Schutz vom Wolf: Berner Konvention wackelt

Das Ratsgebäude in Brüssel. Hier stimmten letzte Woche die Mitgliedsstaaten dem Kommissionsvorschlag zu, den Schutzstatus vom Wolf abzusenken. Auf dem Foto der Verbändeallianz Good Food Good Farming eine ältere Protestaktion für eine gerechtere und nachhaltigere Agrarpolitik.

Deutschland ebnet den Weg für Absenkung des Standards im Völkerrecht

Während letzte Woche die größte deutsche Naturschutzkonferenz, der Deutsche Naturschutztag, stattfand, erging in Brüssel eine Entscheidung, die bei Naturschützer*innen Besorgnis und teils Unverständnis hervorrief. Es geht um den Vorschlag der EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen, den Schutzstatus vom Wolf von streng geschützt zunächst in der völkerrechtlichen Berner Konvention abzusenken (wir berichteten mehrfach, zuletzt in unserem Naturschätze.Retten-Beitrag hier).

Was wurde entschieden

Am Mittwoch, den 25. September, trat das die Ratsentscheidung vorbereitende Gremium (der Ausschuss der Ständigen Vertreter, AStV) zusammen. Lange sah es so aus, als ob sich Deutschland – mit vielen anderen Mitgliedstaaten – enthalten würde. Doch nach Verhandlungen des Umweltministeriums mit der EU-Kommission erfolgte nun Weisung aus Berlin, dem Kommissionsvorschlag zuzustimmen. Deutschlands Stimme war, wenn man sich die vorherig mitgeteilten Positionierungen anschaut, entscheidend, der Kommissionsvorschlag hatte nun plötzlich die qualifizierte Mehrheit. Der offizielle Ratsbeschluss, der am Folgetag getroffen wurde, war dann nur noch eine Formsache (Pressemittelung des Rates hier). Deutschland will im Austausch mit der Kommission dafür erreicht haben, dass mögliche Änderungen am EU-Artenschutzrecht nur den Wolf betreffen, eine generelle Öffnung aber vermieden wird (siehe die Pressemitteilung des BMUV hier).

Wie geht es weiter

Der Beschluss wurde nun dem Sekretariat der Berner Konvention übermittelt. Deren ständiger Ausschuss tagt das nächste Mal im Dezember. Mit dem vorliegenden Beschluss wird die EU-Kommission dort für alle EU-Mitgliedstaaten als Block abstimmen. Vergangene Entscheidungen lassen leider annehmen, dass ausreichend weitere Vertragsstaaten der Berner Konvention, die nicht Teil der EU sind, dem Antrag auf Absenkung des Schutzstandards ebenfalls zustimmen. Im Anschluss daran – oder vorbereitend bereits parallel – dürfte die EU-Kommission sich dran machen, die Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie abzuändern. Denn die Berner Konvention ist nur der völkerrechtliche Rahmen, an die sich auch die EU halten muss (aber mit ihrem Schutz darüber hinausgehen darf). In der EU gilt weiter das spezifischere Artenschutzrecht der FFH-Richtlinie. Ursula von der Leyen hatte mit Vorlage des Kommissionsvorschlags klar gemacht, dass dies für sie nur der erste Schritt ist (wir kritisierten den Kommissionsvorschlag als ein Weihnachtsgeschenk an die eigene Parteienfamilie vor der Europawahl, siehe hier).

Was gilt es nun zu vermeiden

Zunächst: Diese Art der politisch beeinflussten, nicht faktenbasierten Gesetzgebung ist schon aus Demokratiegründen abzulehnen, und deswegen auch weiter zu kritisieren. Wir sehen sie leider in letzter Zeit öfters, z.B. bei Erlass der Notverordnung für Erneuerbare und dem technisch unsauberen Reinregieren ins Naturschutzrecht, oder bei Streichung der mühsam verhandelten, eh nur hellgrünen Konditionalitäten der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU aufgrund der Bauernproteste. Bezüglich des Wolfes hätte regulär der Monitoring-Bericht der FFH-Richtlinie abgewartet werden sollen, dieser wird für 2025 erwartet. Gestützt auf neue Daten hätte sodann für die Mitgliedstaaten, in denen der günstige Erhaltungszustand erreicht ist, ein entsprechendes Verfahren gestartet werden können, um den Anhang der FFH-Richtlinie anzupassen – gestützt auf die Wissenschaft, nicht auf populistische Hetze gegen den Wolf. Denn klar ist, darauf wiesen wir in unserem oben verlinkten letzten Blogbeitrag hin: die Absenkung des Schutzstandards löst per se noch keine einzige Herausforderung der Koexistenz von Mensch und Wolf. Wir werden nicht um Herdenschutzmaßnahmen und strukturell-organisatorische Antworten im Bereich der Länderkompetenz herumkommen. Aber zurück nach Brüssel:

