Die grünen (Klima-)Versprechen der Ursula von der Leyen
Wahl von der Leyens zur künftigen Kommissionspräsidentin mit Zugeständnissen an Sozialisten und Grüne
Das Ringen um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat ein Ende gefunden. Am 16. Juli wurde Ursula von der Leyen mit den Stimmen von (lediglich) 383 Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Straßburg zur Präsidentin der nächsten EU-Kommission gewählt (374 Stimmen waren nötig). Mit ihrer Rede veröffentlichte sie zugleich ihre „Politischen Leitlinien“ für 2019-2024. Diese Agenda ist – auch um den Fraktionen der Sozialisten, Liberalen und Grünen im Europaparlament entgegenzukommen – deutlich umweltorientierter ausgefallen als etwa die „Strategische Agenda“ der Staats- und Regierungschefs vom 20. Juni 2019.
Die „Politischen Leitlinien“ von der Leyens
Die Politischen Leitlinien gliedern sich auf 26 Seiten in 6 Kapitel. Neu im Vergleich zur Strategischen Agenda der Regierungschefs ist der als erster Punkt genannte europäische Grüne Deal. Die anderen Punkte widmen sich wiederum dem wirtschaftlichen Europa, dem digitalen Europa, einem schützenden Europa, einem starken Europa in der Welt und einem demokratischen Europa.
Ein europäischer Grüner Deal
Von der Leyen verspricht, in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit einen „Grünen Deal“ vorzuschlagen.
- Europa soll das gesetzlich verankerte Ziel verfolgen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Hierzu soll auch das bestehende 2030-Reduktionsziel von 40% auf 55% angehoben werden. Die Leitlinien nennen in diesem Zusammenhang ein paar weitere Instrumente wie Emissionshandel, CO2-Grenzsteuer oder einen Fonds für den fairen Übergang.
- Für Herausforderungen jenseits der Klimakrise bleiben die Ankündigungen deutlich unbestimmter. Zwar wird zum Erhalt der Biodiversität angekündigt, eine Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2030 vorzulegen; nachdem die jetzige Strategie 2020 ausläuft, war dies aber eh zu vermuten. Weitere Details werden nicht genannt, außer dass die EU eine Führungsrolle für die Verhandlungen auf globaler Ebene – bei der CBD-COP im Jahr 2020 – einnehmen solle. Zum Einfluss der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) auf die Biodiversität schweigt sich das Papier aus, betont indes, dass Landwirte angemessen von ihrer Arbeit leben können sollen.
- Erfreulich ist, dass von der Leyen eine umfassende Schadstoffstrategie ankündigt, um die Gesundheit der Bürger vor Schadstoffen (Chemikalien, Pestiziden, Endokrine Disruptoren, etc.) zu schützen. Im Bereich Kreislaufwirtschaft soll ein neuer Aktionsplan vorgelegt werden.
Die anderen Themen der politischen Leitlinien
Die anderen Kapitel lehnen sich an die schon bekannten Punkte der Strategischen Agenda der Staats- und Regierungschefs an. Aber auch hier setzt Ursula von der Leyen aber eigene Akzente.
- Im Wirtschaftskapitel stellt die designierte Kommissionspräsidentin auf die soziale Marktwirtschaft ab und kommt mit Ankündigungen zur fairen Besteuerung von digitalen Unternehmen sowie zur sozialen Säule der EU den Sozialisten entgegen. Umweltbedeutsam ist, dass von der Leyen das Instrument des Europäischen Semesters anhand der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) neu ausgerichtet möchte.
- Im Kapitel zum schützenden Europa stellt von der Leyen auf die Rechtsstaatlichkeit als Grundwert der EU ab und verkündet, einen Neuanfang in der Migrationspolitik zu suchen.
- Bei der Rolle Europas in der Welt betont sie die Bedeutung eines starken, offenen und fairen Handels und verspricht, dass Handelsabkommen zukünftig eigene Kapitel zur Nachhaltigkeit enthalten sollen, um Klima-, Umwelt- und Arbeitsschutz auf höchstem Niveau zu garantieren (wie sich dies allerdings mit ihrer Position, das Mercosur-Abkommen zu unterstützen, verträgt, ist fraglich).
- Im letzten Kapitel der Leitlinien wird schließlich ein neuer Schwung für die Demokratie – u.a. durch eine Bürger-Konferenz zur Zukunft der EU und zu transparenteren Gesetzgebungsverfahren – angekündigt.
Fazit
Kritisch zu sehen ist aus Umwelt- und Naturschutzsicht, dass die SDGs nicht als übergeordnetes Leitbild für diese Agenda gewählt wurden, dass der Schutz der Biodiversität etwas kurz kommt, und dass die Leitlinien keine Vision für eine nachhaltige GAP enthalten. Ansonsten klingt dieser Katalog zunächst nach einer passablen Basis für die künftigen EU-Politiken. Eine genauere Analyse der Stärken und Schwächen dieser Leitlinien aus Umweltsicht findet sich z.B. bei der Denkfabrik IEEP.
Wir sollten bedenken: noch handelt es sich hierbei nur um Ankündigungen auf dem Papier. Ob Ursula von der Leyen tatsächlich den Umbau der EU-Kommission und bisher wenig nachhaltiger Politikbereiche wie etwa der GAP angeht, ist offen. Ebenso unklar ist, ob die designierte Kommissionspräsidentin sich aus dem ihrer Nominierung anhaftenden Schatten der Mitgliedstaaten freischwimmen kann. Gut wäre, wenn sie ihre Rolle als eigenständige Führungspersönlichkeit findet, die sich nicht scheut, gegen die Mitgliedstaaten vorzugehen, wenn diese beim Umweltschutz oder der Umsetzung von EU-Recht bremsen.
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