GAP-Ticker: High Noon im Europäischen Parlament – Umweltausschuss bekommt mehr Mitsprache bei der GAP
6.Juli 2018 Ein wochenlanges Ringen um die Zuständigkeit für die GAP zwischen dem Agrar- und Umweltausschuss des Europäischen Parlaments ist gestern Mittag zu Ende gegangen (wir berichteten hier zum Hintergrund dieses Streits). Während ihrer gestrigen Sitzung hat das Kollegium der Fraktionsvorsitzenden entschieden, dass der Umweltausschuss bei der Bearbeitung der GAP im Parlament von nun an mit mehr Mitspracherechten ausgestattet wird.
Formell haben die Vertreter des Umweltausschusses nur einen Teilerfolg erzielen können, der aber sehr weitreichende Konsequenzen haben wird und einen wichtigen Präzedenzfall setzt. Zwar konnten sie sich nicht das exklusive Recht zur Bearbeitung von Teilen der GAP-Gesetzgebung sichern. Der Umweltausschuss erhält jedoch einen assozierten Status. Das bedeutet, dass der Agrarausschuss seine Kompetenz über große Teile der Gesetzgebung mit dem Umweltausschuss teilen muss. Ein Novum in der Geschichte der GAP-Verhandlungen, denn seit ihrer Einführung in den 60er Jahren spiegelt sich deren ernormer (und zur Zeit schädlicher) Einfluss auf den Umwelt- und Naturschutz nun endlich auch in den formellen Prozessen des Parlaments wieder. Umweltbelange können jetzt direkt von den Experten im entsprechenden Gremium bearbeitet werden. Dadurch steigt zumindest die Chance, dass am Ende ein Ergebnis steht, das eine angemessene Antwort auf das Insekten- und Vogelsterben in der Agrarlandschaft findet.
Die Abgeordneten im Umweltausschuss haben nun wichtige Instrumente und Einflussmöglichkeiten, über welche sie in der letzten Reform noch nicht verfügten. Unter anderem muss sich der Berichterstatter des Agrarausschusses ab sofort mit seinem Kollegen im Umweltgremium u.a. über den Zeitplan für die das weitere Vorgehen einigen und sich regelmäßig mit ihm austauschen. In Zeiten des hohen Zeitdruck seitens diverser politischer Akteure (siehe hier), ist diese Vorgabe nicht zu unterschätzen und könnte verhindern, dass Umweltbelange unter die Räder kommen. Während der letzten Reform im Jahr 2013 war dies noch nicht der Fall und trotz eines gegenteiligen Versprechens wurde der Umwelt- vom Agrarausschuss über viele Vorgänge im Dunkeln gelassen.
Zudem muss der Umweltberichterstatter in Zukunft bei den Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten (dem sgn. Trilog) anwesend sein. Nach der ersten Runde der Abstimmungen erarbeiten die drei europäischen Institutionen in diesen Sitzungen Kompromissformulierungen, über welche am Ende der Rat und das Parlament erneut abstimmen. Die Triloge stellen somit einen wichtigen Schritt im Gesetzgebungsverfahren dar und eine Stimme für den Umweltschutz hier anwesend zu haben, wäre ein enormer Gewinn im Vergleich zur letzten Reform.
Ein Wehrmutstropfen bleibt: Trotz aller Verbesserungen spielt der Umweltausschuss auch weiterhin nur die zweite Geige und allein der Agrarausschuss bringt am Ende den Text ins Plenum. Das wichtigste inhaltliche Instrument, das dem Umweltausschuss aber zur Verfügung steht, ist das Recht eigene Änderungsanträge ebenfalls direkt ins Plenum zu tragen. Anders als bisher kann dies nun auch gegen den Willen der Agrarkollegen geschehen. Die beiden Ausschüsse sollen zwar im Geiste „einer guten und ernsthaften Kooperation“ zusammenarbeiten, am Ende kann es jedoch dazu kommen, dass das Parlament über zwei konkurrierende Änderungsanträge der beiden Gremien abstimmen muss. Die Debatte ist durch diese Neuerung auf jeden Fall deutlich spannender geworden und für die Abgeordneten im Agrarausschuss wird es schwerer als bisher, die Eingaben des Umweltausschusses einfach zu ignorieren, was 2013 noch der Fall war.
Dass diese Entscheidung trotz der Anstrengungen der Agrarlobby und dem erbitterten Widerstand des Agrarausschusses (siehe hier und hier) zustande gekommen ist, gibt also Grund zur Hoffnung. Eine weitere Abstimmung von gestern zeigt allerdings, dass die Reform dadurch noch lange nicht in trockenen Tüchern ist. Ein Antrag von S&D und Grünen, der verhindern sollte, dass der Agrarausschuss mit seinem Bericht direkt in den Trilog gehen kann und das Plenum so umgeht, wurde von einer Mehrheit der Fraktionsvorsitzenden abgelehnt. So könnten die Vertreter des Agrarausschusses doch noch, ohne die Einwände der Umweltexperten zu berücksichtigen, direkt mit den anderen europäischen Institutionen verhandeln.
Dies ist erst einmal nur ein theoretisches Risiko, da eine Mehrheit der Abgeordneten dieses Vorgehen verhindern kann, welches aber angesichts der anstehend Wahlen und der damit einhergehende Pause der Plenartagungen durchaus besteht. Dies bedeutet, dass die progressiven Kräfte innerhalb des Parlaments, die sich für einen besseren Umweltschutz in der GAP einsetzen, sich nicht auf diesem Erfolg ausruhen können, sondern im Gegenteil noch ein weiter Weg und viel Arbeit vor ihnen liegen. Außerdem hat die Vergangenheit gezeigt, dass nicht alles was aus dem Umweltausschuss kommt, positive Auswirkungen auf den Umwelt- und Naturschutz hat. Der NABU wird deshalb die Arbeit beider Ausschüsse ausführlich begleiten.
Der NABU-GAP-Ticker
Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv – #FutureOfCAP
Titefoto: Europäische Union 2013
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