Aufruf an alle Europaabgeordnete: Ihre Stimme für die Transformation des Ernährungssystems!
Brüssel, 4. Oktober 2021. In der Woche vom 18. Oktober erwartet uns die endgültige Abstimmung und Positionierung des Europaparlaments zur Farm-to-Fork-Strategie (siehe hier). Diese hatte die Kommission im Rahmen des European Green Deals ausgearbeitet. Das Ergebnis der anstehenden Abstimmung ist zwar rechtlich nicht bindend, jedoch richtungsweisend für die gesetzliche Umsetzung der Strategie.
Die Vorlage, die der Agrar- und Umweltausschuss am 9. September mit großer Mehrheit beschlossen hatte, ist zwar nicht perfekt aber dennoch solide. Das umstrittene Ziel den Pestizideinsatz bis 2030 um 50% zu reduzieren blieb erhalten. Integrierter Pflanzenschutz der sich auf mechanische und ökosystemare Prinzipien stützt, soll mehr Berücksichtigung in den nationalen GAP Strategien finden. Düngermengen sollen reduziert und der Biolandbau auf 25% der EU-Fläche ausgebaut werden. Diese und weitere Punkte kämen endlich Umwelt und Biodiversität zu gute.
Von Seiten der Umweltverbände wurde dies unter anderem als starkes internationales Signal begrüßt. Erwartungsgemäß sah das auf der Gegenseite ganz anders aus. Der Europäische Bauernverband COPA&COGECA ging in Folge auf die Barrikaden. Er proklamierte gleich schwarzmalerisch, dass die Farm-to-Fork-Strategie und ihre Schwester die Biodiversitäts-Strategie die Ernährungssicherheit in ganz Europa gefährden würden. Dabei stütze er sich auf Berichte des JRC (Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission) sowie der Universität Kiel, verkennt jedoch wichtige Details (siehe hier).
EU Parlament muss Lobbydruck standhalten
Bei dieser Argumentationsweise wundert es niemanden, dass der Druck der Agrarlobby auf die Abgeordneten im Vorfeld der Abstimmung stark zugenommen hat. Ziel ist es, dass Papier auf den letzten Metern doch noch zu verwässern und ambitionierte Ziele zu schwächen (Pestizide). Die öffentliche Meinung dreht sich derweil in die entgegengesetzte Richtung. Nach einem Sprint auf den letzten Metern konnte die Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ die entscheidende Marke von 1. Mio. Unterschriften knacken. Die Unterzeichner sprechen sich darin gegen den Einsatz von Pestiziden und mehr Anstrengungen für den Schutz von Biodiversität in der Agrarlandschaft aus. Ein solcher Erfolg einer Bürgerinitiative ist selten und unterstreicht den Ruf der Bevölkerung nach einem nachhaltigen Wandel in der Landwirtschaft, der bei der Abstimmung zwingen zu berücksichtigen ist.
Der NABU fordert alle MdEPs darum auf, im Sinne der Bürger für eine naturverträglichere Landwirtschaft standhaft zu bleiben und die Vorlage der Ausschüsse unverändert anzunehmen! Es ist dringend notwendig den European Green Deal mit ehrgeizigen Gesetzesvorhaben umzusetzen. Die Ernährungssicherheit wird von Klimawandel und Artensterben bedroht, nicht von transformativen Gesetzesvorhaben!
- NABU-Agrar-Blog: Europäisches Parlament trotzt Agrarlobby: Farm-to-Fork-Strategie mit großer Mehrheit angenommen! - 21. Oktober 2021
- Aufruf an alle Europaabgeordnete: Ihre Stimme für die Transformation des Ernährungssystems! - 4. Oktober 2021
- NABU-GAP-Ticker: Agrar- und Umweltausschuss des Europäischen Parlaments stellen sich hinter Farm-to-Fork-Strategie – Ambition nur bis zur GAP? - 16. September 2021
5 Kommentare
Dr. med. Friedrich Dörr
04.10.2021, 16:12Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in Europa als Argument für ein "Weiter so" ins Feld zu führen mutet grotesk an angesichts von Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln und massenhaftem Übergewicht. Deshalb: kein Zurückweichen vor der Agrarlobby seitens des EU-Parlaments!
AntwortenWolfgang Bagin
04.10.2021, 18:33Um wirklich nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen, muss das Subventionssystem der EU auf den Kopf gestellt werden. Keine Flächensubvention zugunsten der Agrarindustrie, sondern mehr gezielte Förderungen für eine alternative, naturgerechtere Landwirtschaft. Zurückdrängung der exzessiven Fleischproduktion, mehr Qualität und nicht nur billig, billig, billig! Der Agrarlobby muss deshalb Stand gehalten werden!!
AntwortenG.W.
04.10.2021, 21:19Kürzlich hat der UN-Generalsekretär António Guterres die Weltgemeinschhaft dazu aufgerufen, "den Krieg gegen die Natur" zu beenden. Es darf keinen Aufschub mehr geben für kein Geld der Welt! Der Umbau unseres Ernährungssystems ist unerlässlich. Aber auch die Erzeugung anderer Güter aus der Natur bzw Tieren muß sich ändern, damit Alternativen möglich sind, z.B. inklusiver Naturwald statt Baum-Plantagen zur Abholzung. Erst wenn es Alternativen für das Bisherige gibt, können die Menschen/Unternehmer dahin wechseln. Da es auf Grund der starken Zunahme der Klimafolgen eilt, muß einiges gleich parallel laufen. Eine Zeit für langsame Umstellungen haben die Politiker leider verschlafen in der Wolke der Lobby-Einflüsterer. Diese Entwicklungen müssen vor Allem seitens der EU voran gebracht werden als Gesamtwerk. Das Ernährungssystem ein überaus wichtiger Teil davon. Dank an den NaBu für all sein unterstützenswertes Bemühen hierzu. Und Dank an alle EU-Abgeordneten, die keinesfalls auf diese schädlichen Lobby-Einflüsterungen hören sondern an die Zukunft der Erde, der Natur und der jungen Menschen denken, danach handeln und im Sinne einer Transformation des Erährungssystems abstimmen!!!
AntwortenS. Brüning
05.10.2021, 23:18Absolut richtig und wichtig. Danke für diese Informationen. Teile ich gern! Kleiner Hinweis, googleplus gibts nicht mehr: https://plus.google.com/up/?continue=https://plus.google.com/share?url%3Dhttps://blogs.nabu.de/naturschaetze-retten/aufruf-an-alle-europaabgeordnete-ihre-stimme-fuer-die-transformation-des-ernaehrungssystems/
AntwortenUwe Müller
06.10.2021, 16:10Agrarsubventionen müssen der ökologischen Landwirtschaft dienen, eingeschlossen sein müssen Flächen zur Biodiversität. Ernährung muss vegetarischer werden, im gleichen Zug weniger Fleisch und weniger Fisch. Denn um 1 kg Fleisch zu erzeugen, wird ein Vielfaches an Flächen benötigt wie für ein vegetarisches Äquivalent. Dänemark hat im und nach dem Zweiten Weltkrieg die Fleischerzeugung nahe Null gebracht und damit die Bevölkerung sehr gut versorgen können.
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