NABU-GAP-Ticker: Julia Klöckners Redetext für den Agrarrat

15.Juni 2018 Am Montag wird Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in Brüssel zum ersten Mal über die künftige Agrarpolitik verhandeln – live und öffentlich ab ca. 16:30 Uhr unter diesem Link. Der NABU ruft dazu auf, sich einzuschalten, zuzusehen und über Twitter (#FutureOfCAP) mitzureden. Sicher freut sich die Ministerin auch über konstruktive Rückmeldungen bei Facebook.

Angesichts des enttäuschenden Vorschlags der EU-Kommission liegt vor den Ministern eine Menge Arbeit. Wir haben einen Vorschlag, wie Julia Klöckner einen echten Coup landen könnte, fast 100 Tage nach Amtsantritt.Ein starker Auftritt gelänge Julia Klöckner, wenn sie einfach zunächst ein paar Passagen aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung fast wörtlich vorlesen würde:

Es bedarf einer Weiterentwicklung und Neujustierung der GAP…Der gesellschaftlich geforderte Wandel in der Landwirtschaft und die veränderten Erwartungen der Verbraucher bedürfen einer finanziellen Förderung – national wie europäisch… Besonders Tier-, Natur- und Klimaschutz sind im öffentlichen Interesse auch öffentlich zu fördern… Wir müssen das Insektensterben umfassend bekämpfen und die Lebensbedingungen für Insekten verbessern…Wir brauchen in der EU mehr Mittel für den Naturschutz, die sich am Bedarf von Natura 2000 orientieren.

Danach wäre Zitat aus dem Gutachten angebracht, dass Julia Klöckners Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und Verbraucherschutz (PDF Download) kürzlich veröffentlicht hat:

„Allerdings  wird die derzeitige GAP den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen im Politikfeld Landwirtschaft und ländliche  Räume nicht gerecht… Zahlreiche wichtige der auf europäischer und deutscher Ebene spezifizierten und für die Landwirtschaft relevanten  Umweltziele … werden nicht erreicht und können mit der bisherigen  Politik unzureichend entwickelter Anreizsysteme und eines ungenügenden Vollzugs des Ordnungsrechts auch nicht erreicht werden.“

Danach ein aufrüttelnder Appell an ihre 26 Ministerkolleginnen und -kollegen, ebenfalls vorgeschrieben von ihren eigenen wissenschaftlichen Beratern im genannten Gutachten:

Wir haben „eine große Chance, die GAP auf die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen für Landwirtschaft und ländliche Räume auszurichten und sie zu einer gemeinwohlorientierten Politik weiterzuentwickeln. Voraussetzung für eine solche Neuausrichtung ist die Überwindung der … einseitigen Fokussierung auf die Stützung landwirtschaftlicher Einkommen. Heute fließen EU-weit etwa 73% der EU-Mittel der GAP (etwa 40 Mrd. € jährlich) mittels sogenannter flächengebundener Direktzahlungen (DZ) landwirtschaftlichen Unternehmen zu. Diese Zahlungen … sind verteilungspolitisch nicht zu rechtfertigen: Sie sind weder an der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Funktionen der Landwirtschaft noch an der betrieblichen oder der personellen Bedürftigkeit der Landwirte ausgerichtet und werden zudem über den Bodenmarkt zu einem großen Anteil an Bodeneigentümer durchgereicht. Schließlich fehlen diese Mittel für eine gezielte Honorierung von Gemeinwohlleistungen…“

Und schließlich zeigt sich, dass Julia Klöckner Mut und Entschlossenheit besitzt, in dem sie fortfährt Ihre Berater zu zitieren:

Die dringend notwendige, inhaltlich und strukturell grundlegende Neukonzeption … erfordert deshalb politisches Durchsetzungsvermögen. Eine zeitliche Verschiebung der erforderlichen Neuausrichtung der GAP würde allerdings sowohl die zu adressierenden Problemlagen als auch den betrieblichen Anpassungsbedarf verschärfen, mit der Folge zusätzlicher Anpassungskosten. Langfristig verlässliche Rahmenbedingungen sind nicht … durch eine Beibehaltung des Status quo zu erreichen. Im Gegenteil: Verlässliche Rahmenbedingungen entstehen durch eine langfristige Orientierung der GAP an Gemeinwohlzielen, die breite gesellschaftliche Unterstützung erfahren.“

Sie endet ihren Vortrag mit den Worten eines anderen jüngst veröffentlichten Gutachten aus dem eigenen Haus, des Wissenschaftlichen Beirats für Biodiversität und Genetische Ressourcen (PDF Download):

Der rapide Verlust an biologischer Vielfalt in den Agrarlandschaften … ist mittlerweile wissenschaftlich gut belegt. Die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union (EU) sind rechtlich verpflichtet, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. … Daher muss die künftige, ergebnisorientierte GAP wirksam und systematisch zur Sicherung der biologischen Vielfalt in den Agrarlandschaften beitragen.“

Am Montag werden wir alle wissen ob sie diesen oder doch einen anderen Redetext verwendet. Am Dienstag will Julia Klöckner dann übrigens Bilanz ihrer ersten 100 Tage Amtszeit ziehen, hier eine Einladung an alle Pressevertreter:

 

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titelfoto: Europäische Union 2013

 

 

1 Kommentar

Ingrid Kaufmann

15.06.2018, 20:54

Ich hoffe, dass sich Frau Klöckner für eine umweltschonende, ökologisch sinnvolle Landwirtschaft einsetzt. Die biologische Vielfalt muss wieder gesichert sein - Pestizide auf den Ackerflächen, großflächige Monokulturen sind verantwortlich für das Bienen-/Insektensterben. Hinzu kommen die vielen Lebensmittelskandale, Rückrufaktionen von Großerzeugern (aktuell: Frischkräuter sind mit Kolibakterien belastet), Betrug in der Etikettierung von Lebensmitteln. Schweinemastanlagen für Turboschweine, deren Fleisch überhaupt nicht schmeckt. Großerzeuger streben doch nur die Gewinnmaximierung a n und gaukeln dem Verbraucher gute Qualität zu niedrigen Preisen vor - das gibt es nicht !! Qualität hat immer ihren Preis !!!

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