Gewässerpolitik Beiträge

Gesetzesvollzug ist Aufgabe für Rechtsstaaten(verbünde)

Vollzug von Umweltrecht auch nötig, um Vertrauen in EU und Institutionen zurückzugewinnen

Von Laura Hildt und Dr. Raphael Weyland

Justitia – Symbol für Gerechtigkeit und das Rechtswesens. Foto Raphael Weyland

Leider setzt sich in den letzten Jahren bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – auch Deutschland – der Trend fort, EU-Recht und insbesondere Umweltrecht immer schlampiger oder gar nicht um- und durchzusetzen. Diese Entwicklung ist aus verschiedenen Gründen gefährlich. Sie droht ganz grundlegend, das System des Rechtsstaats und der Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen. Mit der Konsequenz, dass auch Bürgerinnen und Bürger weiter Vertrauen in Institutionen und die EU verlieren. Schließlich müssen sie sich selbst an Recht und Gesetz halten, bekommen aber leicht den Eindruck, dass die „großen Fische“ (Stichwort #Dieselgate) unbescholten davon kommen. Darüber hinaus leiden auch die materiellen Ziele, welche mit der EU-Gesetzgebung verfolgt werden, sei es der Klima-, Natur- oder Gewässerschutz. Der folgende Beitrag geht diesem Vollzugs-Problem nach und zeigt Schritte auf, die von Zivilgesellschaft und Akteuren wie dem NABU unternommen werden (können).

 

Die Elbe am Scheideweg

Fast 2 Jahre ist es her, dass ich in diesem Blog über den Prozess zum Gesamtkonzept Elbe berichtet habe – Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen. Zeit aber auch für einen deutlichen Warnruf, denn der Prozess steht aktuell am Scheideweg. Aber der Reihe nach:

Worten müssen Taten folgen

Wiederholt haben die Naturschutzverbände bemängelt, dass es mit der Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) nur unzureichend voran geht; dies haben auch Studien des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Naturschutz belegt, z.B. der Bericht zur Lage der Natur im Jahr 2014 und der Artenschutzreport im Jahr 2015. „Die aktuelle Lage der Natur muss ein Weckruf an die Politik sein. Denn Abwarten führt dazu, dass unsere Natur immer weiter Schaden nimmt“ hatte NABU-Präsident Olaf Tschimpke darauf hin seinerzeit gefordert. Und nun war es so weit, in der vergangenen Woche hat Bundesumweltministerin Hendricks ihre „Naturschutzoffensive 2020“ vorgestellt, mit der eine Reihe von prioritären, für das Jahr 2020 formulierten Zielsetzungen der NBS doch noch erreicht werden soll.

BM Hendricks_stellt die Naturschutzoffensive vor (BMUB/Inga Wagner)

Bundesumweltministerin Hendricks stellt die Naturschutzoffensive vor (BMUB/Inga Wagner)

In der Tat, das muss man anerkennen, enthält das Papier deutliche Worte zu den Treibern aktueller Probleme des Naturschutzes. Dies war sicher nur möglich, weil das Papier explizit die Sichtweise der Umweltministerin wiedergibt, wie Frau Hendricks bei der Vorstellung betonte, und eben nicht im Vorfeld mit den anderen Bundesressorts abgestimmt wurde – genau hier liegt der Reiz, aber eben auch der mögliche Schwachpunkt der Naturschutzoffensive: Die Probleme, insbesondere die durch intensive industrielle Landnutzung hervorgerufenen, werden zwar klar benannt und mögliche Lösungswege aufgezeigt, die Umsetzung liegt aber weitgehend in der Zuständigkeit anderer Ministerien. Dies ist im Grunde nur logisch, denn die NBS ist schließlich eine Strategie der gesamten Bundesregierung und in der Konsequenz sind daher alle Ressorts dafür verantwortlich, dass die Weichen zur Zielerreichung bis 2020 gestellt werden. Mehr noch: Weil Naturschutz in weiten Teilen Ländersache ist, müssen zudem auch die Landesregierungen ihren Teil dazu beitragen. Entsprechend haben die Umweltverbände in einer ersten Stellungnahme ein konsequentes Handeln von Bund und Ländern eingefordert.

