Einigung zum EU Haushalt stärkt Naturschutzfinanzierung
Mehr als zwei Jahre ist es her, als der damalige EU Haushaltskommissar Günther Oettinger den Vorschlag der EU Kommission für den nächsten EU Haushalt 2021-2027 präsentierte (siehe hier). Viel ist seitdem passiert: Fridays for Future, die grüne Welle bei den Europawahlen, der European Green Deal, initiiert von der neuen EU Kommission unter Ursula von der Leyen, und nicht zuletzt COVID-19, welches Europa und die Welt nach wie vor heimsucht. Das von Oettinger präsentierte Zahlenwerk schien zunehmen aus der Zeit gefallen, blieb aber weiterhin die Grundlage der Diskussionen in den europäischen Institutionen.
Vor allem bei der Naturschutzfinanzierung lieferte es jedoch keine Lösungen, um das existierende Finanzierungsdefizit zu schließen. Die im Mai veröffentlichte Biodiversitätsstrategie gab eine Zielvorgabe von mind. 20 Mrd.€ pro Jahr aus. Jedoch fast bis zuletzt, etwa beim Beschluss der EU Staats- und Regierungschefs im Juli, wurde beim Thema Biodiversität in den Haushaltverhandlungen lediglich auf das LIFE Programm verwiesen. Mit einem Budgetanteil von zuletzt 0,3% stellt es jedoch nicht mehr als einen Tropfen auf dem heißen Stein dar. Zwei Entscheidungen auf EU Ebene könnten das Ruder jedoch jetzt drehen und dafür sorgen, dass zukünftig deutlich mehr Geld in die Finanzierung von Naturschutzmaßnahmen und der Renaturierung von Ökosystemen fließt.
Einigung zwischen Europäischen Parlament und Rat zum EU Haushalt 2021-2027
Die Zeit war zuletzt knapp geworden, doch nach der Einigung zwischen den beiden Institutionen vom 10. November steht dem Start des nächsten mehrjährigen EU Haushalts zum Beginn des nächsten Jahres nichts mehr im Wege. Neben einer wichtigen Erhöhung einzelner Programme, konnte sich das Europäische Parlament auch beim Thema Naturschutzfinanzierung durchsetzen. Neben dem Ziel 30% aller EU Gelder für den Klimaschutz auszugeben, soll es nun eine eigenständige Quote für Biodiversität von 7,5% ab 2024 und 10% ab 2026 geben. Gleichzeitig wird die EU Kommission beauftragt, bis dahin eine verbesserte Methodik zu entwickeln, um bewerten zu können, welche Ausgaben tatsächlich die Biodiversität schützen und welche nicht.
Damit wird zum ersten Mal auf europäischer Ebene ein verbindliches Ziel verankert, Gelder in den Naturschutz zu investieren. So ist die EU auf dem besten Weg, die oben genannte Finanzierungslücke zu schließen. Noch ist sie aber nicht am Ziel und viel hängt davon ab, wie gut die Methodik zur Bewertung der Ausgaben ist. Bisher setzt die EU Kommission noch auf das System der „Rio-Marker“ gesetzt, welches zuweilen eigenwillige Blüten treibt wie etwa die Behauptung, dass 40% der Direktzahlungen der GAP zum Klimaschutz beitragen (siehe hier). Davon muss die EU nun mittelfristig wegkommen und zu einem evidenzbasierten System wechseln. Eine Möglichkeit wäre die Koppelung an die sgn. Taxonomieverordnung. Diese sieht in naher Zukunft einen Bewertungskatalog für Investitionen vor, u.a. im Bereich Klima- und Naturschutz. Der politische Wille dazu scheint zumindest in Rat und Kommission zu wachsen, nun müssen die Akteure liefern.
Zu guter Letzt hängt der Erfolg dieser Quote auch davon ab, in wie weit sie in die einzelnen EU Programme übertragen wird. Vor allem die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist in der Verantwortung zu liefern. Zwar sind hier vor Kurzem noch viele Scheiben zu Bruch gegangen, nachdem sich Rat und Parlament gegen eine ambitionierte Reform ausgesprochen hatten (siehe hier). Im Rahmen des GAP-Trilogs und der nationalen Programmierung müssen beide Institutionen nun dem Beschluss auf Haushaltsebene Rechnung tragen und zielgerichtete und effektive Naturschutzmaßnahmen in den Fokus rücken (siehe hier).
Entscheidung des Europäischen Parlaments zum EU Wiederaufbauprogramm
Zeitgleich zu den EU Haushaltverhandlungen hat sich das Europäische Parlament zum größten Bestandteil des EU Konjunkturprogramms positioniert, der 672,5 Mrd.€ schweren Recovery and Resilience Facility. Diese soll den Mitgliedstaaten helfen nach der Pandemie wieder auf die Beine zu kommen, aber gleichzeitig zu einem nachhaltigen Umbau der Wirtschaft im Sinne einer Green Recovery beitragen.
So ganz haben die Abgeordneten dem nicht folgen wollen. Zum einen dürfte es weiter möglich sein, dass Mitgliedstaaten Gelder aus diesem Topf in bestimmte fossile Energieträger wie Erdgas investieren. Dies würde die Staatengemeinschaft auf Jahrzehnte vom Ziel der Klimaneutralität wegführen. Anstatt auf vermeintliche Übergangslösungen zu setzen, sollte dieses Geld direkt in den nachhaltigen Ausbau erneuerbarer Energien gehen.
Immerhin sollen 40% dieser Gelder in den Schutz von Klima und Biodiversität gehen. Dass der Naturschutz im Vergleich zum Vorschlag der EU Kommission deutlich aufgewertet wurde ist ein Erfolg. Besser wäre eine eigenständige Quote gewesen, wie sie etwa der Umweltausschuss des Parlaments beschlossen hatte. Dann wären die Mitgliedstaaten verpflichtet gewesen, etwa in die Renaturierung von Ökosystemen zu investieren. Studien etwa der OECD oder der ILO zeigen, dass gerade solche Ausgaben sowohl neue Jobs schaffen können, zum Klimaschutz beitragen und gleichzeitig langfristig die Resilienz unserer Gesellschaft etwa gegenüber Naturkatastrophen erhöhen (siehe hier). So bleibt Naturschutz eine Option, die Mitgliedstaaten wahrnehmen können, aber nicht müssen.
Nun steht der Trilog an und es ist zu hoffen, dass das Parlament zumindest bei diesem Punkt sich gegenüber dem Rat durchsetzen kann, der bisher noch gar keine Ambitionen in diesem Bereich gezeigt hat. Noch wichtiger ist, dass die Mitgliedstaaten entsprechende Maßnahmen in ihren nationalen Wiederaufbauprogrammen einstellen. Diese müssen die einzelnen Regierungen bis April 2021 der EU Kommission zur Genehmigung vorlegen. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft ist laut dem europäischen Rechtsrahmen verpflichtend. Der NABU wird sich dafür einsetzen, dass die großflächige Renaturierung von Ökosystemen und ihrer Leistungen für den Menschen Teil des deutschen Wiederaufbauprogramms wird. Alles andere wäre aufgrund des enormen Potentials für Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft eine verpasste Chance.
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