Undichte Leitungen in Brüssel

Undichte Leitungen in Brüssel

Bereits letzten Mittwoch sind die ersten Entwürfe für den Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission zur neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Presse zugespielt worden. Zwar handelt es sich bei den Texten noch nicht um den finalen Vorschlag, dessen Veröffentlichung Ende Mai erwartet wird. Einzelne Details sind deshalb ausdrücklich noch mit Vorsicht zu genießen, aber es lohnt sich bereits die grobe Struktur des neuen Systems der EU-Agrarsubventionen einer ersten Analyse zu unterziehen.

Wie erwartet wird ein großer Teil der Verantwortung zukünftig an die Mitgliedstaaten übertragen. Diese werden dabei zu Beginn des nächsten Förderzeitraums sogenannte CAP Support Plans einreichen, um gegenüber der Kommission zu erklären, wie die Gelder in den jeweiligen Ländern eingesetzt werden sollen. Die EU selbst gibt nur noch neun sehr allgemein gehaltene Ziele vor, an welchen sich die Staaten in Ihren Plänen orientieren müssen. Im Umweltbereich gehören zu diesen Zielen u.a. die Adaption und Mitigation des Klimawandels, die effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen sowie der Erhalt von Natur und Landschaft. Um den eigenen Fortschritt bei der Erreichung dieser Ziele zu überprüfen, sollen sich die Staaten anhand von vorgegebenen Indikatoren Zielmarken setzen, deren Einhaltung der Kommission gegenüber jährlich erklärt werden muss. Bei Nichterreichung dieser selbstgesetzen Marken muss der CAP Support Plan entsprechend überarbeitet werden und in allerletzter Konsequenz können finanzielle Sanktionen durch die Kommission erfolgen.

Die übrige Grundstruktur der GAP wird zu weiten Teilen beibehalten werden wie etwa die bisherige Aufteilung in zwei Säulen. Das von vielen Seiten kritisierte Greening innerhalb der 1. Säule wird jedoch abgeschafft und teilweise mit dem bisherigen Cross-Compliance verschmolzen. Die Vorgaben dieser neuen erweiterten Konditionalität müssen auch weiterhin von allen Empfängern von jährlichen Zahlungen eingehalten werden. Zusätzlich steht es den Mitgliedstaaten frei, einen Teil der zukünftigen 1. Säule in sogenannte Eco-Schemes zu überführen, unter welche zusätzliche Leistungen durch Landwirte fallen sollen, die über das Niveau der Konditionalität hinausgehen. Die Maßnahmen selbst müssen dabei aber von den Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene noch definiert werden.

Bereits für große Aufmerksamkeit hat in der Presse die Deckelung der Direktzahlungen auf 60.000 Euro je Leistungsempfänger geführt, wobei hier Lohnkosten voll anrechenbar sind, so dass die tatsächliche Grenze in der Realität höher liegen dürfte. Die zweite Säule wird überwiegend weiterbestehen, inklusive der bereits existierenden Zweckbindung von 30 Prozent des Budgets innerhalb des entsprechenden Fonds (ELER) für Umwelt- und Klimamaßnahmen. Aber auch hier wird den einzelnen Ländern deutlich mehr Freiheiten bei der Gestaltung und Umsetzung von Programmen und Maßnahmen zugestanden.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Tatsächlich wurden von der Kommission einige Punkte aufgenommen, die von Umweltschützern bereits seit der Veröffentlichung der ersten Kommunikation zur neuen GAP im November angemahnt wurden. So wird von den Mitgliedstaaten zukünftig eine Bedarfsanalyse verlangt, die aufzeigen soll, bei welchen der neun verschiedenen Zielstellungen der EU auf nationaler Ebene Verbesserungsbedarf besteht. Dabei sollen auch verschiedene nationale Pläne, welche sich etwas aus den Naturschutzrichtlinien oder der Wasserrahmenrichtlinie ergeben, berücksichtigt werden. Auch müssen die Mitgliedstaaten eine begleitende strategische Umweltprüfung einreichen, welche die Umweltauswirkungen des gesamten nationalen Umsetzungsplans der GAP untersucht.

Trotz dieser Punkte müssen die Vorschläge insgesamt deutlich kritisiert werden und Skepsis ist angebracht, ob das von der Kommission versprochene höhere Niveau an Ambitionen im Umwelt- und Naturschutz auf diese Weise erreicht werden kann. Viele Punkte lassen etwa nach wie vor viel Spielraum zur Interpretation. So wird offen gelassen, ob sich die einzelnen EU-Länder für die Bedarfsanalyse und Umweltprüfung an eine einheitliche Methodik halten müssen. In Kombination mit der Möglichkeit, dass die Staaten ausgehend von ihrer Bedarfsanalyse einzelne EU-Zielvorgaben in ihrem Plan auslassen können, ist stark zu befürchten, dass der Umwelt- und Naturschutz nicht ausreichend gewürdigt wird. Stattdessen liegt ein großer Schwerpunkt des Vorschlags weiterhin auf den wenig effektiven und ineffizienten Direktzahlungen.

