NABU-Agrar-Blog: Beitrag zu den NSP in anderen Mitgliedstaaten – Deutschlands Nationaler Strategieplan (NSP) im europäischen Vergleich

23.03.2022. Knapp drei Monate nach Ablauf der Frist haben nun alle Mitgliedstaaten ihre Nationalen Strategiepläne (NSP) zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) an die Europäische Kommission vorgelegt. Im Rahmen des Genehmigungsprozesses bewertet diese nun die Pläne und fordert dann gegebenenfalls die Mitgliedstaaten zur Änderung und Übermittlung weiterer Informationen auf. Nachdem auf diesem Blog bereits der NSP Deutschlands vorgestellt wurde, werden nachfolgend überblicksartig einige Aspekte der Nationalen Strategiepläne der anderen Mitgliedstaaten beleuchtet, wobei auch auf Informationen unserer internationalen Dachverbände BirdLife und EEB sowie des Rates der EU zurückgegriffen wird.

Biodiversität

Eine zentrale Maßnahme zur Sicherung und Wiederherstellung der Artenvielfalt ist die Etablierung von Strukturvielfalt auf Agrarflächen (GLÖZ-Standard 8). Die aus wissenschaftlicher Sicht nötige – und auch in der EU-Biodiversitätsstrategie vorgesehene – Bereitstellung von 10% der Flächen wird mit den vorgelegten Strategieplänen in keinem Mitgliedstaat gelingen. Kaum ein Plan geht über den Mindeststandard von 4% der Ackerfläche hinaus (so auch Deutschland), wobei Österreich und Polen mit jeweils 7% Ausnahmen darstellen. Zwar sehen die meisten Pläne hier auch zusätzliche Förderungen in Form von Öko-Regelungen oder AUKM vor. Jedoch sind die dafür bereitgestellten Gelder nicht ausreichend zur Erreichung des 10%-Ziels der EU-Biodiversitätsstrategie.

Ökolandbau

Fast alle Strategiepläne streben eine Steigerung im Bereich Ökolandbau an, sowohl was die bewirtschaftete Fläche angeht als auch die bereitgestellten Förderungen. Im unionsweiten Vergleich befindet sich der deutsche Strategieplan (Finanzierung für Ökolandbau auf 14% der Fläche) im Mittelfeld: Von den vorgelegten Strategieplänen, sehen 15 Unterstützungen für mehr als 10% der Fläche vor; 2 Strategiepläne wollen Ökolandbau auf mehr als 20% der Fläche unterstützen. Während in Deutschland die Förderung über Mittel der 2. Säule erfolgt, haben sich andere Mitgliedstaaten für Öko-Regelungen der 1. Säule oder eine Kombination von beidem entschieden. Zur Erreichung des Ziels der Farm to Fork-Strategie, bis zum Jahr 2030 mindestens 25 % der landwirtschaftlichen Flächen in der EU ökologisch zu bewirtschaften, müssen die meisten Mitgliedstaaten somit noch erhebliche Anstrengungen leisten.

Umweltschädliche Subventionen

Alle mitgliedstaatlichen Pläne unterstützen auf unterschiedliche Weise und zu unterschiedlichen Teilen umweltschädliche Agrarpraktiken. Diese Zahlungen leisten einen aktiven Beitrag zur Verschärfung der Klima- und Biodiversitätskrise, verschlechtern den Zustand des Bodens und des Wassers. In Italien etwa sollen 41,5% der Gelder für Öko-Regelungen und 40% der gekoppelten Einkommensstützung in den Bereich der Tierhaltung fließen, ohne dass dabei die Reduktion der Tierzahlen oder nachhaltigere Praktiken wie extensive Weidehaltung erforderlich wären. Der österreichische Strategieplan sieht vor, dass 40% der Investitionsförderung in Infrastruktur wie zum Beispiel Stallkapazitäten und Bewässerungsvorrichtungen fließen soll, wobei keine Bedingungen mit Blick auf Umwelt- und Klimaschutz gestellt werden. Diese Zahlungen werden wahrscheinlich zu einer weiteren Intensivierung der Landwirtschaft mit negativen ökologischen Auswirkungen führen.

