Zugvogelschutz Beiträge

Virginijus ein Opfer der Herbstjagd?

Comino, 5. Mai 2020

Turteltaube Virginijus direkt nach seiner Besenderung; Foto: Nicholas Galea, BirdLife Malta

Schon seit dem ersten Septembers gibt es kein Signal von Virginijus, und das bedeutet leider aller Wahrscheinlichkeit nach schlechte Nachrichten.

Virginijus hatten die Kollegen von BirdLife Malta in diesem Frühjahr auf der maltesischen Insel Comino besendert. Zum Brüten war er wie die meisten der auf Malta besenderten Turteltauben nach Italien gezogen. Sein Brutrevier hatte Virginijus in einem Küstenwaldstück am Mittelmeer in der Toskana, direkt gegenüber der Insel Elba.

Immerhin konnten wir mit Hilfe seines Senders während der gesamten Brutsaison viele wertvolle Daten über seine Aufenthaltsorte sammeln und auch seine letzten Ortungen erreichten uns von dort. Leider ist es nicht unwahrscheinlich, dass Virginijus das Schicksal mit unzähligen weiteren Turteltauben und Vögeln anderer Arten teilt und in Italien ein Opfer der Herbstjagd auf Zugvögel wurde.

Francescos Sender verstummt nach dreieinhalb Jahren

Turteltaubenmännchen im Brutgebiet; Foto: Ben Metzger

Am Abend des 14. August erhielten wir das bisher letzte Signal von Francescos Satellitensender, da war das Turteltauben-Männchen noch in seinem Brutrevier in Süditalien.

Wir hatten Francesco am 23. April 2017 auf der maltesischen Insel Comino besendert, wo er auf dem Frühjahrszug ins Brutgebiet Rast gemacht hatte. Mit fast dreieinhalb Jahren hat er mit seinem Sender von allen Turteltauben im Projekt bisher mit Abstand am längsten Daten geliefert. Insgesamt konnten wir ihn über vier Brutperioden in Kampanien und drei komplette Zug- und Überwinterungszyklen verfolgen.

Über Francescos Schicksal können wir leider nur spekulieren. Von den übertragenen Daten wissen wir aber, dass die Spannung seines Senders bis zum Schluss ausreichend hoch waren – fallen diese immer weiter ab, deutet das darauf hin, dass der Sender Probleme mit der

Taubert auf dem Herbstzug schon in Südfrankreich

Schon Ende Juli hatte das in Hessen besenderte Turteltauben-Männchen Taubert sein Brutgebiet in der Nähe von Cleeberg verlassen und war in die oberrheinische Tiefebene gezogen. Ich hatte im letzten beitrag darüber berichtet. Am Abend des 24. August hatte Taubert dann mit seiner eigentlichen Reise ins Winterquartier begonnen und war in Richtung Südwesten losgeflogen. Bereits in seiner ersten Zugnacht hatte er etwa 600 Kilometer zurückgelegt und war am nächsten Tag knapp östlich von Lyon in Ost-Frankreich angekommen. Am nächsten Abend zog er dann entlang der Rhone weiter Richtung Mittelmeer. So war er gegen elf Uhr abends nur noch 20 Kilometer von der südfranzösischen Stadt Nimes entfernt.

Abfliegende Turteltaube; Foto: Ben Metzger.

Für Taubert und auch für viele weitere Turteltauben auf der westlichen Zugroute könnte die Reise durch Frankreich allerdings gefährlich werden, weshalb wir die derzeitige Situation mit Sorge betrachten. Denn trotz der laufenden Vertragsverletzungsbeschwerde seitens der Europäischen Kommission gegenüber Frankreich will das Land seinen Jägern diesen Herbst den Abschuss von fast 18 000 Turteltauben genehmigen. Bei den extrem rückläufigen Bestandszahlen für die Art in Europa ist die zusätzliche Belastung der Population durch Bejagung aber keinesfalls nachhaltig. Daher sollte für die Turteltaubenjagd ein absolutes, EU-weites Moratorium gelten, zumindest solange bis sich die Bestände wieder erholt haben. Der NABU hatte daher zur Unterstützung des französichen BirdLife Partners LPO aufgerufen, der gegen die Abschussgenehmigung eine Beschwerde eingelegt hatte, und um Teilnahme an der entsprechenden Konsultation des französischen Umweltministeriums gebeten.