Auch bei der Definition der Zielmarken gibt der Vorschlag den Mitgliedstaaten einen sehr großen Handlungsspielraum. So wird den Ländern die Entscheidung zum Umfang der Anstrengungen im Umweltbereich weitestgehend selbst überlassen. Komplett fehlt zudem die Anforderung, dass die nationalen Umweltbehörden in diesen und andere Entscheidungsprozesse eingebunden werden müssen. Die bisherige Erfahrung, zum Beispiel beim Greening, zeigt jedoch, dass die EU-Länder bereits bei heute bestehenden Wahlmöglichkeiten, sich nicht für ambitionierte umweltpolitische Optionen entschieden haben. Da die nationalen GAP Pläne zudem jährlich angepasst werden können, besteht darüber hinaus die große Gefahr, dass die einzelnen Staaten zukünftig versuchen sich gegenseitig bezüglich der Umweltauflagen zu unterbieten und am Ende ein Niveau übrig bleibt, das noch unter dem heutigen liegt.

Ein ähnliches Problem betrifft auch die „Eco-Schemes“, welche für die Mitgliedstaaten freiwillig sind und bei welchen diese ebenfalls die Möglichkeit haben, die einzelnen Maßnahmen komplett frei selbst zu entwickeln. So bleibt fraglich, was von diesem Ansatz in der Realität tatsächlich übrig bleiben wird und ob die einzelnen EU-Länder diese wirklich umsetzen, anstatt auf die bisherigen pauschalen Direktzahlungen in der 1. Säule zu setzen.

Bezüglich der 2. Säule ist positiv zu bewerten, dass Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen werden. Unbekannt ist jedoch die Summe, welche zukünftig in die 2. Säule fließen soll. Sollte es aber bei einer ähnlichen finanziellen Ausstattung bleiben (gegenwärtig etwa 14 Milliarden pro Jahr), ist der Anteil von 30 Prozent eindeutig zu niedrig angesetzt. Unsere eigene Schätzung für den finanziellen Bedarf für allein die Umsetzung der Naturschutzrichtlinien kommt auf eine Summe von 15 Milliarden Euro pro Jahr in Europa (siehe hier). Auch hier wird die genaue Ausgestaltung und Implementierung von Maßnahmen an die Mitgliedstaaten delegiert, ohne Erklärung wie die Qualität derselben sichergestellt werden soll.

Fehlende Sanktionsmöglichkeiten und Blankschecks an nationale Regierungen

Zwar existiert wie eingangs erwähnt ein Mechanismus, um nachlässige Mitgliedstaaten zu sanktionieren. Eine Mischung aus vagen übergeordneten Zielen, nicht näher definierten Vorgaben für die Bedarfsanalyse und für die Setzung von Zielmarken durch die Länder einerseits und aus unklaren Qualitätsstandards für Maßnahmen selbst, lässt befürchten, dass dieser letztendlich zum Papiertiger mutiert. Die Erfahrung während der letzten Reform im Jahr 2013 hat zudem gezeigt, dass der auf den Kommissionsvorschlag folgende Abstimmungsprozess zwischen Europäischen Parlament und dem Rat der EU die Regelungen im Umweltbereich noch weiter verwässert hat. Aus Sicht des NABU ist deshalb eine genauere und eindeutige Definition der zukünftigen Beziehung zwischen der Kommission und den einzelnen Ländern bei der Gestaltung, Implementierung und Evaluation der nationalen Pläne unerlässlich. Ein größeres Maß an Subsidiarität und mehr Freiheit der Mitgliedstaaten darf eben nicht gleichbedeutend mit einem Blankoscheck an dieselben sein, ohne ausreichende Vorgaben, für was europäische Steuergelder letztendlich verwendet werden. Auch muss die finanzielle Ausgestaltung des Naturschutzes an den Bedarf angepasst sein, weshalb der NABU weiterhin einen jährlichen Betrag von mindestens 15 Milliarden Euro  innerhalb der GAP und dem nächsten EU-Haushalt (MFR) einfordern wird.

Wie eingangs erwähnt handelt es sich bei dem Text um einen Entwurf für die finalen Legislativvorschläge. Viele offene Fragen werden deshalb wohl erst am 29. Mai beantwortet werden können, wenn der endgültige Vorschlag durch die Kommission veröffentlicht wurde.

1 Kommentar

Carsten

02.05.2018, 12:03

und so lange Naturschutzmaßnahmen oder sogar Dienstleistungen, die Aufgaben des Landes oder des Staates beeinhalten, wie Lebensraumerhaltung oder Artenschutz gemäß FFH- oder Vogelschutzrichtlinie und auf öffentlichen Flächen stattfinden, diese von Landwirten durchgeführt werden, dann aber nicht bezahlt werden, sondern als Subventionen beantragt werden müssen und damit jegliches Risiko auf die Landwirte übertragen wird, wird Naturschutz weiter den Bach runtergehen. Siehe Weidetierhalter und Schäfer. Es wird Zeit, dass endlich ein eigener Naturschutzhaushalt implementiert wird, der nicht von der Landwirtschaftsverwaltung verteilt und kontrolliert wird.

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