Wegfall der Brache – Studie belegt Rückschritt für den Naturschutz

Für die einen unverzichtbar für einen echten Schutz der Biodiversität, für die anderen eine sinnlose Maßnahme, die den Anbau von Nahrungsmitteln torpediert. Die Brache war von Beginn der neuen GAP-Förderperiode (2023-2027) an ein hoch umstrittenes Thema. Ein Thema, das zeigt, dass sie noch da sind, die alten Gräben zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Nach zwei Jahren Hin und Her und Ausnahmeverordnungen 2023 und 2024 haben die Bauernproteste letztlich dazu geführt, dass dieser GLÖZ-Standard im Juni 2024 endgültig gestrichen wurde. Das Umweltbundesamt hat kürzlich eine Analyse veröffentlicht, die zeigt, welches Potenzial die Einführung von GLÖZ 8 für die Artenvielfalt gehabt hätte. Im Folgenden werden die Ergebnisse dargestellt und diskutiert.  

GLÖZ was? 

GLÖZ-Standards sind Fördervoraussetzungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP), deren Einhaltung die Bedingung für den Zugang zu den Subventionen beinhaltet. GLÖZ 8 sollte regeln, dass vier Prozent der Ackerfläche von jedem Betrieb für die biologische Vielfalt bereitgestellt werden. Geplant war es, diesen Standard mit einer Ökoregelung zu koppeln, die ab dem fünften Prozent Brache oder Blühfläche eine attraktive Prämie gezahlt hätte. 

Warum vier Prozent? 

Brachen gelten als wirksames Instrument zum Schutz der Artenvielfalt – vier Prozent sind eine politische Zahl, ein Kompromiss. Wissenschaftlich notwendig sind mindestens zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, die als Lebensraum für die Arten verfügbar gemacht werden müsste, damit die Artenvielfalt überhaupt die Chance hat, sich zu regenerieren.   

Was wäre wenn…? 

Das Thünen Institut hat im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA)* die Auswirkungen vom Wegfall von GLÖZ 8 analysiert und kommt zu folgenden Ergebnissen: 

  • GLÖZ 8 wäre großflächig wirksam gewesen:  
  • Rund 80 Prozent der Betriebe hätten ihren Bracheanteil erhöhen müssen. 
  • Auch in den Intensivregionen mit geringem Bracheaanteil, (vor allem in Veredelungs- und Futterbauregionen) wäre der Anteil an Brachen gestiegen. 
  • Der Bracheanteil hätte sich insgesamt auf mindestens 3,8 Prozent des Ackerlandes erhöht. Es hätte auch mehr sein können (5,3 Prozent), je nachdem, wie häufig die Ökoregelung beantragt worden wäre.  

*Die Ergebnisse der Studie werden in kursiv widergegeben.

 

Foto: NABU/Jan Piecha

Foto: NABU/Piecha: Das Rebhuhn braucht wieder Lebensraum in der Agrarlandschaft – es ist vom Aussterben bedroht.

Ausnahmeverordnung 2024 

Weiterhin wurde untersucht, wie sich die Ausnahmeregelung 2024 ausgewirkt hat. Diese hat den Anbau von Zwischenfrüchten und Leguminosen als GLÖZ 8 Flächen zugelassen und somit dazu geführt, dass fast 90 % der Betriebe diese Auflage bereits erfüllt hatten. Die Regelung hat somit für die Artenvielfalt keine Verbesserungen gebracht, weil die Betriebe sie bereits erfüllt hatten und weil die ökologische Wirksamkeit von Zwischenfrüchten und Leguminosen in Bezug auf die Artenvielfalt nicht so hoch ist:

Um das Ziel von GLÖZ 8 – die Biodiversität in der Agrarlandschaft zu fördern – zu erreichen, sind Brachen wesentlich effektiver als Zwischenfrüchte und Leguminosen. Diese sind wichtige Instrumente zum Schutz des Bodens vor Erosion und zum Aufbau der Bodenfruchtbarkeit.  

Fazit:

GLÖZ 8 war so programmiert, dass damit 95 Prozent des Ackerlandes hätten erreicht werden können. So wäre der Lebensraumanteil in der gesamten Agrarlandschaft angestiegen. Besonders in Intensivregionen hätte sich der Anteil an Brachen signifikant erhöht, da dort besonders wenig Flächen nicht oder extensiv genutzt werden. Der Bracheanteil lag 2022 durchschnittlich bei 3, 2 Prozent – gar nicht so weit von den vier Prozent entfernt. Allerdings wäre der Anpassungsbedarf der Betriebe sehr unterschiedlich gewesen. Das Ziel von solchen Maßnahmen wie GLÖZ oder auch Ökoregelungen ist es, einen ökologischen Mehrwert zu schaffen und nicht den Status quo zu honorieren, was in der Ausnahmeverordnung 2024 der Fall gewesen ist. Die hohe Flächenwirksamkeit von GLÖZ 8 kombiniert mit einer Ökoregelung, die Mehrleistungen der Landwirt*innen honoriert, wäre ein Fortschritt für den Naturschutz gewesen.  

Denn ab dem fünften Prozent wäre die Brache mit 1300 Euro pro Hektar durch die Ökoregelung gefördert worden. Somit hätte ein Betrieb für fünf Prozent Brache 260 Euro pro Hektar bekommen.  

Und nun? 

Mit dem Wegfall von GLÖZ 8 ist das bislang ambitionierteste Instrument zum Schutz der Artenvielfalt gestrichen worden.  

