Ben Metzger Beiträge

Melanie startet nach Frankreich durch

Als einzige hessische Turteltaube in unserem Projekt war Melanie Mitte Juni südöstlich von Gießen mit einem Satellitensender ausgestattet worden. Dort hielt sie sich bis Anfang September nahe des Dorfes Villingen auf. Am Abend des 2. September begann sie dann ihren Herbstzug, flog vermutlich nonstop zirka 760 km in südwestliche Richtung und landete am 3. September in Frankreich nahe der Stadt Poitiers, die ca. 130km von der Biskaya-Küste entfernt in Westfrankreich liegt. Seither ist Melanie dort auf Zwischenrast.

An dieser Lichtung südöstlich von Gießen wurde Melanie gefangen. Foto: Yvonne Schumm

Leider ist Frankreich für Turteltauben im Herbst ein heißes Pflaster, jedes Jahr werden dort auf dem Herbstzug zwischen 45 000 und 138 000 Individuen der Art geschossen, bei den derzeitig rückläufigen Beständen gerade in Westeuropa ist das mit Sicherheit keine nachhaltige Nutzung und trägt weiter zum Rückgang dieser Populationen bei.

Interessant ist auf jeden Fall, dass Melanie im Gegensatz zu ihren besenderten Artgenossen aus der Niederlausitz die Westzugrute gewählt hat. Damit bestätigt sich, dass durch Deutschland eine so genannte Zugscheide verläuft, wobei östliche Tauben über Südost und westliche Tauben in südwestlicher Richtung abziehen. Das deckt sich auch mit den Ergebnissen von Ringfundanalysen, die die Namensgeberin der hessischen Turteltaube Dr. Melanie Marx im Rahmen ihrer Dissertation durchgeführt hatte.

Neugierig erwarten wir nun, dass die Turteltaube Melanie ihre Zwischenrast beendet und weiterzieht und sind gespannt darauf, welche Route sie weiter nehmen wird.

Zwei der drei Lieberoser Turteltauben sind bereits unterwegs

Als erste der in diesem Jahr in Deutschland besenderten Turteltauben hatte sich Jenny auf die Reise begeben. Bereits am 6. August war sie aus ihrem Brutgebiet in der Niederlausitz auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lieberose in Richtung Südosten durchgestartet und hatte dann östlich von Dresden, im Dreiländereck zwischen Polen, Deutschland und Tschechien vom 7. bis zum 8. August eine kurze Zwischenrast eingelegt.

Lebensraum unserer Lausitzer Turteltauben in der Lieberoser Heide, Foto: Yvonne Schumm

In Tschechien, wo die Brutbestandszahlen der Turteltaube wie in den meisten Europäischen Ländern in den letzten Jahren stark zurückgehen, hatte die Tschechische Ornithologische Gesellschaft (ČSO), der dortige BirdLife Partner, die Art in diesem Jahr zum Vogel des Jahres gekürt. Jenny hatte ihr Gastland allerdings schon zwei Tage später durchquert und hielt sich dann bis Ende August in der Slowakei nahe der Grenze zu Tschechien und Österreich auf. Möglicherweise hat Jenny dort ihre komplette Nachbrutmauser abgeschlossen und somit auch die Schwungfedern erneuert, die für die bevorstehenden langen Zugstrecken besonders wichtig sein werden. Am 31. August ging es dann in einer weiteren Etappe bis ins nordwestliche Ungarn, wo sie seither ca. 35km nördlich des Balaton-Sees rastet. Wir nehmen an, dass sie sich dort nun Fettreserven für den langen Zug nach Afrika anfrisst. Gespannt warten wir darauf, wann es weitergeht und welche Richtung Jenny als nächstes einschlagen wird.

