Alarmierend: Der Zustand der europäischen Umwelt
Europäische Umweltagentur zeigt aber auch, dass Lösungen vorliegen!
Diesen Montag hat die Europäische Umweltagentur (EEA, das Pendant zum deutschen Umweltbundesamt auf EU-Ebene) ihren Bericht über den Zustand der Umwelt vorgestellt (Link hier). Dies macht die in Kopenhagen ansässige EU-Behörde turnusgemäß alle 5 Jahre. Und leider zeigt das Gesamtbild – trotz des laut Konservativen angeblich so ambitionierten – Europäischen Green Deals – keine Verbesserungen, vielfach stagniert der Zustand der verschiedenen Indikatoren oder hat sich gar verschlechtert.
Was steht im Bericht?
Zunächst zum Format: Die EEA hat für den Bericht Daten von 38 Ländern ausgewertet. Die Veröffentlichung besteht aus einem Haupt-Bericht, thematischen Briefings, und Faktenbögen zu den einzelnen Mitgliedstaaten der EU. Letztere sind aber eher wenig aussagekräftig, da sie nicht von der EEA erstellt wurden, sondern eine Interpretation der Entwicklung seitens der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten darstellen.
Schauen wir uns einmal ein paar Details an: Zusammenfassend hält der Bericht fest, dass seit dem letzten Bericht im Bereich Klimaschutz Fortschritte erzielt wurden, während das Bild im Bereich Verschmutzung und Kreislaufwirtschaft nicht eindeutig ist. Die größten Herausforderungen sieht der Bericht bei der Adressierung der Biodiversitätskrise und der Ökosystem-Zerstörung sowie bei der Klimaanpassung.
- Biodiversitätskrise: Der Bericht nimmt dabei auch kein Blatt vor den Mund was die Treiber angeht. So stellt er klar, dass der Biodiversitätsverlust zurückzuführen ist auf die anhaltende Belastungen durch nicht nachhaltige Produktions- und Konsumgewohnheiten, insbesondere im Bereich der Ernährung. Dem Bericht nach finden sich mehr als 80% der geschützten Lebensräume der EU in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand, wobei 60–70% der Böden degradiert sind (hier sind wir aber gespannt auf die Fortschreibung mit aktuelleren Daten durch den für 2026 angekündigten State of Nature Report der EEA). Gemessen an den bisherigen Trends wurde das für 2020 angestrebte Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und den Trend umzukehren, nicht erreicht.
- Landnutzungsbezogener Klimaschutz: Hier stellt der Bericht zum Beispiel fest, dass die Kohlenstoffsenken-Leistung der EU im Zusammenhang mit Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft im Vergleich zum letzten Jahrzehnt um etwa 30% zurückgegangen ist. Dies ist auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen wie alternde Wälder, häufigere und großflächigere Baumfällungen sowie die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels und schwerwiegender Naturkatastrophen.
Der Bericht hält weiter fest, dass die Zerstörung unserer natürlichen Umwelt unsere europäische Lebensweise und Qualität gefährdet. Gesunde Ökosysteme sind die Grundlage für die Nahrungsmittel- und Wasserversorgungssicherheit und liefern Rohstoffe, Wasser und Energie für die Produktions- und Verbrauchssysteme, die uns mit Nahrungsmitteln, Mobilität, Wohnraum, Energie und Gütern versorgen.
Warum ist der Bericht so gut und wichtig?
Der Bericht ist wichtig, weil er leider mehr denn je gebraucht wird. Das Alarmsignal ist deutlich: wir gefährden unser Überleben, und: Nicht-Handeln ist ökonomisch teurer als ambitionierter Umweltschutz! Gute Arbeit leistet der Bericht, weil er für Aufsehen sorgt. Der Bericht wurde nicht einfach veröffentlicht, sondern wird mit Launch-Events in verschiedenen Mitgliedstaaten vorgestellt. In Brüssel erfolgte dies beispielsweise durch eine Konferenz von der Dänischen Ratspräsidentschaft im Gebäude des Rates, an der ich teilnahm. Auch „Mainstream-Medien“ haben den Bericht aufgegriffen, in Deutschland findet sich z.B. ein Tagesschau-/ARD-Beitrag (hier).
Der Bericht sticht hervor, weil seine Ergebnisse eindeutig sind (auch wenn Wissenschaftler wohl argumentieren könnten, dass die von den Mitgliedstaaten vorgelegten Daten sogar zu optimistisch sind). Er identifiziert die wichtigsten Treiber (z. B. intensive Landwirtschaft, die üblichen Verdächtigen). Und vor allem weist er auch darauf hin, dass es für viele Probleme bereits Lösungen gibt. Dazu zählt etwa die Umsetzung der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur. Konkret sagt der Bericht, dass der Europäische Green Deal den wichtigen Paradigmenwechsel in Richtung Nachhaltigkeit brachte. Und dass die Umsetzung und Verwirklichung der im Rahmen des Europäischen Green Deals vereinbarten
gesetzgeberischen Vorhaben weiterhin Priorität bleiben muss. Soviel als Antwort auf die derzeitigen Angriffe auf den Green Deal.