Grünland

Zwar planen knapp die Hälfte der Mitgliedstaaten Öko-Regelungen zum Schutz des Grünlands. Jedoch können lediglich der finnische und der tschechische Plan als ausreichend angesehen werden. In diesem Bereich zeigt sich auch, dass einige Öko-Regelungen ihrem Namen nicht gerecht werden. Ein Beispiel ist Slowenien, das eine Öko-Regelung für Grünland plant, die eine bis zu dreimalige Mahd erlaubt und keine Einschränkungen der Düngung vorsieht oder ein Datum für die früheste mögliche Mahd bestimmt. Dies kann auf Dauer die Artenvielfalt verringern und den Lebensraum weniger wertvoll machen. Hinzu kommt, dass der slowenische Strategieplan auch eine AUKM für Grünland vorsieht, hier aber der Zeitpunkt für die erste Mahd zu früh gesetzt ist (in manchen Gebieten bereits am 20. Mai), sodass erste Bruten von Wiesenvögeln wie der Feldlerche geschädigt werden können. Andere Pläne, wie z.B. der polnische, zeigen positive Ansätze in Form der Förderung nasser Wiesen. Allerdings sind die Programme nur unzureichend finanziell ausgestattet und können so nur wenige Flächen erreichen.

Feuchtgebiete und Klimaschutz

Auch in anderen Gebieten wie Klimaschutz, dem Schutz von Feuchtgebieten oder der Beteiligung von Umweltschutzvereinigungen schneidet kein Strategieplan gut ab, wie unsere Dachverbände BirdLife und EEB hier grafisch darstellen. Unter dem Aspekt der ausreichenden Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft fällt nur Kroatien positiv auf. Kein Strategieplan sieht ausreichende Bestimmungen für den Schutz von Mooren und Feuchtgebieten vor und steuert somit zum Erhalt dieser wichtigen Treibhausgasspeicher bei. Die Anwendung des hier einschlägigen GLÖZ-Standard 2 zum Schutz von Feuchtgebieten und Mooren wird z.B. in Polen auf das Jahr 2025 verschoben, was befürchten lässt, dass in dieser Zeit wertvolle Gebiete verloren gehen.

Fazit

Als Fazit lässt sich somit festhalten, dass die mitgliedstaatlichen NSP insgesamt enttäuschen mit Blick auf ihr Potential, notwendige Umweltschutzmaßnahmen zu fördern und zu einer echten ökologischen Wende in der Landwirtschaft beizutragen. Daraus folgt die Aufforderung an die Kommission, im Rahmen des Genehmigungsprozesses an den entsprechenden Stellen Nachbesserungen zu fordern. Dies deutete EU-Agrarkommissar Wojciechowski bei einer Ratssitzung am 21.03.2022 bereits an. Allerdings zeichnet sich auch Widerstand gegen weiterreichende Umweltmaßnahmen ab. Die Regierungen Italiens und der Slowakei hatten schon im Vorfeld der Ratssitzung angekündigt, mit Blick auf die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Landwirtschaft ihre NSP noch zulasten der Umweltambitionen ändern zu wollen. In diesem Zusammenhang ist nun auch die Verschiebung der ursprünglich für den 23.03.2022 vorgesehenen Gesetzgebungsvorschläge für eine Reform der EU-Pestizid-Richtlinie und für eine neue Verordnung zur Wiederherstellung der Natur beschlossen. Der NABU sieht dies als ein verheerendes Signal und hat sich in einem Brief an die Kommissionspräsidentin von der Leyen sowie die Zuständigen Kommissare gewandt. Denn mittel- und langfristig sind die Klima- und Biodiversitätskrise die größte Bedrohung für die Lebensmittelsicherheit, so etwa in Form immer häufigerer Dürren und Extremwetterereignissen sowie dem Ausbleiben von Ökosystemleistungen durch Bestäuber. Es bedarf deshalb eines Umbaus der Landwirtschaft nach ökologischen Kriterien, wie sie von über 400 Experten gefordert wird: weniger tierische Produkte, für deren Erzeugung in Deutschland mehr als die Hälfte des Getreides verfüttert wird, weniger Lebensmittelverschwendung und weniger Verwendung von Getreide als Biokraftstoffe.

Der NABU-Agrar-Blog

Im NABU-Agrar-Blog informieren wir über die Themen zukunftsfähige Landnutzung und Agrarpolitik in Deutschland und Europa. Abonnieren Sie unseren Blog, um über diese auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen oder diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Weitere Hintergrundinformationen zu den Aktivitäten des NABU für eine naturverträgliche Landwirtschaft finden Sie unter  https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/. Folgen Sie uns gerne auch auf Twitter: @NABU_biodiv

Ein Beitrag von Matti Gurreck, Referent für EU-Biodiversitäts- und Landnutzungspolitik.

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