Wie die Sache ausgehen wird, steht trotz der begonnenen Zugsaison momentan noch aus. In jedem Fall werden wir Sie darüber auf dem Laufenden halten. Natürlich hoffen wir, dass der öffentliche Druck diese rein politische Entscheidung, die lediglich der Befriedigung der Jagdlobby dient, noch kippen kann. Dann wären Taubert und seine Artgenossen auf dem Zug über Frankreich in diesem Herbst weniger gefährdet.

Frankreich will Abschuss von fast 18.000 Turteltauben erlauben

Der französische Staat will erlauben, dass ab diesem Herbst 17.460 Turteltauben legal getötet werden! Der entsprechende Textentwurf von Barbara Pompili, der neuen Ministerin für ökologischen Wandel der französischen Regierung, unterliegt derzeit einer öffentlichen Konsultation. Diese endet allerdings morgen, Mittwoch, den 12. August.

Wieder im Fadenkreuz der Jagd in Frankreich, Grafik: David Tipling/Nature Picture Library/construktiv.de

Auch aus unseren Besenderungsergebnissen wissen wir, dass ein Großteil der Turteltauben aus Deutschland über Frankreich und Spanien in die Sahelzone zieht. Der Bestand dieser Westzieher ist in den letzten Jahren enorm geschrumpft, um 78 Prozent in Westeuropa seit 1980, der Gesamtbestand in Deutschland sogar um 89 Prozent.

Am 2. Juli sandte die Europäische Kommission eine Vetragsverletzungsbeschwerde an Frankreich, um dringende Maßnahmen gegen die Jagd auf Arten in einem schlechten Erhaltungszustand und in erster Linie gegen die Turteltaube zu erwirken. Dort kam bereits im vergangenen Jahr ein Ausschuss wissenschaftlicher Expert*innen des für den ökologischen Wandel zuständigen Ministeriums zu dem Schluss, dass die Jagd auf diese Art zumindest vorübergehend eingestellt werden muss, um die Chancen auf eine kurzfristige Stabilisierung der Zahlen zu maximieren. Der französische Staat gab dennoch der Jagdlobby nach und gewährte eine reduzierte Quote von 18.000 Vögeln, wobei er versicherte, dass die „Proben“ überwacht, gemeldet und analysiert würden.

Die Jäger haben natürlich nicht alle ihre Fänge deklariert und niemand kann sagen, ob diese Quote eingehalten wurde oder nicht, da auch keine ausreichenden Kontrollen durchgeführt wurden.

Die Beschwerde des französischen BirdLife-Partnerverbandes Ligue pour la Protection des Oiseaux (LPO) gegen dieses Ministerialdekret vom 30. August 2019 wurde noch nicht in der Sache geprüft. Teil der aktuellen offiziellen Begründung von LPO ist, dass die Zahl von 17.460, die in diesem Jahr anstelle von 18.000 vorgeschlagen wurde, lediglich einen geschätzten Bestandsrückgang von 3% pro Jahr berücksichtigt, aber nicht die Notwendigkeit die dramatische langjährige Abwärtsspirale zu stoppen.

Deshalb ist auch die vorgeschlagene Jagdquote viel zu hoch und muss verhindert werden.

Unterstützen Sie uns und LPO, denn unter den zu befürchtenden Opfern sind sehr viele der letzten in Deutschland brütenden und in diesem Jahr erst groß gewordenen Turteltauben. Nehmen Sie deshalb an der Konsultation des französischen Umweltministeriums teil! Das Konsultationsformular des französischen Umweltministeriums akzeptiert keine identischen Einträge. Daher schreiben Sie mit eigenen Worten oder wandeln Sie den folgenden Mustertext gern mit Sonderzeichen oder auf andere passende Weise ab. Zum Formular

 

Textvorschlag:

Non à la chasse aux tourterelles

Chère Ministre Pompili,
La tourterelle des bois est menacée dans le monde entier et figure sur la Liste rouge de l’UICN. Les stocks en Europe sont en chute libre. Leur déclin de près de 80% depuis 1980 semble être particulièrement prononcé sur la route migratoire occidentale, qui comprend également la France. En Allemagne, où l’espèce n’est pas chassée, la baisse est de 89 pour cent depuis 1980. La plupart des derniers oiseaux nicheurs d’Allemagne migrent à travers la France à l’automne et y sont tués.
Il faut mettre fin à la chasse aux tourterelles au lieu d’accélérer l’extinction de l’espèce en Europe avec un quota de chasse beaucoup trop élevé de 17460 oiseaux!

