NABU-GAP-Ticker: Agrarrat vom 28.1.2019 – Sprachlos in Brüssel
29. Januar 2019. Beim EU-Agrarministerrat am Montag war die Bundesregierung weiterhin nicht sprachfähig zur sogenannten neuen „Grünen Architektur“ in der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020. Jetzt heißt es, man wolle bis zum übernächsten Treffen Mitte März Klarheit zur deutschen Position schaffen. Bis dahin wird vermutlich noch heftig gerungen hinter den Kulissen der Ministerien.
Umweltdumping: Gefahr für Natur und Landwirte
Worum geht es: Die EU-Kommission schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten künftige große Spielräume bekommen bei der Art und Weise wie sie die Subventionen für die Landwirtschaft einsetzen, Hauptsache sie erfüllen bestimmte Ziele, zum Beispiel für die ländliche Entwicklung, den Umweltschutz oder die soziale Lage von Landwirten. Diese sogenannte „Ergebnisorientierung“ wird grundsätzlich von allen begrüßt, u.a. von Ministerin Klöckner, dem Bauernverband und dem NABU. Gemeinsam ist jedoch allen die Sorge vor einen Umweltdumping. Sind die Freiheitsgrade zu groß, dann ist ein Unterbietungswettlauf unter den Mitgliedstaaten zu befürchten: Gewinner am Markt wären die, die am wenigstens Geld für Umweltmaßnahmen ausgeben und stattdessen die Billigproduktion fördern. Gewinnen würden die Staaten mit den geringsten Umwelt- und Tierschutzauflagen. Kaum einer würde dann noch von den freiwilligen „grünen Möglichkeiten“ Gebrauch machen, die die EU-Kommission theoretisch anbietet. Schon jetzt schichtet Deutschland übrigens nur 4,5 Prozent statt der möglichen 15 Prozent von der Ersten Säule (Direktzahlungen) in die Zweite Säule (Ländliche Entwicklung und Agrarumweltmaßnahmen) um. Nicht nur die Umwelt, auch die deutschen Landwirte wären in jedem Fall Verlierer einer solchen Abwärtsspirale: Deutsche Verbraucher würden nie so geringe Standards akzeptieren wie sie in anderen EU-Staaten dann möglich wären. Wenn Julia Klöckner also eine zukunftsfähige Parole ausgeben wollte für die EU-Agrarpolitik, dann müsste diese lauten: Klasse statt Masse! Mindestbudgets für die Umweltförderung, die alle einhalten müssen! Anspruchsvolle Umweltstandards in der ganzen EU!
Doch leider herrscht nach wie vor Sprachlosigkeit bei der deutschen Landwirtschaftsministerin, wenn es um die Umweltarchitektur geht. In ihrem verlesenen Statement warnte sie immerhin davor, dass Flexibilität nicht auf Kosten der Ergebnisorientierung gehen dürfe. Und schloss sich einem Protestbrief Sloweniens an gegen die überproportionalen Kürzungen der Zweiten Säule an (download als pdf) – da diese für die Erreichung von ländlicher Entwicklung und Umweltschutz nötig sei. Kein Wort jedoch zum Thema Mindestbudgets, zum Beispiel für die sogenannten Eco-Schemes innerhalb der Ersten Säule.
In einer von ihrem Ministerium verbreiteten Pressemitteilung bekannte sich Klöckner zwar zu steigenden Umweltanforderungen. Sofort relativiert wird das aber durch ihre rein politisch motivierte und immer wieder in Abwandlungen wiederholtem Slogan „Umweltleistungen müssen umsetzbar/verständlich/praktikabel sein“. Dies ist eine Selbstverständlichkeit, die üblicherweise genau von denen betont wird, die eben eine möglichst anspruchslose Umweltpolitik wünschen.
Vor allem aber stößt eine geradezu an Erpressung des Steuerzahlers anmutende Aussage Klöckners in einem WDR-Interview auf: Wer mehr Umweltleistungen von der Landwirtschaft erwarte müsse auch mehr Förderung geben. Angesichts eines bereits beachtlichen, vielfach kritisierten Budgets von fast 60 Mrd. EUR im Jahr sowie dramatischen Umweltschäden der aktuellen Agrarpolitik ist diese Forderung kaum nachvollziehbar und ebenfalls nur über den Aufbau von Verhandlungsmasse zu verstehen. All jenen, die versuchen innerhalb der finanziellen Möglichkeiten neue Wege zu gehen und konstruktive Vorschläge im Sinne von Landwirtschaft und Umwelt machen, wirft sie im selben Interview „Geklapper“ und „Panikmache“ vor: ihrer Ministerkollegin Svenja Schulze und den Umweltverbänden. Ob dies eine geschickte Strategie zum Erhalt öffentlicher Landwirtschaftsförderung ist, wird die Zukunft zeigen.
In einem Statement zum Agrarrat sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: „Die zurückliegende Grünen Woche war zumindest medial alles andere als eine Leistungsshow der Landwirtschaft und des Landwirtschaftsministeriums. Inzwischen sind die Zeiten vorbei, in der Agrarfunktionäre unser Steuergeld unwidersprochen und nach Gutdünken verteilen konnten. Selbst die aufwendigste PR des Bauernverbands und Landwirtschaftsministeriums können die multiple Krise der Landwirtschaft nicht länger übertünchen“.
Der NABU-GAP-Ticker
Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv – #FutureOfCAP
Titefoto: Europäische Union 2013
- Artenschutz: Klimaschutz-Bremse oder Beschleuniger? - 26. April 2024
- Die Bundesrepublik als Rechtsstaat: Siegt der Populismus gegen die Zivilgesellschaft? - 22. Februar 2024
- Überragendes öffentliches Interesse – ein Rechtsbegriff kommt in Mode - 12. Januar 2024
Keine Kommentare