Die zweite Taube, die sich aus der Niederlausitz auf den Weg gemacht hat ist Luciano. Er war am Abend des 29. August ebenfalls in südöstliche Richtung losgeflogen und am nächsten Morgen bereits in Ungarn angekommen, allerdings etwa 200km weiter südöstlich als Jenny. In einer Nacht hatte er mit zirka 700 km eine ganz beachtliche Strecke zurückgelegt. Im Südosten Ungarns rastet er dort seither unweit der Theiß, einem Nebenfluss der Donau. Vermutlich wird er in den kommenden Tagen weiterfliegen.

Von den Niederlausitzer Turteltauben hält sich somit nur noch Cyril in seinem Brutgebiet in der Lieberoser Heide auf. Auch er dürfte seinen nachbrutzeitlichen Gefiederwechsel bereits abgeschlossen haben und sich wohl demnächst auf die Reise in Richtung Winterquartier begeben, noch bevor in der Region südlich von Berlin der Herbst richtig einsetzt. Wie bereits Jenny und Luciano wird auch Cyril wahrscheinlich auf dem Herbstzug die Südostroute wählen, aber ganz sicher können wir uns da im Augenblick noch nicht sein.

Franceso ist noch in Italien

Foto: BirdLife Europe

Francesco ist sozusagen der Veteran in unserem Turteltaubenprojekt. Wir hatten ihn bereits im Frühjahr 2017 auf der Maltesischen Insel Comino mit einem Satellitensender ausgestattet und seither hat er uns schon eine große Menge an Daten zum Zug, seinem Brutgebiet und zu den Winterquartieren in Westafrika geliefert. Anfang Mai diesen Jahres war er nun schon zum dritten Mal in sein Brutgebiet in der Nähe der Stadt Benevento in der süditalienischen Provinz Kampanien zurückgekehrt und hat dort vermutlich erfolgreich gebrütet und Junge aufgezogen, eventuell sogar in mehr als einer Brut. In seinem Brutrevier hatte er sich diesen Sommer bis zum zweiten August aufgehalten und war dann etwa 35 km nach Nordosten geflogen, wo er sich seither schon über einen Monat aufhält. Einen solchen Ortswechsel nach der Brutzeit aber vor dem eigentlichen Zug hatte er bereits 2018 durchgeführt, nicht jedoch 2017. Möglicherweise ist das Gebiet, in dem sich Francesco zur Zeit aufhält, für adulte Turteltauben in der Nachbrutmauser und in Vorbereitung auf den Zug einfach besser geeignet als sein eigentliches Brutgebiet, in dem jedoch bessere Nahrungspflanzen für die Jungenaufzucht wachsen dürften.

Im Herbst 2017 war Francesco bereits Ende August Richtung Süden aufgebrochen, letztes Jahr begann er seinen Herbstzug am 11. September. Wir erwarten daher, dass er sich in den nächsten Tagen wieder auf die Reise ins Winterquartier begeben wird.

Francesco wieder in Italien

Wie im Vorjahr, hatte Francesco auch diesen Winter wieder in Westafrika verbracht, in einem recht kleinen, reich strukturierten Gebiet in Burkina Faso östlich der Hauptstadt Ouagadougou. Den Heimzug in sein italienisches Brutrevier begann er um den 13. April in nord-nordöstlicher Richtung. Die Sahara überquerte Francesco zügig über Niger, Mali und Algerien in nur drei Tagen vom 18. bis zum 20. April und legte dann vom 21. bis zum 28. April eine etwa einwöchige Zwischenrast in Tunesien ein. Das Mittelmeer überflog er dann am 29. April von Tunesien über Sizilien. Mindestens 400 km ist die kleine Taube am Stück geflogen, vermutlich sogar weiter.Francesco kam am 2. Mai nach insgesamt 19 Reisetagen in seinem Brutgebiet nordöstlich von Neapel an. Malta hatte er östlich liegen gelassen und war damit unbehelligt geblieben von der maltesischen Jägerschaft.

