NABU-GAP-Ticker: Die neuen Ökoregelungen auf dem Prüfstand- Halten sie ihr Versprechen?
13.7.2012 Die Gesetze zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Deutschland wurden Mitte Juni im Bundestag beschlossen und kurze Zeit später wurde auch auf EU-Ebene eine Einigung erzielt. Somit steht der Erstellung des Nationalen Strategieplans (NSP) in Deutschland nichts mehr im Wege. Der nächste wichtige Schritt dafür wird in den zu erarbeiteten Rechtsverordnungen vorgenommen. Die Bundesregierung ist aktuell mit der Ausarbeitung der u.a. naturschutzfachlicher Grundlagen der Ökoregelungen beschäftigt. Erst in diesen Details wird sich zeigen, ob das neu eingeführte Instrument „Ökoregelungen“ dazu imstande sein wird die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Aus NABU-Sicht sollten die Ökoregelungen an die Einhaltung hoher Standards geknüpft werden um so einen effektiven Beitrag zum Erreichen der europaweiten und globalen Ziele wie des EU Green Deals und dem Pariser Klimaschutzabkommens zu leisten und dem Artensterben entschieden Einhalt zu gebieten. Jetzt liegt es an dem Landwirtschaftsministerium, dem Umweltministerium und den Ländern dieses Instrument effektiv zu nutzen.
Aus naturschutzfachlicher Sicht ist die Ökoregelung zur Aufstockung der nicht-bewirtschafteten Flächen wie Brachen, Blühstreifen und Altgrasstreifen eine der zentralen Maßnahmen, um den Zustand der Artenvielfalt zu verbessern. Zusammen mit landwirtschaftlichen Strukturen wie Hecken, Baumreihen oder Feuchtgebieten sollten diese Flächen einen Anteil von mind. 10 Prozent in unserer Agrarlandschaft, einschließlich des Grünlands, einnehmen. Verpflichtend müssen die Betriebe davon 3 Prozent auf ihrer Ackerfläche für den Erhalt der Basisprämie als Teil der Konditionalität, umsetzen – für Grünland gilt diese Regel bisher nicht.
Die Ökoregelung bietet die Chance, den Flächenanteil solcher Rückzugsräume für die Natur zu erhöhen und diese finanziell ausgeglichen zu bekommen. Hier sollte ein möglichst hoher Fördersatz ausreichend attraktive Angebote schaffen. Selbstverständlich sollten auf Brachen, Blüh- und Altgrasstreifen weder Dünge- noch Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen dürfen. Weiterhin zu beachten ist, dass insbesondere bei Brachen und Blühstreifen der ökologische Nutzen für Feldvögel und Insekten mit der Dauer der Maßnahmen steigt. Einjährige Blühstreifen können sogar kontraproduktiv für die Artenvielfalt sein, wenn beispielsweise angefangene Lebenszyklen von Insekten nicht beendet werden können. Deswegen sollte hier auf eine implizite Mehrjährigkeit verwiesen werden.
Auch die Breite der Streifen ist entscheidend: Ab einer Breite von 20 m sind Brut und Küken besser vor Predatoren geschützt. Besonders wertvoll werden die Maßnahmen, wenn sie in Teilen auch über den Winter stehen gelassen werden. So werden Nahrung, Überwinterungsquartiere und Deckung geboten. Gemäht werden sollten die Strukturen erst ab Mitte August und auch nur teilweise, wenn auch die letzten Feldvögel wie z.B. das Rebhuhn ihre Brut abgeschlossen haben. Wenn nur die Hälfte der Brache, des Blüh- oder Altgrasstreifen gemäht oder neu angesät wird, führt dass so zu einer heterogenen Vegetationsstruktur im nächsten Frühjahr. Einige Feldvögel wie der Kiebitz oder die Feldlerche sind sogar darauf angewiesen, denn sie legen ihre Nester nur in niedriger Vegetation an.
Die Förderung von Altgrasstreifen bietet sich für alle Betriebe an, die Grünland bewirtschaften und ist besonders wichtig, um auch dort die Biodiversität zu fördern. Wiesen werden oft in einer Region zeitgleich abgemäht, sodass Lebensraum großflächig verschwindet. Altgrasstreifen bieten dann eines der wenigen Refugien.
Nicht-bewirtschaftete Randstruktur an einem Maisacker: Lebensraum für die Artenvielfalt. (Foto: NABU/Eric Neuling)
Eine weitere Ökoregelung aus dem Katalog der neuen Gesetze ist der Anbau vielfältiger Kulturen im Ackerbau einschließlich 10 Prozent Leguminosen. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist diese Ökoregelung grundsätzlich abzulehnen. Eine Berechnung des Thünen-Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass viele Betriebe diese Ökoregelung beantragen können, ohne viel an ihrer herkömmlichen Betriebsweise verändern zu müssen. Dadurch würde diese Maßnahme großflächig beantragt, viel Geld gebunden und wenig Zusatznutzen für die Artenvielfalt erzielt. Um diese Ökoregelung doch noch biodiversitätsfördernd auszugestalten, schlägt der NABU vor, dass die Schläge des Betriebes nicht größer als 5 ha sein dürfen und auf Nachbarschlägen verschiedene Kulturen angebaut werden müssen. Schläge unter 6 ha fördern nachweislich die Artenvielfalt. Zusätzlich sollte zu jeder Bewirtschaftungseinheit von 5 ha ein Ackerrandstreifen angelegt werden.
Weitere Anforderungen zur Ausgestaltung der anderen geplanten Ökoregelungen wie z.B. der extensiven Grünlandnutzung oder der Beibehaltung von Agroforstsystemen werden in dem NABU-Papier Ökoregelungen beschrieben.
Neben der Ausgestaltung wird die Prämienhöhe der Ökoregelungen darüber entscheiden, ob sie von den landwirtschaftlichen Betrieben angenommen werden. Da regional sehr große Unterschiede hinsichtlich der Qualität der Böden, des Wetters und somit auch der Erträge bestehen, ist es schwierig eine Prämienhöhe so auszutarieren, dass Extensiv- und Intensivregionen gleichermaßen davon profitieren. Um die Gunstregionen, die meistens sehr intensiv bewirtschaftet werden, zu erreichen, bedarf es hoher Fördersummen. Diese übertreffen in den Extensivregionen in vielen Fällen höchstwahrscheinlich sogar die Gewinne, die die Betriebe dort normalerweise erwirtschaften können. Wird die Fördersumme niedriger angesetzt besteht die Gefahr, dass Gunstregionen überhaupt nicht erreicht werden.
Die Ökoregelungen als das neue und zentrale Element der grünen Architektur ab 2023 können dazu beitragen, den Ausstieg aus den Direktzahlungen und somit der Transformation des Agrarsektors zum Ende der Förderperiode (2023-2027) vorzubereiten. Dazu muss ihr Anteil, anders als bisher geplant, im Laufe der Zeit bis 2027 kontinuierlich ansteigen und final 50 Prozent betragen. So wird ein immer größerer Anteil der Fördergelder an gesellschaftlich geforderte Leistungen geknüpft. Nur so können die Betriebe auf das Auslaufen der Flächenprämien vorbereitet werden.
Der NABU-GAP-Ticker
Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kulissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/Agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv – #FutureOfCAP
Titelfoto: Europäische Union 2013
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