NABU-GAP-Ticker: (K)ein Budget für den Green Deal?

Am vergangenen Freitag veröffentlichte Ratspräsident Charles Michel seinen lange erwarteten Verhandlungsvorschlag für den EU-Haushalt nach 2021. Dieser soll die Grundlage für die am Donnerstag stattfinden Verhandlungen zwischen den EU-Staats- und Regierungschefs bilden. Auch wenn Beobachter es für unwahrscheinlich halten, dass es diese Woche zu einer Einigung kommt, so wird dieser Gipfel nichtsdestotrotz richtungsweisend sein. Umso bedauerlicher ist, dass Michel in seinem Papier bei Umweltbelangen die völlig falsche Marschrichtung vorgibt und Kommissionspräsidentin von der Leyen mit ihrem Green Deal hängen lässt.

Was steht in dem Papier?

Beim Gesamtniveau für den siebenjährigen Haushalt liegt der Vorschlag von Michel mit einem Anteil von 1,074 Prozent des BIP nur knapp über dem der vergangenen finnischen Ratspräsidentschaft und deutlich unter dem, was die Kommission 2018 auf den Tisch gelegt hatte. Bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nimmt das Papier vor allem Kürzungen an der zweiten Säule vor, nachdem die Finnen diese im vergangenen Jahr teilweise noch zurückgenommen hatten. Die Zahlen liegen damit wieder auf dem Niveau des heftig kritisierten Kommissionsvorschlags und bedeuten real für die zweite Säule eine Kürzung von 24 Prozent gegenüber heute, während die erste Säule lediglich um knapp zehn Prozent gestutzt wird.

Neu ist die Einführung eines „Just Transition Fund“ mit einem Volumen von 7,5 Milliarden Euro über die kommenden sieben Jahre, welcher im gleichen Kapitel wie die GAP angesiedelt wird. Dieser Fond ist vor allem dazu gedacht, Strukturumbrüche in Folge von höheren Umweltstandards und höhere Klimazielen aufzufangen. Den vollen Zugriff auf diesen Fond sollen jedoch nur Mitgliedstaaten haben, die sich dazu verpflichtet haben, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Bei den Eigenmitteln enthält der Vorschlag nun eine erste Formulierung für eine Steuer für nicht recyceltes Plastik und eine CO2-Grenzsteuer soll zumindest geprüft werden.

Keine Übereinstimmung mit dem Green Deal

Die öffentliche Reaktion auf dieses Papier fielen harsch aus. Michels Vorschlag kann zwar als Versuch gewertet werden, sowohl die Gruppe der EU-Staaten, welche sich für ein kleineres EU-Budget aussprechen, als auch jene zu beschwichtigen, die Kürzungen ablehnen. An den Reaktionen konnte man sehen, dass dieses Zahlenwerk jedoch am Ende niemanden zufriedenstellte. Allen voran das Europäische Parlament, welches dem Haushalt am Ende ebenfalls zustimmen muss, sparte nicht mit Kritik. Parlamentspräsident Sassoli betonte etwa, dass der Vorschlag nicht geeignet sei, um die bestehenden und neuen Programme der EU zu finanzieren, und forderte ein deutlich höheres Haushaltsniveau von 1,3 Prozent des BIP.

Auch der NABU sieht den Vorschlag kritisch. So enthält dieser noch immer keine eigene Finanzierung für den EU-Naturschutz, obwohl inzwischen auch das Europäische Parlament fordert, dass zehn Prozent des Haushaltes für Biodiversität reserviert werden soll. Beim Klimaschutz geht das Papier nicht über die niedrige Zielmarke von 25 Prozent des Haushalts hinaus, die noch von der Juncker-Kommission eingebracht wurde. Auch hält Michel weiter an der Annahme fest, dass 40 Prozent der GAP zu diesem Ziel beiträgt, obwohl eine neue NABU-Studie diese erst vor Kurzem als gegenstandslos entlarvt hatte.

Dass wieder die zweite Säule der GAP dafür herhalten muss, um neue Politikbereiche zu finanzieren (in diesem Fall den Just Transition Fund), ist unerklärlich. Während die erste Säule ihr deutlich größeres Budget gießkannenartig und mit zweifelhaften Nutzen auf das Land verteilt, ist der Fonds für ländliche Entwicklung eine der wenigen Quellen aus denen das EU-Budget bisher überhaupt wirkungsvollen Naturschutz finanziert. Gerade hier zu kürzen, um an anderer Stelle einzelne Gruppen für neue Umweltauflagen zu entschädigen, ist grotesk. Für von der Leyens Green Deal bedeutet dies nichts Gutes, denn es bleibt völlig unklar, wie ihre politischen Prioritäten und Pläne in Zukunft überhaupt finanziert werden können.

Die Staats- und Regierungschefs müssen jetzt liefern

Noch am Wochenende versuchte Charles Michel über hübsch produzierte Social-Media-Videos im Vorfeld des Gipfels Optimismus zu verbreiten. Diese können die lautstarke Kritik, die von allen Seiten auf sein Zahlenwerk einprasselt, jedoch nicht überdecken. Die Diskussion unter den Staats- und Regierungschefs am Donnerstag dürfte dementsprechend hitzig werden, vor allem entlang der Konfliktlinien zwischen Nettozahlern und -empfängern. Wir fordern Bundeskanzlerin Merkel auf, dass sie am Wochenende endlich die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlöst und sich für eine bessere Naturschutzfinanzierung einsetzt. Nötig wären auf EU Ebene allein 15 Milliarden Euro pro Jahr um die vorhandenen Naturschutzrichtlinien umzusetzen. Anders als die Direktzahlungen, wäre das tatsächlich gut investiertes Geld.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/Agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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