Der Flächenanteil von 3,8 Prozent (oder 5,3 Prozent) Brache, der mit GLÖZ 8 erreicht hätte werden können, wäre zwar immer noch zu gering gewesen, um die Artenvielfalt wieder zu regenerieren, aber immerhin eine erste gute Grundlage. In Kombination mit der Ökoregelung hätte ein signifikanter Anteil an Brachen und Blühstreifen entstehen können. Für die Zukunft brauchen wir deutlich flächenstärkere und wirksamere Instrumente.

Dabei ist es wichtig, neben den Brachen und Blühstreifen auch produktionsintegrierte Maßnahmen zu fördern und zum Erhalt und der Wiederherstellung der Artenvielfalt miteinander zu kombinieren, sodass das Agrarland flächig wieder als Lebensraum hergestellt werden kann und Naturschutz nicht nur an den Rand des Ackers verlegt wird. Nahrungsmittelproduktion und Naturschutz kann und muss zusammen gehen – die alten Gräben müssen endlich überwunden werden.

2026 sollen als Ersatz für den Wegfall von GLÖZ 8 zwei neue Ökoregelungen eingeführt werden. Der Ansatz ist gut, da die geplanten Regelungen aber ganz anders wirken, werden sie den Ansatz von GLÖZ 8 nicht kompensieren können.  

Ausblick

Der Wegfall von GLÖZ 8 wirft die Frage auf, wie die politischen Ziele und gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Biodiversität eingehalten und erfüllt werden können. Denn Deutschland muss die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur und auch die Verpflichtungen aus dem Weltnaturabkommen umsetzen. Weiterhin betreffen Regelungen aus der Klimaschutzgesetzgebung die Landwirtschaft und kommen immer schneller zum Tragen. Die ökologischen Auswirkungen sind bereits so immens, dass wir uns weitere Verzögerungen nicht erlauben können. Die Landwirtschaft muss sich als Teil der Lösung präsentieren und aufhören, die drängenden Herausforderungen weiter zu verschleppen und zu verhindern. Dabei muss die Politik sie auf allen Ebenen umfänglich unterstützen. Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Je schneller die Betriebe den ersten Schritt machen (vielleicht bereits den zweiten oder dritten), desto größer ist ihre die Chance, dem wirtschaftlichen Druck standzuhalten und der Landwirtschaft den Weg in eine naturverträgliche und klimawandelangepasste und wirtschaftlich resiliente Zukunft zu geben.

5 Kommentare

Angelika Heitmann

22.11.2024, 17:54

Die im Artikel aufgestellten Forderungen zu einer naturverträglichen Landwirtschaft und zur Erhöhung der wichtigen Brachflächen auf mind. 10 % sind völlig richtig und man kann sich nur wundern, wie die Politik gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse den Artenschutz im Namen der Klimapolitik zugrunde richtet. Deshalb ist es an der Zeit klageweise ( wie der BUND Naturschutz dies macht ) gegen die Zerstörung der Naturschutzgebiete und Brachflächen gerichtlich vor dem Bundesverfassungsgericht vorzugehen. Hier müssen sich unbedingt alle Naturschutzverbände zusammen tun und dies unterstützen. Nicht nur die Brachflächen sind auf einen lächerlichen Anteil geschrumpft, es werden tatsächlich auch seltene Naturschutzflächen verramscht ( siehe geplanter Gipsabbau im kleinen Naturschutzgebiet bei Sondershausen in Mitteldeutschland). Klimaschutz und Artenschutz gehören zusammen, um für die nächsten Generationen von Menschen, Tieren und Pflanzen eine noch lebenswerte und einigermaßen intakte Umwelt zu erhalten. Wer das jetzt für Wachstum und Geld ignoriert, wird aktuell ( siehe Starkregenereignisse etc. ) oder jedenfalls später darunter leiden müssen ( leider auch die an dem Disaster unschuldigen anderen Lebewesen auf unserem Planeten). Aber der Mensch hat auf diese noch nie Rücksicht genommen!

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Dr. Ullrich Händchen

22.11.2024, 18:08

Liebe Laura, danke für den Artikel, dem ich voll zustimme. Bei der Zusammenarbeit mit den Landwirten war die Brache-Regelung ein guter Hebel, um mit zusätzlicher förderung die Landwirte dazu zu motivieren, diese Brachen ökologisch aufzuwerten. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Deinem Artikel konnte ich nicht entnehmen, was denn jetzt als Ersatz für GLÖZ 8 geplant ist. Liebe Grüße Ullrich Händchen

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Laura Henningson

25.11.2024, 08:42

Lieber Ullrich, danke für deinen Kommentar! Als "Ersatz" für den Wegfall von GLÖZ 8 sollen ab 2026 zwei neue Ökoregelungen eingeführt werden. Eine zur Beweidung mit Milchkühen und eine zum Biotopverbund. LG Laura

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Maarten Sillekens, landregeneration.eu - community

22.11.2024, 21:13

Ich bin da weniger pessimistisch; mit ganzheitlicher Beweidung können wir Ökonomie, Ökologie und Soziales langfristig in Balance bringen. Die 4 Ökosystemprozesse (inkl. Vielfalt), können wir so gut managen. Streifen auslassen und über Flächen roulieren bringt da viel Resilienz im Okosystem, auf Grünland, auf Zwischenfrüchte , auch im Wald und Naturschutzgebieten. Wir haben bloß 1 Ökosystem! Wie bekommen wir da Bewegung drin? Gemeinsame Absichtserklärung, respektvoll und auf Augenhöhe mit alle Akteuren und Akteurinnen in der Fläche formulieren und denn ganzheitlich managen. Mit Beispiel-Projekten und Beispiel- Betrieben die anderen von der insgesamte Wirtschaftlichkeit inspirieren. Wertschätzung als Basis für regionaler Wertschöpfung, Lebensmitteln und Lebensumfeld!

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Laura Henningson

25.11.2024, 08:43

Danke, das ist sehr schön formuliert!

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