen weiterhin die Mindestanforderungen eingehalten werden. Es werden jedoch den Mitgliedstaaten weitere Möglichkeiten eingeräumt, Landwirt*innen für die Erfüllung von GLÖZ-Standards finanziell auszugleichen, was angesichts knapper Kassen und dem schlechten Zustand der Natur nicht zielführend ist.

Vor allem bedeutet die Omnibus-Verordnung einen herben Rückschlag im Grünlandschutz, denn durch die Änderungen von GLÖZ 1 wird es möglich, Grünland wieder leichter in größerem Umfang umzubrechen. Angesichts der Leistungen für Klima und Biodiversität des Grünlands ist dies ein Bärendienst für die Gesellschaft.

Entwicklung der GAP: Wo geht die Reise hin?

Blicken wir auf die letzten zwei Jahre GAP-Entwicklung zurück, zeigt sich: Die GAP ist in kurzer Zeit massiv geschwächt worden. Nach der aktuellen Omnibus-Verordnung bleibt von den ursprünglichen Mindestanforderungen so gut wie nichts übrig. Der einzige unveränderte Standard – GLÖZ 3, das Verbot des Abbrennens von Stoppelfeldern – ist zumindest in Deutschland bedeutungslos, da dieses Verfahren schon lange nicht mehr angewendet wird und ohnehin verboten ist.

Die wiederkehrende Argumentation für die Änderungen lautet, dass verpflichtende Maßnahmen durch Honorierungssysteme ersetzt werden. Grundsätzlich ist eine solche Argumentation nachvollziehbar. Problematisch ist jedoch, dass seit der Abschaffung der für den Biodiversitätsschutz wichtigen Bracheregelung (GLÖZ 8), immer wieder Mindeststandards abgeschwächt wurden, ohne gleichzeitig attraktive und ausreichend ausgestattete Förderangebote zu schaffen, die ökologische Leistungen honorieren würden.

Ein Beispiel für die leeren Versprechen: Die bereits gesetzlich beschlossenen neuen Ökoregelungen zur Weidehaltung und zum Biotopverbund wurden bislang nicht eingeführt. Und auch für die nächste Förderperiode schlägt die Kommission vor, dass Umwelt-, Natur- und Klimaleistungen ohne ein festgelegtes Mindestbudget auskommen sollen.

Das Ergebnis ist eine Lose-lose-Situation, denn damit wird es immer schwieriger und unattraktiver die Agrarlandschaft in einen Zustand zu bringen, in dem sie die wichtigen Ökosystemleistungen erbringen kann, auf die wir alle angewiesen sind. Dazu gehört die Produktion von Nahrungsmitteln genauso wie die Funktionen, Wasser zu filtern und zu speichern sowie Bestäubern und anderen Nützlingen einen Lebensraum zu bieten. Dies schadet nicht nur uns allen durch hohe gesellschaftliche Kosten, sondern letztlich am Ende auch der Landwirtschaft.

Fazit

Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich unweigerlich die Frage, wie die EU und Deutschland ihre gesetzlich verankerten Umwelt- und Biodiversitätsziele erreichen möchten, wie sie etwa im Rahmen des Naturwiederherstellungsgesetzes beschlossen wurden. Ohne ausreichende Finanzierung und verbindliche Mindeststandards ist eine Trendwende im Zustand der Natur nicht erreichbar.

Die Lösungen liegen dabei auf der Hand und werden auf verschiedenen Ebenen intensiv diskutiert. Es gibt gesellschaftlich tragfähige Vorschläge – etwa von der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) auf nationaler Ebene oder dem Strategischen Dialog auf EU-Ebene. Diese beschreiben, wie die Zahlungen langfristig an gesellschaftliche Leistungen gebunden werden könnten. Dadurch würde es auch aus ökonomischer Perspektive attraktiv, Natur-, Umwelt- und Klimaschutz in Betrieben zu integrieren. Was fehlt, ist die konkrete politische Umsetzung.

Anstatt den Blick auf die kommenden Jahrzehnte zu richten und Herausforderungen wie Klimawandel und Biodiversitätsverlust aktiv anzugehen, vollzieht die EU derzeit eine doppelte Rolle rückwärts.

Cäcilia Hagenow

Referentin für Agrarpolitik

1 Kommentar

SaKu

24.11.2025, 12:59

Die Frage, die sich mir stellt: was tun? WS können wir, die Naturschutzverbände, nun tun? Wenn man an die Reaktionen der Bauernschaft denkt, als die Agrardieselsubvention abgeschafft werden sollte und sich vor Augen hält, wie erfolgreich sie damit wären, muss man sich unweigerlich fragen, ob der Naturschutz in der Vergangenheit nicht deutlich zu still, zu freundlich, ja geradezu devot gewesen ist. Haben wir rechtliche Möglichkeiten, diese Salamitaktik der Rückabwicklung von Naturschutz zu stoppen oder gar umzukehren? Falls ja, sollten wir diese vollumfänglich nutzen! Falls nein, dann müssen wir uns ein Beispiel an den Bauern nehmen und uns im Widerstand organisieren. Ansonsten können wir gleich zusammenpacken....

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