Ohne gute Beteiligung und Umweltprüfungen wird die Energiewende nicht gelingen

Ohne gute Beteiligung und Umweltprüfungen wird die Energiewende nicht gelingen

Ein Umdenken bei der Planungsbeschleunigung ist nötig

Ein Beitrag von Rebekka Blessenohl (Referentin für erneuerbare Energien & Naturschutz)

Im Zuge der Beschleunigung der Energiewende sind Beteiligungsschritte und Naturschutzvorgaben beim Ausbau der erneuerbaren Energien zunehmend ins Visier geraten. Dieser einseitige Fokus der Bundesregierung ist ein großer Fehler.

Im Kern dreht sich die Debatte rund um die Abschaffung von Umweltprüfungen mit dem Ziel der Planungsbeschleunigung fast ausschließlich um Naturschutzfragen. Zunehmend entsteht der Eindruck, dass die Empörung über die EU- und bundespolitischen Entwicklungen ausschließlich von den Naturschutzverbänden ausginge. Dabei wird gerne vergessen, dass mit der Durchführung der Umweltprüfungen auch Beteiligungsmöglichkeiten eröffnet werden. Verfahrensschritte, wie z. B. die Einsicht in die Genehmigungsunterlagen werden zukünftig beim Ausbau der erneuerbaren Energien wegfallen bzw. nur noch in seltenen Fällen möglich sein. Möglichkeiten abzuschaffen, sich zu Hinweisen und Bedenken auszutauschen ist ein fatales Zeichen in Zeiten, in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit einer stärkeren sozialen Spaltung durch die Energiewende rechnet, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2023 ermittelte.

Ebenso wie die Prüfung von Naturschutzbelangen wird auch die Einbindung der Bevölkerung zunehmend als Bremsklotz der Energiewende ins Visier genommen und beschnitten. Angefangen beim Wegfall förmlicher Beteiligungsschritte im Zuge der Genehmigung wird inzwischen sogar vor Fristverkürzungen bei rechtlichen Verfahren nicht Halt gemacht. Solche Maßnahmen ignorieren zahlreiche wissenschaftlichen Erkenntnisse, die zeigen, dass Beteiligungsprozesse eine der entscheidenden Schritte zu mehr Rückhalt für die Energiewende sind.

Die Befürwortung des Ausbaus der erneuerbaren Energien ist nicht nur ein „nice-to-have“, sondern essentiell um bei der Energiewende voranzukommen. Schließlich drohen bei Widerstand vor Ort neben möglichen Klagen gegen die Genehmigung, das komplette Aus für den Bau eines Wind- oder Solarparks, wenn die entsprechenden Eigentümer*innen sich weigern ihre Flächen für die Errichtung der Anlagen zur Verfügung zu stellen. Ein ebenso wichtiger Effekt einer guten Beteiligung, der nicht unerwähnt bleiben soll, ist die Verbesserung der Qualität der Planung. Im Zuge von Beteiligungsverfahren bringen Menschen vor Ort ihr Wissen zu lokalen Gegebenheiten ein und weisen auf mögliche Lücken in der Planung hin.

Überzeugender Klimaschutz braucht Zielbilder

Die Tragweite einer bröckelnden Unterstützung für die Energiewende geht weit über die Verhinderung einzelner Projekte hinaus. Der Energiesektor ist von allen Sektoren am weitesten in Richtung Klimaneutralität vorangeschritten und bildet so das Zugpferd für weitere Klimaschutzmaßnahmen in anderen Sektoren wie Gebäude und Verkehr. Wie stark die Fliehkräfte bei Ablehnung einer Maßnahme auf alle anderen Bereiche sein können, hat am eindrucksvollsten die Diskussion rund um das Gebäudeenergiegesetz gezeigt. Das „Schreckgespenst Heizungsgesetz“ wird auch nach fast einem Jahr immer noch genannt, um Klimaschutzmaßnahmen wegen einer möglichen „Überforderung der Bevölkerung“ politisch zu beerdigen. Und das, obwohl der negative Einstellung in der Gesellschaft gegenüber dem Gesetz ursprünglich ausgelöst durch eine politisch motivierte Kampagne – nicht etwa nur Veränderungsunwillen oder gar die komplette Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen zugrunde lagen.

Die Antwort auf berechtigte Ängste kann nicht sein, jegliche Möglichkeiten zur Beteiligung einzuschränken. Stattdessen braucht es mehr Kommunikation, mehr Erklärung von Gesetzen für mehr Klimaschutz, aber auch von Projekten vor Ort. Wichtig: Qualität schlägt Quantität. Es braucht ein überzeugendes Warum und Wie.

Um zurück zur Energiewende zu kommen: Wir brauchen einen klaren und verständlichen Fahrplan, wo es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien hingeht.  Besonders von Interesse sind die Flächen vor Ort, auf denen die Anlagen letztendlich errichtet werden. Auf welchem Anteil der Landesfläche werden bis 2040 wie viele Anlagen von welcher Art der Energieerzeugung stehen? Wie viel von diesem Zielbild haben wir schon erreicht? Dies alles sind Fragen, auf die man eine Antwort hätte, würde das in der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU (RED III) vorgegebene „Mapping“ konsequent und umfassend umgesetzt werden. Stattdessen beschränkt sich die Bundesregierung in dem bisherigen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der RED III auf den wenig ambitionierten Verweis, dass die Flächenbedarfe für Windenergie an Land bereits in einer Studie ermittelt wurden.