Die Naturschutzoffensive 2020 enthält insgesamt 10 prioritäre Handlungsfelder, von denen ich ein paar hier kurz anschneiden möchte:

Besonders treffend und ambitioniert geht die Naturschutzoffensive mit der industriellen Landwirtschaft ins Gericht. Hier besteht der größte Handlungsbedarf und gleichzeitig ein harter Wiederstand gegen substanzielle Reformen. Der Umweltbeauftragte des Deutschen Bauernverbandes sprach bei der Vorstellung der Offensive zwar von „Folterinstrumenten“ und „starkem Tobak“, aber an einer Reform der EU-Agrarförderung unter der Maßgabe „Geld für Leistung“ kommen wir (nicht nur) aus NABU-Sicht keinesfalls vorbei; auch die vorgeschlagene Weiterentwicklung der nationalen Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ mit einem Schwerpunkt Naturschutz ist ebenso überfällig wie eine naturverträgliche Ausgestaltung der Fischereipolitik und eine konsequente Umsetzung von Meeresschutzgebieten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird hier sicher mehr als einmal angeschoben werden müssen wenn es gilt, richtig dicke Bretter zu bohren.

Beim verbesserten Vertragsnaturschutz im Wald schließlich sind die Länder ebenso gefragt wie beim vorbildlichen Naturschutz und der natürlichen Entwicklung in öffentlichen Wäldern (gemeinsam mit den Kommunen). Die Stärkung von Stadtgrün im Rahmen der Städtebauförderung wiederum ist etwas, dem der neue Ressortzuschnitt des Umweltministeriums entgegen kommt – daran, wie ambitioniert dieser Punkt umgesetzt werden wird, kann man dann bald ablesen, wie weit die Abteilung Städtebau schon in das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit integriert ist.

Bei den Schutzgebieten und dem Biotopverbund bin ich gespannt, was der „Nationale Aktionsplan Schutzgebiete“ tatsächlich bringen wird, den die Ministerin gemeinsam mit den Ländern starten möchte. Klar ist, dass die Länder gerade erst und mit jahrelanger Verspätung angefangen haben, ihre Hausaufgaben in Sachen Sicherung und Entwicklung der Natura 2000-Gebiete zu erledigen – und das auch erst vor dem Hintergrund eines durch die EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens – und dass noch ein langer Weg zu gehen ist. Interessant noch im Kontext Biotopverbund: Das schon seit einigen Jahren bestehende „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ der Bundesregierung wird nicht explizit erwähnt, und das, obwohl doch gerade die Finanzierung des Programms bisher unzureichend ist und das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hier dringend mit einem eigenen Haushaltstitel nachbessern müsste.

Positive Erwähnung findet das BMVI hingegen im Kontext des in Erarbeitung befindlichen Bundesprogramms Blaues Band, das vom NABU seit langem gefordert wurde. Gleichwohl wird sich erst in Zukunft erweisen, inwieweit dieses von Frau Hendricks als „Jahrhundertprojekt“ titulierte Programm die gestellten Erwartungen auch tatsächlich erfüllt (am 8. Dezember werden auf einer Statuskonferenz in Bonn die ersten Arbeitsgergebnisse vorgestellt – man darf gespannt sein). Denn neben politischen Absichtsbekundungen braucht es dafür eine tiefe institutionelle Verankerung, eine solide Finanzierung und zudem über einen langen Zeitraum den politischen Willen, die gesetzten Ziele auch gegen Wiederstände zu verfolgen – ganz so, wie es prinzipiell Grunde für alle Handlungsfelder gilt, die nun in der Naturschutzoffensive 2020 aufs Tableau gehoben werden.

Das Ringen um die Elbe

Exkursionsgruppe in der Elbaue bei Vockerode (Foto: T. Hopf)

Was lange währt wird endlich gut? Das politische Ringen um eine Gesamtkonzept für die Elbe geht weiter.

Die Elbe. Symbolfluss der Deutschen Einheit. Letzter großer, weitgehend freifließender Strom in Deutschland. Weite Auen, idyllische Altarme; Biosphärenreservat und Welterbestätte. Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich ist die Elbe von der tschechischen Grenze bis hinunter nach Geestacht vor den Toren Hamburgs nicht staureguliert und an ihren Ufern gibt es noch größere Reste von Auwäldern, weite Gebiete entlang ihrer Ufer sind gemäß FFH- und Vogelschutzrichtlinie geschützt und als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen. Gleichwohl ist das Hauptbett der Elbe durch wasserbauliche Maßnahmen festgelegt, kann sich also nicht verlagern, wie es natürlicher Flussdynamik entspräche. Denn die Elbe ist auch Bundeswasserstraße, weshalb tausende von Buhnen an Ihren Ufern den Strom lenken und Deckwerk vielerorts das Bett fesselt. Zudem hat die Elbe wie nahezu alle Flüsse in Deutschland einen Großteil ihrer natürlichen Überflutungsflächen verloren – Landnutzung und Siedlungsentwicklung sind die Hauptgründe für Hochwasserschutzmaßnahmen, die Fluss und Aue voneinander trennen.

Aber es gibt auch Hoffnung.