 

Übersetzung für Sie:

Nein zur Jagd auf Turteltauben

Sehr geehrte Frau Ministerin Pompili,

die Turteltaube ist weltweit gefährdet und steht auf der Roten Liste der IUCN. Die Bestände in Europa befinden sich im freien Fall. Ihr Rückgang von fast 80% seit 1980 scheint auf der westlichen Zugroute, zu der auch Frankreich gehört, besonders ausgeprägt zu sein. In Deutschland, wo die Art nicht bejagt wird, beträgt der Rückgang 89 Prozent seit 1980. Ein Großteil der letzten Brutvögel aus Deutschland zieht im Herbst über Frankreich und wird dort getötet.

Beenden Sie die Jagd auf Turteltauben statt mit einer viel zu hohen Jagdquote von 17.460 Vögeln das Aussterben der Art in Europa weiter zu beschleunigen!

 

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Votre adresse électronique (Ihre E-Mail-Adresse): freiwillige Angabe

Wenn Sie Ihren Text eingegeben haben, klicken Sie auf „Prévisualisation“ (Vorschau) und danach auf „Message définitif: envoyer au site“ (Absenden). Ihr Kommentar erscheint auf der Konsultationsseite.

 

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

 

Weitere Informationen zum Thema bietet ein Presseartikel des Online-Magazins BirdGuides (auf Englisch) vom 24. Juli 2020.

Besenderung 2020 – das ist Taubert

Turteltauben-Männchen Taubert nach Besenderung am 13. Juni; Foto: D. Höhn

Die Turteltaube Taubert hatten die Wissenschaftler*innen der Universität Gießen am 13. Juni als letzte Turteltaube in diesem Jahr mit einem Satellitensender ausgestattet. Das 173 Gramm schwere Männchen war, wie bereits zwei Vögel zuvor, ebenfalls an der Futterstelle auf einem Wildacker nahe Cleeberg gefangen worden. Die Forscher*innen hatten dort ihr Glück erneut versucht, nachdem sie auf Bildern der Wildkamera vor Ort gesehen hatte, dass mindestens ein unbesendertes Turteltaubenpaar und ein weiteres Einzeltier die Futterstelle regelmäßig aufsuchten. Um nach einigen erfolglosen Fangversuchen die Chancen zu erhöhen, hatten sie die Zahl der Fangkäfige an der Futterstelle verdoppelt. Taubert war dann allerdings in genau die gleiche Falle gelaufen, wie vor ihm schon die bisher unbenannten Vögel 1 und 2. Auch er war offensichtlich verpaart und am Tag seines Fangs mit einem Weibchen unterwegs, das keinen Sender trug.

Besenderung 2020 – das ist Julia

Die Turteltaube Julia ging den Wissenschaftler*innen der Universtität Gießen am 8. Juni nahe der Ortschaft Villingen (Stadt Hungen) am Rande eines Naturschutzgebiets in die Falle. Die weibliche Turteltaube wog bei ihrem Fang knapp 150 Gramm. Am selben Futterplatz auf einem Wildacker an einem Waldrand war im letzten Jahr auch die Turteltaube Melanie gefangen und besendert worden.

Wildkamera-Aufnahme vom Futterplatz zum Zeitpunkt des Fangs von Julia.

Auch Julia war am Tag ihres Fangs mit einem Partner an der Futterstelle. Interessanterweise hatte außerdem ein Eichelhäher das Futter für sich entdeckt und war als erster in eine der beiden Käfigfallen gegangen. Julia war dann nur kurze Zeit später in die zweite vor Ort aufgestellte Falle gelaufen.

Turteltauben-Weibchen Julia bei ihrer Besenderung; Foto: L. Koch

Nach ihrem Fang wurde Julia zügig aus der Falle befreit, besendert und wieder in die Freiheit entlassen. Spätere Aufnahmen der Wildkamera vor Ort zeigen, dass auch sie nach einigen Tagen mit ihrem Partner wieder an der Futterstelle auftauchte. Da Turteltaube Melanie laut Satellitendaten zu diesem Zeitpunkt immer noch auf ihrer Heimreise ins Brutgebiet war, können sich die Wissenschaftler*innen sicher sein, dass es sich bei der besenderten Taube auf den Bildern um Julia handelte.