Wie können wir den Bericht nutzen?
Wie können wir aber sicherstellen, dass dieser Bericht nicht wie viele andere in einer Schublade verschwindet, ohne den darin eindeutig geforderten Wandel voranzutreiben? Ein erster Schritt: Wir machen auf den Bericht aufmerksam (ergo auch dieser Blog-Beitrag). Bei dem Launch-Event, das von der dänischen EU-Ratspräsidentschaft ausgerichtet wurde, sprach beispielsweise auch der dänische Umweltminister, Vertreter*innen zahlreicher Mitgliedstaaten waren anwesend. Der Minister forderte mehr Anstrengungen von der Politik insgesamt, und verteidigte den Green Deal. Es ist für mich ermutigend zu sehen, dass es immer noch gewisse „Vorreiter“ gibt, die sich nicht der Polarisierung beugen, sondern die die Flagge für Umweltschutz weiter hochhalten.
Meiner Meinung nach reicht das jedoch nicht aus. Wir müssen damit beginnen, diejenigen, die für die Schädigung unserer Umwelt verantwortlich sind – die größten Umweltverschmutzer etwa, zu nennen und bloßzustellen. Wir dürfen uns dabei auch nicht scheuen, nicht-nachhaltige Praktiken in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft anzuprangern. Und wir müssen auch klar diejenigen benennen, die ehrgeizigere Umweltmaßnahmen blockieren (oder schlimmer noch, die bereits vereinbarte Standards etwa gegen Entwaldung oder für ein Verbrenner-Aus rückabwickeln möchten). Anders als in den Zeiten der ersten Kommission von Ursula von der Leyen ist es zunehmend die Mitte-Rechts-Partei (Europäische Volkspartei EVP) von Manfred Weber, die wissenschaftliche Warnungen (wie auch diesen Bericht der EEA) ignoriert. Medien, bitte über Kausalzusammenhänge berichten!
Was nun geschehen muss, um den Umweltzustand zu verbessern!
Wie können wir insgesamt den schlechten Zustand der Umwelt angehen? Meiner Meinung nach sind Handlungen auf mehreren Ebenen erforderlich:
- Regelungslücken schließen statt Umweltrecht abzubauen: Zunächst müssen wir die Angriffe auf das bestehende Umweltrecht stoppen. Dieses ist of eingespielt, bietet Rechts- und Planungssicherheit, und kommt mit entsprechender konkretisierender Rechtsprechung. Wir können es uns nicht leisten, dieses – auch unter dem Deckmantel der Vereinfachung – abzubauen. Stattdessen sollten wir die noch bestehenden Regelungslücken in den Umweltvorschriften schließen (z. B. fehlt es immer noch an effektiven Vorgaben zur Reduzierung von Pestiziden).
- Bestehendes Umweltrecht um- und durchsetzen: Außerdem müssen wir endlich das bestehende Umweltrecht ernst nehmen. Dieses ist ein guter Werkzeugkasten, um der Verschlechterung des Umweltzustands entgegenzutreten. Die überschaubare Zahl an EU-Umweltgesetzen wird aber oft jahrzehntelang nicht ernst genommen. Das wiederum führt zu kostspieligem Anpassungsdruck und macht weitere Gesetze nötig, die wir uns sonst schenken könnten. Gegen Vollzugsmängel helfen auch effektivere Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission. Diese müssen zeitnah und ohne wenn und aber geführt werden. Der Transparenz wegen sollten künftig alle Verfahrensschreiben veröffentlicht werden.
- Künftigen EU-Haushalt zur Transformation nutzen: Und klar, die Umstellung der Agrar-, Forst- und Fischereiwirtschaft kostet Mühe und Geld (Nicht-Umstellung allerdings auch, und schaufelt sich letztendlich selbst ihr Grab). Deswegen ist der kommende EU-Langfristhaushalt (MFR) unbedingt als Finanzierungsinstrument zu nutzen, um Anreize zu setzen und dauerhaft Geld für die Wiederherstellung der Natur bereitzustellen. Leider hat die EU-Kommission in ihren Vorschlägen dies nicht ausreichend berücksichtigt (siehe hierzu unseren NABU-Blog vom Juli). Noch aber können die Ko-Gesetzgeber, also Europäisches Parlament und vor allem Deutschland im Rat der EU hier nachsteuern. Dies ist meiner Ansicht nach das oberste Gebot der Stunde!
Lasst uns gemeinsam weiter daran arbeiten, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten!

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