Zukunftsprogramm Pflanzenschutz – ein erstes Angebot

Beim Thema Pflanzenschutzmitteleinsatz schlagen die Emotionen in alle möglichen Richtungen hohe Wellen. Am 4. September hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nun das fertig gestellte sogenannte Zukunftsprogramm Pflanzenschutz (ZP) veröffentlicht. Es handelt sich um einen sehr realpolitischen Ansatz, der keine Luftschlösser baut. Es stellt einen Startschuss dar für etwas, was längst überfällig ist – den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und entsprechend eine Reduktion zum Schutz der Insekten, des Bodens und des Wassers. Und auch zum Schutz der Gesundheit von Landwirt*innen, die die gefährlichen Mittel anwenden. Es setzt auf Förderung, Forschung, Kooperation und Beratung und reicht damit den Betrieben die Hand, um sich auf den Weg zu machen. Ob Deutschland auf diese Weise die notwendigen Reduktionsziele erreichen wird, ist jedoch fragwürdig – dies hängt nun ab von einer zügigen und konsequenten Umsetzung. 

Nach den Rückmeldungen von über 90 Interessenvertretungen wurde der Entwurf des ZP noch einmal deutlich überarbeitet. Nach Aussagen des BMEL zeigt es nun die Maßnahmen auf, die in der verbleibenden Legislatur, also in den kommenden 15 Monaten, noch angegangen werden sollen. Nach diesen 15 Monaten wird sich zeigen, ob das BMEL damit tatsächlich einen Weg in die Zukunft geebnet oder nur leere Versprechungen gemacht hat.  

Reduktion um die Hälfte bleibt erhalten 

Einen wichtigen Grundstein bildet das übergeordnete Ziel des ZP, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um 50 Prozent zu reduzieren. Hierbei wird der Referenzzeitraum von 2011 bis 2013 zugrunde gelegt. Dieser sei gewählt worden, um anzuerkennen, dass viele Betriebe bereits den Weg zu weniger Pflanzenschutzmittel angegangen seien.  Das gesetzte Ziel, den Einsatz um die Hälfte zu reduzieren, kommt nicht von ungefähr – es findet sich so auch in der Nationalen Biodiversitätsstrategie, der Farm-to-Fork-Strategie der EU und im Weltnaturabkommen von Montréal wieder. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen im Jahr 2026 eine Zwischenevaluation durchgeführt, Indikatoren weiterentwickelt und ökologisches Monitoring weitergeführt werden. 

Foto: NABU/Volker Gerhmann

Welche Maßnahmen stehen im Zukunftsprogramm Landwirtschaft? 

Das ZP ist in zwölf Maßnahmen untergliedert: 

  • Stärkung des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) 
  • Anbaudiversifizierung und Züchtung resistenter Sorten 
  • Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent der Fläche 
  • Verbreitung agrarökologischer Ansätze 
  • Kooperativen Naturschutz stärken 
  • Verfügbarkeit biologischer Pflanzenschutzverfahren verbessern 
  • Entscheidungshilfen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbessern  
  • Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel verbessern 
  • Forschung und Innovation fördern und Wissenstransfer in die Praxis stärken 
  • Digitalisierung und Technik fördern 
  • Modellregionen und Modellbetriebe weiterführen und ausbauen 
  • Unabhängige Beratung stärken und Bildungsangebote ausbauen

    Welche dieser Maßnahmen sind naturschutzfachlich besonders interessant? 

    Positiv zu bewerten ist, dass breite Fruchtfolgen sowie weitere agrarökologische Ansätze, Rückzugsräume für die Natur und biologische Pflanzenschutzmittel verstärkt in den Fokus genommen werden. Dabei sollen auch die Förderung durch die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) und auch kooperative Modelle weiter ausgebaut werden. Der Integrierte Pflanzenschutz soll verstärkt und Entscheidungshilfen entwickelt werden, wann PSM einzusetzen sind. Unterstützt werden soll das Ganze durch erweiterte Beratungs- und Bildungsangebote und den Ausbau des Ökolandbaus. All dies hört sich gut an, allerdings basiert das komplette Programm auf dem Ansatz der Freiwilligkeit. Ob so das Reduktionsziel zu erreichen ist, bleibt sehr fraglich.  

    Was fehlt im finalen Papier? 

    Im ursprünglichen Entwurf fanden sich zwei Aspekte, die in der Endfassung nicht mehr vorhanden sind, aus naturschutzfachlicher Sicht aber durchaus wünschenswert gewesen wären. Zum einen die Prüfung einer Pestizidabgabe, um so finanzielle Mittel für unabhängige Beratung und Bildung akquirieren zu können. Zum anderen die Regulierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Trinkwasserschutzgebieten. Beides wird in dieser Legislatur nun nicht mehr kommen. 

    Eine gesunde Natur ist die Basis der Ernährungssicherung 

    Die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln ist kein Selbstzweck. Wir brauchen dringend ihre nachhaltigere Anwendung, um gesunde Agrarökosysteme wiederherzustellen, denn diese sind ökologisch an vielen Orten in einem desaströsen Zustand. Die PSM-Reduktion ist ein wichtiger Baustein, um zur Verbesserung dieser Situation beizutragen.
    Dies ist jedoch nicht die einzige Herausforderung, vor der die landwirtschaftlichen Betriebe momentan stehen. Ökologisch, ökonomisch oder sozial  – es braucht ein Umsteuern in allen Bereichen.
    Das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz versucht, eine Brücke zu bauen und reicht damit den Betrieben symbolisch die Hand, um sie auf dem Weg in eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu unterstützen. Dies ist vielleicht nicht der schnellste und ambitionierteste Weg, dennoch in der aktuellen politischen Situation wohl der realistischste, da ohne die Akzeptanz der Landwirt*innen und notwendige politische Mehrheiten der Wandel nicht zu machen sein wird.  

    Wir sollten entsprechend also alle aufhören, uns gegenseitig im Weg zu stehen – nehmen wir dieses Programm und fangen damit endlich an, uns auf den Weg zu machen, anstatt noch länger über dessen genaue Richtung zu streiten.  

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