Typische Landschaft in der Region Kampanien, dem Brutgebiet von Francesco; Foto: wikipedia/Citterio

Ursprünglich hatten wir Francesco bereits Ende April 2017 auf der kleinen maltesischen Insel Comino mit einem Satellitensender ausgestattet. Da war er auf seinem Heimzug. Wir sind sehr froh darüber, dass wir diese Turteltaube nun schon über mehr als zwei komplette Jahreszyklen verfolgen und Einblicke in seine Brut- und Überwinterungsgebiete sowie Details zu seinen weiten Reisen sammeln konnten. Gespannt erwarten wir weitere Daten aus seinem Brutgebiet, die uns wichtige Rückschlüsse über Habitat und Reviergröße erlauben. Diese Daten werden uns dann als Grundlage dienen, Francesco und seine Artgenossen in Zukunft noch besser schützen zu können.

Im Augenblick ist Francesco die einzige Turteltaube im Projekt, deren Sender aktiv ist. In der laufenden Brutsaison plant der NABU zusammen mit der Universität Gießen jedoch noch vier weitere Turteltauben in Deutschland mit Sendern auszustatten. Gespannt erwarten wir, was die nächsten Wochen bringen, denn die Turteltauben sind auch hierzulande in ihren Brutgebieten eingetroffen.

Francesco zieht noch weiter

Am 11. November 2018 verließ das Turteltaubenmännchen Francesco sein erstes diesjähriges Überwinterungsgebiet im Osten Malis. In südwestlicher Richtung flog er ungefähr 340 Kilometer in den Norden Burkino Fasos. Dort hält er sich seither im Schutzgebiet Réserve sylvo-pastorale et partielle de faune du Sahel auf. Mit etwa 16.000 Quadratkilometern ist es das größte Naturschutzgebiet in Burkina Faso. Wenngleich weite Teile trotz des offiziellen Schutzstatus recht intensiv beweidet sind, gibt es noch einige weniger genutzte Flächen und temporäre Seen mit höherer Bedeutung als Rastflächen für Zugvögel.

Francesco hat die Sahara überquert und überwintert in Mali

Wie im vorherigen Beitrag zu lesen, war Francesco am 13. September in Nordafrika angekommen. Dort ließ er sich nicht lange Zeit, bereits am 14. September hatte er Tunesien nördlich hinter sich gelassen und war in Algerien. Er überquerte dann fast ohne Zwischenrast in drei Tagen die Sahara und kam am 17. September im Südosten Malis an, ca. 230 Kilometer östlich der berühmten, in der Nigeraue gelegenen Stadt Gao. Dort hält er sich seither in einem recht begrenzten Areal mit einem Radius von ca. vier Kilometern auf. Dieses Areal liegt etwa 30 Kilometer nördlich des Ortes Menaka und dem Schutzgebiet „Reserve Partielle De Faune D‘Ansongo-Menaka“. Vom Satellitenbild lässt sich erkennen, dass das Gebiet in einer kleinen Flussniederung liegt, einem so genannten Wadi, das zumindest in der Regenzeit einige Wasserstellen aufweisen sollte.

Satellitenortungen von Francesco in seinem Winterquartier in Mali seit seiner Ankunft Mitte September 2018.

Es zeigt eine für den Sahel recht diverse Habitatstruktur, mit einem kleinskaligen Mosaik aus Baumbestand und Offenland. Aufgrund dieser Mischung aus Rast- bzw. Schlafbäumen, Wasserstellen als Tränken und offenem Gras- oder Kulturland für die Nahrungssuche auf kleinstem Raum erscheint uns das Gebiet zumindest aus dem All betrachtet als ein sehr geeignetes Überwinterungsgebiet für Turteltauben. Höchstwahrscheinlich überwintert Francesco dort nicht alleine, denn außerhalb der Brutzeit sind Turteltauben meist in Trupps unterwegs, als sie noch häufiger waren zum Teil auch in großen Schwärmen. Nun sind wir gespannt, ob Francesco in der Gegend bleibt oder wie im letzten Jahr im Laufe des Winters noch weitere Wanderungen unternehmen wird.