  • Wenn es eine politische Mehrheit für die Absenkung des Schutzstandards gibt, gilt es hier nun, über die Zusage von Ursula von der Leyen zu wachen, wonach Änderungen an der FFH-Richtlinie sich höchstens auf den Wolf beziehen. Rechtstechnisch dürfte es hierfür verschiedene Wege geben. Allen gemein ist, dass die Kommission klar hinter dieser Vereinbarung stehen muss. Sie hat nämlich dann die Möglichkeit, einen Gesetzesvorschlag zurückzuziehen, sollte über das Ziel hinausgeschossen werden. Zuletzt geschah dies etwa bei der Verordnung zur Pestizidreduktion (SUR).  Dies muss die neue Umweltkommissarin, einmal im Amt bestätigt, so auch kommunizieren.
  • Dies ist unter anderem deswegen wichtig, weil wir uns keine jahrelangen Debatten über die FFH-Richtlinie leisten können. Deren Ziele sind bei Weitem noch nicht erreicht. Gleichzeitig warten Herausforderungen wie die Umsetzung der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur. Und auch die wichtige Finanzierungsfrage für den Naturschutz muss endlich angegangen werden, etwa durch einen eigenständigen EU-Renaturierungs-Fonds (siehe die entsprechende BirdLife Europe – Forderung hier).
  • Das Ansinnen der Konservativen, auch noch den Schutz von Bär, Luchs und Kormoran oder am besten gleich das wichtige EU-Naturschutzrecht komplett aufzugeben, ist vor dem Hintergrund der Artenkrise von vornherein eine Absage zu erteilen. Zu erinnern ist vielmehr auch an den vom Europäischen Bauernverband (COPA/COGECA) unterzeichneten Abschlussbericht des Strategiedialogs zur Zukunft der Landwirtschaft, der ein klares Bekenntnis auch dieser mächtigen Agrarlobby zur FFH-Richtlinie (genauso wie zur Wasserrahmenrichtlinie oder Nitratrichtlinie) enthält (die Pressemitteilung unseres Dachverband BirdLife Europe zum Strategiedialog finden Sie hier). Außerdem können Umweltverbände und Wissenschaftler*innen sicherlich zahlreiche Arten aufführen, deren Erhaltungszustand so schlecht ist, dass diese eigentlich in die Liste der streng geschützten Arten aufgenommen werden müssten.
Raphael Weyland

4 Kommentare

Angelika Heitmann

05.10.2024, 16:57

Wer glaubt das denn noch, dass die FFH-Richtlinie nur für den Wolf angetastet und sonst nicht verschärft wird? Natürlich wird unter der aktuellen politischen Großwetterlage das gesamte hart erkämpfte Naturschutzrecht aufgeweicht und ausgehöhlt. Die Beispiele dafür stehen schon in dem obigen Artikel. Es ist ein schlechter Witz und eine Schande, dass dieser maßlose und gegen wissenschaftliche Erkenntnisse verstoßende Abbau des Umwelt- und insbesondere Artenschutzes unter dem grün geprägten Umweltministerium in der Ampelregierung stattfindet. Nur eine Feststellung tröstet mich noch: Am Ende aller Tage wird es auch dem schlimmsten aller Tiere - dem Menschen - an den Kragen gehen.

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Dorothee Gösl

07.10.2024, 13:52

Sehr guter Beitrag, aber ich befürchte das die Angstmacherei in der Politik die wenig Gehirnmasse fordert und auf Emotionen zählt am Ende doch gegenüber einer zu erwartenden und erhofften Naturakzeptanz siegt. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt!

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Inge Wolber

16.10.2024, 18:24

Es gibt doch Hunde, die Wölfe verjagen. Ich verstehe, dass Schäfer usw. Angst um ihre Tiere haben. Diese Hunde sind sehr sehr teuer. Warum beteiligen sich die Regierungen nicht an den Kosten, dann bräuchte man Tiere, die wieder bei uns einwandern, nicht erschießen.

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Raphael Weyland

16.10.2024, 18:30

Es gibt bereits Förderung, je nach Bundesland auch für Herdenschutzhunde. Wir hatten uns mal die Mühe gemacht, diese aufzulisten, siehe hier: Infografik Ländervergleich

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