Bauernproteste, Agrarpaket: Keine Brache mehr, aber neue Ökoregelungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik

Am 5. Juli hat der Bundestag das sogenannte Agrarpaket beschlossen. Dazu gehören neben der steuerlichen Gewinnglättung, dem Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz (AgrarOLkG) auch Änderungen im Nationalen Strategieplan der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Das Agrarpaket ist die Antwort der Bundesregierung auf die Bauernproteste Anfang des Jahres. Den Landwirt*innen wurden damals von der Politik rasche Verbesserungen versprochen. Aus naturschutzfachlicher Sicht sind die neuen Ökoregelungen besonders interessant. 

Dramatisch für die Artenvielfalt wie vielfach seitens des NABU dargestellt ist der Wegfall des verpflichtenden Anteils an nichtproduktiven Flächen (GLÖZ 8), der in Folge der Agrarproteste in Brüssel beschlossen wurde. Diese Grundanforderung sollte auf vier Prozent der ackerbaulichen Fläche jedes Betriebes Lebensräume für die Artenvielfalt z. B. in Form von Hecken, Kleingewässern und Brachen bereitstellen. Die Diskussion wurde vielfach auf die Brache verkürzt dargestellt und war den landwirtschaftlichen Betrieben und ihren Interessensvertretungen von Beginn an ein Dorn im Auge.

Nach den zwei Ausnahmejahren 2023 und 2024 wurde der Standard dann kurzentschlossen für die gesamte Förderperiode abgeschafft. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir der sich im ersten Jahr noch mit dem Erhalt von zumindest einem kleinen Teil der Brachflächen rühmte, feiert in diesem Jahr deren Abschaffung als seinen Erfolg. Dabei sollte dieser Standard keine Strafe für die Landwirtschaft sein, sondern ist notwendig zur Wiederherstellung der Artenvielfalt.

Wir brauchen Brachen für die Artenvielfalt

Vier Prozent sind auch nur ein Kompromiss: Um das Artensterben aufzuhalten, sind zehn Prozent Flächen für die Artenvielfalt wissenschaftlich notwendig. Der NABU hat dazu letztes Jahr bereits einen Ansatz entwickelt, um Strukturvielfalt in der Fläche zu erhöhen. Das wäre ein Win-Win-Situation für Landwirtschaft und Natur. Der Deutsche Naturschutzring stellt in einem Video sehr gut die Vorteile der Brache dar.

Hecken, Brachen und extensive Bewirtschaftung bringen Leben zurück in die Landschaft – Foto: NABU/J. Koch

Argumentiert wurde der Wegfall der GLÖZ-8-Regelung damit, dass man der Landwirtschaft mehr freiwillige Maßnahmen anbieten wolle. Dafür wurden im Agrarpaket die Einführung zwei neuer Ökoregelungen beschlossen. Eine Ökoregelung soll die Weidehaltung von insbesondere Milchvieh fördern und die andere die Biotopvernetzung. Beide fördern die Artenvielfalt.

Freiwillige Maßnahmen als Lösung?

Die Weidehaltung fördert die Biodiversität auf Grünlandflächen. Ein Kuhfladen ist, angefangen vom Mistkäfer über verschiedene Feldvögel bis zum Beutegreifer, Grundlage eines Nahrungsnetzes. Da die Prämie für die neue Ökoregelung voraussichtlich gering ausfallen wird, ist zu erwarten, dass hier der Status Quo gefördert wird. Das ist in der Milchviehhaltung auch bitter notwendig, denn es wandern Jahr für Jahr mehr Kühe in den Stall. Für eine generelle Trendwende hin zu mehr Tieren auf der Weide in einer die Biodiversität fördernden Besatzdichte, braucht es jedoch deutlich mehr als diese Ökoregelung.

Die Ökoregelung Biotopvernetzung wird noch erarbeitet. Vernetze Biotope gelten als Lebensadern für die Artenvielfalt und sind für den Genaustausch zwischen Populationen und somit zum Erhalt vitaler Individuen unerlässlich. 

Finanziell und inhaltlich ist hier ein ampelwürdiger Kompromiss gefunden worden. Nach langen Verhandlungen (die FDP wollte auf gar keinen Fall Geld von der Basisprämie abziehen) wurde beschlossen, dass das Geld, was dieses Jahr nicht beantragt wurde (es haben etwa drei Prozent weniger Betriebe die GAP-Fördermittel beantragt), ab 2026 für die beiden neuen Ökoregelungen zur Verfügung gestellt werden soll.

Die Einführung der neuen Ökoregelungen ist trotz allem ein Erfolg des grün geführten Bundeslandwirtschaftministeriums und ein Schritt in die richtige Richtung, die Flächenprämien weiter zu qualifizieren.

Auch auf EU-Ebene wurde der Wegfall von GLÖZ 8 nicht ohne eine „Gegenleistung“ hingenommen. So mussten alle Mitgliedsstaaten eine neue Ökoregelung zum Schutz der Biodiversität einführen. Da Deutschland mit der Ökoregelung 1 eine solche bereits hatte, war das hier hinfällig. In vielen anderen Ländern musste aber nachgebessert werden.  

Lücken in den Neuerungen

Was fehlt, denn hier hätte sich die Wirkung von GLÖZ 8 gezeigt, ist eine gezielte Ökoregelung für den Schutz der Artenvielfalt auf dem Acker. Hier gibt es bereits einen wirksamen Ansatz, das weite Reihe Anbausystem, entwickelt von Rainer Oppermann (Institut für Agrarökologie und Biodiversität). Es ist bereits so weit entwickelt, dass es direkt in eine Ökoregelung überführt werden könnte.

Interessant ist hier der produktionsintegrierte Ansatz, das heißt es geht nicht darum, Flächen komplett aus der Produktion zu nehmen, sondern um einen schonenderen, extensiven Anbau von Feldfrüchten. Der Getreideertrag ist etwas geringer, Artenvielfalt und Bodenfruchtbarkeit profitieren jedoch enorm.

Im extensiven Acker können wieder mehr Arten wie z.B. das Rebhuhn leben – Foto: NABU/Christoph Moning

Doch auch die Weiterentwicklung und Aufstockung der freiwilligen Fördermaßnahmen kann den Wegfall von Grundanforderungen zum Erhalt der Biodiversität nicht kompensieren. Der Zustand der Artenvielfalt ist so dramatisch, dass das Stoppen dieses Trends nicht nur über Freiwilligkeit geschehen kann. Es müssen langfristig gesicherte Rahmenbedingungen für die landwirtschaftlichen Betriebe entwickelt werden, die den Erhalt der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft dauerhaft sichern. 

 

 

 

 

 

1 Kommentar

Angelika Heitmann

07.08.2024, 18:04

Ich lese diese guten Artikel seit Jahren und ich muss ehrlich gestehen, dass es mich absolut frustriert, wie die Bauernproteste wichtige Regelungen für die Artenvielfalt aushebeln konnten. Es ist mir völlig unverständlich, wie eine grüne Partei in der Bundesregierung und ein grüner Bundeslandwirtschaftsminister dies gegen ihr Parteiprogramm und die Wissenschaft als Erfolg feiern können. Am Ende werden wir sehen, welche Resultate diese feige Politik zeitigen wird. Ich befürchte zusammen mit dem Klimawandel und der ungebremsten weltweiten Umweltzerstörung schlimmste Konsequenzen für die Artenvielfalt und unsere Lebenswelt.

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