EU-Agrarpolitik vor dem Rückschritt: Warum der neue GAP-Vorschlag die falschen Weichen stellt
Die GAP ist überkomplex und braucht Vereinfachung. Der neue Kommissionsvorschlag schießt jedoch über das Ziel hinaus: Er entkernt ökologische Ambitionen, gefährdet Fortschritte bei Natur und Klima und verschiebt die GAP in den NRRP-Gesamtfonds.
Neues Geld für alte Fehler
Anstatt den Umbau hin zu der Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft voranzutreiben und die Gelder an das Erbringen von öffentlichen Leistungen zu binden, beabsichtige die EU-Kommission an dem Instrument der Pauschalen Flächenprämien festzuhalten. Diese ist der einzige Posten im NRPP, der ein eigenständiges Budget zugewiesen bekommen würde. Pauschale Flächenprämien stellen Subventionen dar, die allein nach Betriebsgröße statt nach (Umwelt) -Leistung gezahlt werden. Sie sind somit als wenig zielgerichtet zu betrachten. Vor dem Hintergrund der Forderung nach Abschaffung dieses Instruments, dass die Zukunftskommission Landwirtschaft (2021, 2024), der Strategische Dialog (2024) auf EU-Ebene sowie zahlreiche wissenschaftliche Studien seit langem fordern, ist diese Entwicklung nicht nachvollziehbar. Die Frage ist einfach: Wenn nahezu alle dieses Instrument kritisieren – warum bleibt es das zentrale Element?
Naturschutz wird zum Verhandlungspoker
Ein besonders gravierender Aspekt des Umbaus der EU-Haushaltsstrukturen wäre, dass es im Gegensatz zu den Direktzahlungen keine festen Budgetzuweisungen (Ringfencing) für bestimmte Förderprogramme mehr geben soll. Stattdessen sollen die Mitgliedstaaten (MS) individuell aushandeln, wie viel Geld sie für was bereitstellen. Besonders besorgniserregend ist die Situation im Bereich Natur und Klima: Im aktuellen System sind 25 Prozent der Ersten Säule und 35 Prozent der Zweiten Säule für nachhaltige Förderprogramme reserviert. Dieser feste Budgetanteil entfällt damit komplett.
Zudem soll der nationale Kofinanzierungsanteil von 20 auf 30 Prozent steigen, was bedeutet, dass die Mitgliedstaaten mehr Geld zu den EU-Mitteln hinzufügen müssen. Agrarnaturschutz wird teurer! Für Länder, die finanziell nicht gut aufgestellt sind, stellt das eine große Hürde dar und lässt einen Rückgang an Förderprogrammen vermuten. Dies gefährdet sowohl das Fortbestehen und den Ausbau etablierter Programme für bspw. Artenvielfalt oder klimaangepasste Bewirtschaftung, als auch die dringend notwendige Weiterentwicklung neuer Programme.
Damit droht das Fundament für die Honorierung ökologischer Leistungen landwirtschaftlicher Betriebe zu bröckeln – zum Nachteil sowohl von Landwirt*innen als auch der Natur. Betriebe, die bereits begonnen haben, ihre Produktion auf ökologische Leistungen umzustellen und sich auf eine Fortführung verlassen haben, sind besonders von den Auswirkungen betroffen.
Europäische Standards? Waren einmal!
Im Bereich der Fördervoraussetzungen ist eine erhebliche Vereinfachung geplant. Aktuell müssen Betriebe neun Umweltstandards (GLÖZ) erfüllen, um Flächenprämien zu erhalten. Die Kommission will diese Verantwortung auf die Mitgliedstaaten abwälzen. Jedes Land soll selbst entscheiden – durch Anpassung an nationales Recht (Farm Stewardship).
Das Ergebnis: Ein Flickenteppich mit unterschiedlichen Standards. Die pauschalen Flächenprämien verlieren das letzte bisschen Umweltwirkung und jede Legitimation.
„Ernährungssicherheit“? Ein Ablenkungsmanöver
Die Kommission begründet ihre Vorschläge häufig mit dem Argument der Ernährungssicherung. Dieses Argument greift jedoch zu kurz: In der EU ist derzeit keine Unterversorgung absehbar.
Entscheidend für eine langfristige Ernährungssicherheit in der EU sind gesunde und funktionsfähige Agrarökosysteme. Die aktuelle intensive Landwirtschaft zerstört diese seit Jahrzehnten: Fruchtbare Böden werden ausgelaugt, Wasserkreisläufe gestört, Grundwasser belastet und Insekten- und Vogelpopulationen gehen zurück.
GAP-Zahlungen, die an Fläche statt an Leistung gebunden sind, stabilisieren nur den Status quo – und verschlimmern das Problem.
NABU fordert: Ökologische Leistungen ins Zentrum stellen
Seit Jahren fordert der NABU eine grundlegende Neuausrichtung der GAP: Öffentliche Gelder müssen an öffentliche Leistungen gebunden sein – also an konkrete Beiträge zu Natur-, Umwelt- und Klimaschutz. Da Landwirt*innen unsere Lebensgrundlagen erhalten und fördern, müssen sie faire Einkommen erzielen.
Der Vorschlag der EU-Kommission sollte wie folgt verbessert werden:
- Für eine anreizbasierte und zielorientierte Agrarförderung sollen mindestens 50 Prozent des GAP-Budgets für Natur- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKA) reserviert werden. Damit der Umbau des Agrarfördersystems hin zu einer Honorierung von Gemeinwohlleistungen gelingt, wachsen diese im Laufe der Förderperiode bis auf 100 Prozent an.
- Die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKA) dürfen nicht durch Förderbedingungen wie höhere Kofinanzierungssätze gegenüber der pauschalen Flächenprämie benachteiligt werden.
- Festlegung europäisch einheitlicher und ambitionierter Mindeststandards im Farm Stewardship in den Bereichen Grünland, Moore und Feuchtgebiete, Fruchtfolge und Landschaftselemente (aktuell GLÖZ-Standards) sollten als gemeinsame Grundlage eingeführt werden. Die Ausgestaltung darf nicht allein den Mitgliedstaaten überlassen werden und muss über den nationalen Anforderungen des Fachrechts liegen, um Wettbewerbsverzerrungen und ein „race to the bottom“ zu verhindern. Die Finanzierung aus Steuergeldern des Status Quo einer landwirtschaftlichen Praxis, die Natur und Klima stark belastet, ist nicht zu rechtfertigen.
- Gemäß den Vorgaben des neu geschaffenen NRRP-Fonds ist ein Ausgabeziel von 35 Prozent für Klima vorgesehen. Die genannte Zahl sollte auf 50 Prozent erhöht werden. Zusätzlich sollte sie um ein eigenständiges Ausgabeziel für den Bereich Biodiversität von mindestens 10 Prozent erweitert werden.
- Ein indikatorgestütztes Performancemodell mit überprüfbaren Zielwerten stellt die wirksame Mittelverwendung sicher und verhindert Greenwashing; die Methodik der RioMarker muss dafür aktualisiert und präzisiert werden.

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