Der NABU als Anwalt für Nachhaltigkeit in Brüssel
Die Arbeit der „Multi-Stakeholder Platform“ zur Umsetzung der SDGs: ein Zwischenbericht
Einberufen wurde sie von höchster Stelle: Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission, unterzeichnete am 22.05.2017 den Einsetzungsbeschluss und verfügte, dass die Multi-Stakeholder Platform zur Umsetzung der SDGs vom Ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission geleitet wird. Für die vorbereitenden Arbeiten ist das sogenannten Management-Kommittee zuständig, geleitet durch das Generalsekretariat der EU-Kommission. Vor einem guten halben Jahr nahm die Plattform nun ihre Arbeit auf. Erste konkrete „Produkte“ sind angestoßen oder schon verabschiedet. Gemeinsam mit dem britischen BirdLife-Partner RSPB war und ist auf EU-Ebene als einer der Umweltverbände mit dabei: der NABU. Zeit für einen kurzen Rückblick auf erste Erfolge, einen Ausblick auf die nächsten Herausforderungen und eine Zwischenbilanz.
Ja, es war und ist ein Experiment, der Ausgang beziehungsweise der Mehrwert sind offen. Und ja, die Treffen sind mühsam und zeitintensiv. Das kann nicht ausbleiben, wenn sich mehr als 30 Mitglieder und Beobachter zu kontroversen Themen austauschen und versuchen, eine gemeinsame Position zu finden. Da hilft es nur wenig, dass die Treffen im Zentrum der Brüsseler Macht, dem Berlaymont-Gebäude der EU-Kommission, stattfinden. Gleichwohl: aus Augen des NABU-Vertreters lohnt sich bisher der Einsatz, der Mehrwert überwieg. Der Lackmustest kommt aber erst noch.
A. Bisherige Treffen der Plattform und entsprechender Subgroups
Wesentliche Teile der eigentlichen Plattform-Arbeit, nämlich das Verfassen von Positionen, erfolgt im Management-Kommittee der Plattform. Hier bringt sich der Brüsseler NABU-Vertreter ein, in Rücksprache unter anderem mit dem Team vom Netzwerk „BirdLife Europe“. Seit Dezember 2017 hat sich dieses Gremium nun 3 mal getroffen. Das letzte Treffen am 13.06.2018 dauerte von 9 bis 17 Uhr. Für jedes Treffen sind Fragebögen zu beantworten, Papiere zu kommentieren, oder Vorabstimmungen zu organisieren – eine Grundvoraussetzung, um überhaupt Ergebnisse zu erzielen. Um noch effektiver arbeiten zu können, hat das Management-Kommittee Untergruppen gebildet. Solche „Subgroups“ gab beziehungsweise gibt es zum „Mehrjährigen Finanzrahmen der EU“, zum „Nachhaltigkeits-Award“, zum Thema „Monitoring“ oder zu „Mainstreaming, Governance and Rule of Law“. In den Untergrüppen müssen nicht alle Mitglieder der Plattform vertreten sein, die eigentliche Schreibarbeit kann ein einzelnes Mitglied oder eine Schreibgruppe übernehmen. Auch dies setzt naturgemäß zusätzliche Treffen voraus, alles neben dem eigentlichen Tagesgeschäft der Plattform-Mitglieder. Haben die „Sherpas“ ihre Arbeit gemacht, wird es Zeit, dass die Ergebnisse offiziell von den Verbandsspitzen abgesegnet beziehungsweise „promoted“ werden. Dies erfolgt in der eigentlichen Plattform. In dieser wird das BirdLife-Netzwerk durch den britischen Partner RSPB vertreten. Bisher haben sich die Plattform-Mitglieder einmal getroffen, das nächste Treffen ist für den 11. Oktober 2018 anberaumt. Alle Treffen sind übrigens transparent aufgelistet auf der Webseite der SDGs-Plattform der EU-Kommission.
B. Erfolgreiche Ergebnisse: Der MFF-Bericht und ein „Europäischer Nachhaltigkeitspreis“
Bisher gibt es insbesondere zwei erfolgreiche „Produkte“ der Plattform, um es in der ergebnisorientierten Sprache der Werbetexter auszudrücken. Dies ist zum einen das eigenständige Positionspapier zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR), zum anderen ein neu ins Leben gerufener Wettbewerb zur Umsetzung der SDGs.
Am 21. März 2018 verabschiedete die Plattform ein Positionspapier zum MFR (wir berichteten). Wesentlich vorangetrieben hatte dieses Papier der NABU. Der Text enthält ambitionierte Vorschläge zur Umsetzung der SDGs im EU-Budget. Ein „Sustainability-First“-Prinzip sollte beispielsweise zukünftig die EU-Politik bestimmen und unter anderem Eingang in die EU-Gesetzesfolgenabschätzung (Impact Assessment) finden. Außerdem soll die EU-Kommission „hotspots“ nicht-nachhaltiger Finanzierungsfelder angehen. Schon rein ökonomisch überzeugt es nicht, dass die EU einerseits versucht, Klima- oder Naturschutzmaßnahmen zu finanzieren, gleichzeitig aber enorme Summen in Politiken wie die Gemeinsame Agrarpolitik steckt, die diesen Schutzgütern nachweislich schadet.