Wenn die gesamten Flächenbedarfe über alle erneuerbaren Energien ermittelt würden, könnte das zu einem stärkeren Rückhalt für die Energiewende beitragen. (©NABU/Sebastian Hennigs)

Beteiligung als Mittel zur Versachlichung der Debatten verstehen

Für eine gelingende und überzeugende Kommunikation ist auch entscheidend, wer die Informationen vermittelt. Studien haben gezeigt, dass es Vertrauensakteure vor Ort braucht, um den Sinn von Klimaschutzmaßnahmen zu vermitteln. Gerade bei der Energiewende bieten sich dafür laut Fachagentur Wind unter anderem Umweltverbandsvertreter*innen an, werden sie doch als eine der glaubwürdigsten Quellen für Informationen beim Thema wahrgenommen. Um solche Mediator*innen der Energiewende vor Ort überhaupt identifizieren zu können, braucht es umfassende und frühzeitige Beteiligungsverfahren. Gleichzeitig können dabei Sorgen der Bevölkerung wahrgenommen und begegnet werden.

Statt Beteiligung als zeitraubendes und unnötiges Beiwerk zu betrachten, sollte der Gesetzgeber deshalb mehr Vertrauen in die Bürger*innen haben, dass diese ihre Möglichkeiten zur Mitsprache sinnvoll und konstruktiv nutzen. Natürlich gibt es – wie fast überall – einzelne schwarze Schafe, die im Rahmen von Beteiligungsverfahren eine komplette Blockade der Vorhaben erreichen wollen. Aber gerade diesen Menschen spielt in die Hände, wenn keine fundierte und sachliche Diskussion geführt werden kann. Ohne Beteiligung überlässt man ihnen das Feld und erleichtert, dass sie mit falschen Fakten Ängste schüren. Ein sachlicher und frühzeitiger Austausch zu Umfang und Ausgestaltung der Planung kann eine große Bereicherung für beide Seiten sein, wie das Dialogforums des NABU und BUND Baden-Württembergs eindrucksvoll zeigt.

Mit falschen Feindbildern aufräumen

Die beiden „Feindbilder“ der Planungsbeschleunigung, Artenschutzvorgaben und Beteiligung haben eins gemeinsam: Sie tragen diesen Titel zu Unrecht. Ohne Frage gibt es bei beiden Bereichen noch Optimierungspotenzial, um Prozesse klarer und effizienter zu gestalten. Der Bogen wurde in den letzten Jahren aber deutlich überspannt und in vielen kleinteiligen, schwer nachvollziehbaren Gesetzesänderungen einseitig Abstriche eingefordert. Das wohl eindrücklichste Beispiel ist die Abschaffung der Umweltverträglichkeits- und Artenschutzprüfung im Zuge der EU-Notfallverordnung und REDIII. Und dass, obwohl eine beschleunigende Wirkung für den Ausbau der erneuerbaren Energien dieser radikalen Einschnitte bisher nicht nachgewiesen werden konnten.

So liegen trotz ansteigender Genehmigungszahlen der letzten Jahre die Ausbauzahlen beim Ausbau der Windenergie des 1. Halbjahres 2024 sogar hinter dem des 1. Halbjahres 2023 zurück. Was bringt eine Genehmigung im Turbo, wenn Engpässe beim Transport und steigende Preise bei Zulieferern einem anschließend einen Strich durch die Rechnung machen? Es wäre schön, wenn sich wieder darauf besonnen wird, was das eigentliche Ziel der Planungsbeschleunigung sein sollte: die beschleunigte Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, die Naturschutz und gesellschaftlichen Rückhalt als wichtigste Faktoren für ein erfolgreiches Gelingen umfassend berücksichtigen.

Dieser Beitrag ist mit Anpassungen ebenfalls im Tagesspiegel Background Energie & Klima veröffentlicht wurden: https://background.tagesspiegel.de/energie-und-klima/briefing/ohne-gute-beteiligung-und-umweltpruefungen-gelingt-die-energiewende-nicht.

Der NABU-Blog zu Planung und Naturschutz

Wie planen wir besser, schneller und nachhaltiger? In diesem NABU-Ticker schauen wir unter die wohlfeilen Überschriften von Deutschland-Tempo und Bürokratieabbau und in die Hinterzimmer der politischen Verhandlungen. Unterstützt durch Gastautor*innen sowie Kolleg*innen aus den NABU-Landesverbänden und der Bundesgeschäftsstelle gehen wir ins Detail: Welche Vorhaben zur Planungsverbesserung gibt es, welche steigern, welche vermindern unsere Chancen die Klima- und Biodiversitätskrise in den Griff zu bekommen? Wie positionieren sich einzelne Akteure in der Debatte und was passiert konkret in der Gesetzgebung? Abonnieren Sie den Blog Naturschätze.Retten um keine Folge des Tickers zu Planung und Naturschutz zu verpassen.

Rebekka Blessenohl

1 Kommentar

Karl Wilhelm Fladerer

16.08.2024, 12:12

Es ist katastrophal, wie unsere Umwelt und Naturschutzbemühungen wenig beachtet und durch beschleunigte Gesetzgebung ausgehebelt werden. Ich fühle mich von grünen Abgeordneten verraten, sehe aber keine Alternative.

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