Dieses Positionspapier ist vor der Verabschiedung der MFR-Vorschläge gut diskutiert worden. Der Verfasser erhielt unterstützende Zuschriften, zum Beispiel von VertreterInnen von Mitgliedstaaten und von Bundesländern. Auch konnte die Vorversion dieses Papiers in der neu geschaffenen Rats-Arbeitsgruppe zur „2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung“ vorgestellt werden. Das Papier wurde sodann dem Ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, übergeben. Nachdem die MFR-Vorschläge nun veröffentlicht sind, soll im Namen der Plattform nochmals nachgefragt werden, was Stand der Umsetzung einzelner Vorschläge ist.
Ebenfalls aufgrund der Arbeit der Plattform ins Leben gerufen wurde ein Wettbewerb, um gute Projekte zur Umsetzung der SGDs zu fördern („Europäischer Nachhaltigkeitspreis„). Ziel der Auszeichnung ist es, inspirierende Initiativen bekannt machen, mit denen die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung in konkrete Lösungen und Chancen umgesetzt werden. Die Gewinner werden vom Ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, und Vizepräsident Jyrki Katainen im Frühjahr 2019 bekannt gegeben. Der Preis ist rein ideell, doch er kann für Sichtbarkeit in Form von öffentlichem Interesse und verstärkter Berichterstattung zum Thema sorgen. Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 14. September 2018.
C. Zukünftige Arbeiten: Input zum „Reflection Paper“ der EU-Kommission
Derzeit laufen die Arbeiten an der Plattform-Position zum von der EU-Kommission geplanten „Reflection Paper towards a sustainable Europe by 2030“ auf Hochtouren. Die Plattform-Position soll dem Kommissions-Papier als offizieller Anhang beigefügt werden. Zahlreiche Mitglieder der Plattform haben zwar grundsätzliche Bedenken, dass das „Reflection Paper“ der EU-Kommission als vage Zukunftsplanung wenig Mehrwert hat. Auch der NABU ist überzeugt, dass die EU statt der „Nachdenkens-Phase“ bereits heute viel stärker in die „Umsetzungs-Phase“ einsteigen sollte. Die Herausforderung ist für die Plattform-Position also, im gegebenen Seitenumfang hinreichend konkrete Empfehlungen zu geben.
Dabei geht es zum einen um übergreifende Aspekte. Nach Vorstellungen zahlreicher Plattform-Mitglieder sollen die SDGs etwa die überwiegend auf Wirtschaftswachstum fokussierte Prioritätensetzung der Europäischen Kommission als neues Leitprinzip ablösen. Außerdem geht es um konkrete Schritte und Maßnahmen, etwa der Empfehlung, Nachhaltigkeit stärker in die Gesetzesfolgenprüfung („Impact Assessment“) zu integrieren oder einzelne Politikbereiche an den SDGs auszurichten.
Bisher liegt ein zweiter Entwurf der Plattform-Position vor. Dieser soll bis zum Plattform-Treffen am 11. Oktober 2018 fertiggestellt sein und noch im November in den Schreibprozess der Kommission eingespeist werden. Bei den letzten Treffen wurden dabei gegensätzliche Positionen verschiedener Plattform-Mitglieder deutlich. Einige Mitglieder versuchen, Nachhaltigkeits-Forderungen zu verhindern, die Auswirkungen auf tradierte Politiken haben könnten. Hierzu gehören beispielsweise Landwirtschafts- oder Industrieverbände. Insofern könnte die Position zum „Reflection Paper“ tatsächlich der Lackmustest dafür sein, ob die Plattform in der Lage ist, ambitionierte Empfehlungen mit Mehrwert zu verabschieden, oder aber ob sich die Plattform-Mitglieder von ihrer Position her blockieren und jede ambitionierte Empfehlung verhindern.
Sowohl das Team des Generalsekretariats der EU-Kommission, welches die Plattform betreut, als auch der Erste Vizepräsident Frans Timmermans unterstützen die Arbeit der Plattform mit Kräften. Am Ende wird die Arbeit der Plattform und dementsprechend auch die Sinnhaftigkeit des Verbändeeinsatzes allerdings daran zu messen sein, ob die Plattform es vermochte, zu einer nachhaltigeren EU beizutragen. Schließlich soll sie laut Mandat die EU-Kommission sowohl beraten als auch bei der Umsetzung der SDGs unterstützen. Hierfür maßgeblich ist aber, dass auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker selbst und sein übriges Kollegium der Kommissare sich des Themas Nachhaltigkeit annehmen.
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