Regierung lernt nicht aus alten Fehlern bei RED III-Umsetzung

Regierung lernt nicht aus alten Fehlern bei RED III-Umsetzung

Täglich grüßt das Murmeltier: Bereits 2024 bemühte sich die vorherige Regierung die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) jeweils für Wind an Land und auf See umzusetzen. Die RED III regelt, dass Umweltprüfungen bei der Genehmigung von erneuerbaren Energien in ausgewählten Gebieten, sogenannten Beschleunigungsgebieten entfallen. Entscheidend bei der Auswahl der Beschleunigungsgebiete ist aus Sicht des europäischen Gesetzgebers, dass ausschließlich ökologisch unkritische Gebiete ausgewählt werden und Behörden auf Grundlage vorhandener Daten wirksame Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Arten und Lebensräume anordnen können.  

Bei beiden deutschen Gesetzgebungsentwürfe hagelte es massive Kritik von verschiedenen Seiten und die Regierung zerbrach vor Abschluss der Gesetzesvorhaben. Bei Wind auf See trug maßgeblich der Widerstand eines Bündnisses aus Offshorewind-Betreibern und Naturschutzverbänden dazu bei, dass es zu keiner Verabschiedung kam.

Statt die umfangreichen Verbesserungsvorschläge aufzunehmen und die EU-Richtlinie wirksam und praktikabel in deutsches Recht zu übersetzen, legt die jetzige Regierung nun weitestgehend übernommene Entwürfe vor, die sich an verschiedenen Stellen sogar noch weiter von der EU-Vorgabe entfernen und Naturschutzrecht aushöhlen. Das ist umso problematischer, da eine ordentliche Beratung der Entwürfe wohl nicht erwünscht ist. In gerade einmal zwei Wochen wurde das Gesetz zur Umsetzung der RED III für Wind an Land vom Kabinettsbeschluss bis zur endgültigen Verabschiedung im Bundesrat durch das Verfahren gepeitscht und Teile des Gesetzesentwurf gar nicht konsultiert. 

Wie viel Beschleunigungsgebiete braucht es? 

Während die RED III bei Beschleunigungsgebieten davon spricht, dass Mitgliedstaaten „ausreichend homogene Land-, Binnengewässer- und Meeresgebiete ausweisen, in denen (erneuerbare Energien) voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen“ haben und damit kein konkretes Ziel zu Art der erneuerbaren Energie, Umfang und Ort (Land oder Meer) vorgibt, sollen nach Willen des deutschen Gesetzgebers Beschleunigungsgebiete zum neuen Standard werden.

Es steht außer Frage, dass gemäß RED III in gewissem Umfang Beschleunigungsgebiete ausgewiesen werden müssen. Allerdings ist in den deutschen Gesetzesentwürfen nicht sichergestellt, dass sie tatsächlich zur Beschleunigung beitragen und ausschließlich unkritische Flächen ausgewählt werden. So fügen sich, beispielsweise, die Umweltprüfungen bei Windenergie auf See zeitlich gut in die Prozesse aus vorausschauender Flächenauswahl und standardisierter Verfahren ein.

Durch Ausweisung von Beschleunigungsgebieten und dem entsprechenden Verlust von Umweltprüfungen ist dort kein Zeitgewinn zu erwarten und es drohen Unsicherheiten hinsichtlich einer rechtssicheren Umsetzung von Windparkvorhaben und entsprechenden Finanzierungsentscheidungen für die Windbranche aufzutreten. Ohnehin werden auf See Ausbauziele und zeitliche “Beschleunigungsvorgaben“ der RED III bereits mit etabliertem Planungssystem und rechtssicheren Umweltstandards erfüllt.  

Sicherheitsnetz für Einhaltung des Artenschutzrechts vergessen 

Auch wenn manche Akteure dies behaupten, hat die REDIII nicht das europäische Artenschutzrecht aufgelöst. Sie räumt lediglich klar abgegrenzte Ausnahmen ein, die nur unter Einhaltung bestimmter Leitplanken gerechtfertigt sind. Doch genau diese Leitplanken hat der deutsche Gesetzgeber nicht übernommen und riskiert damit eine EU-rechtskonforme Umsetzung.

Bei Wind an Land wird den Behörden kein Handlungsspielraum gelassen auch weitere ungeeignete Gebiete von der Ausweisung als Beschleunigungsgebiet auszunehmen. Zusätzlich sind die Ausschlusskriterien sowohl für an Land als auch auf See stark begrenzt, sodass die Ausweisung von Beschleunigungsflächen großes Konfliktpotential birgt. So zeigen aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse, dass bereits bestehende Beschleunigungsgebiete im Meer mit ökologisch hochrelevanten Flächen überlappen.

Auch das Überprüfungsverfahren bei der Genehmigung von Windenergieanlagen ist eher eine leere Hülle, wenn Behörden, die durch kurze Fristen und mehr Aufgaben bereits stark unter Druck stehen, anhand von veralteten und lückenhaften Umweltdaten Schutzmaßnahmen anordnen sollen.

Beteiligung nicht mehr vorgesehen 

Auch beim Thema Beteiligung fällt der deutsche Gesetzesentwurf hinter international verankerten Rechten zurück, z. B. der Arhus-Konvention. In vielen Fällen ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung nur sehr eingeschränkt vorgesehen – es müssen lediglich Unterlagen zu einem zu späten Zeitpunkt ausgelegt werden.

Bei Flächen, die bereits letztes Jahr ohne weitere Prüfung zu Beschleunigungsgebieten erklärt wurden, wird die Beteiligung in die Vergangenheit verschoben. Dadurch, dass Verbände zum Zeitpunkt der strategischen Umweltprüfung nicht wussten, dass keine weitere Beteiligung stattfinden wird und Umweltprüfungen auf Genehmigungsebene entfallen werden, findet im Prinzip gar keine Beteiligung mehr statt. 

Balance mit dem Naturschutz herstellen 

Die RED III fordert eine Verschneidung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit der Wiederherstellungsverordnung (Nature Restauration Law). Leider hat der deutsche Gesetzgeber die Chance verpasst sowohl die Verordnung als auch andere europarechtlichen Regelungen, die einen Ausgleich für den Naturschutz geschaffen hätten, z. B. den Solarstandard oder das Naturflächenbedarfsgesetz, in die Entwürfe zu integrieren.  

Naturschutz und Beschleunigung können Hand in Hand gehen. Dafür muss aber der Abbau von Umwelt- und Beteiligungsstandards gestoppt werden, Maßnahmen daran ausgerichtet werden, ob sie wirklich zur Zielerreichung der Beschleunigung beitragen sowie Planung und Gesetze durchdacht und klug vorangebracht werden. Es liegt jetzt an der Bundesregierung dieselbe Initiative, die sie bei der Beschleunigung der erneuerbaren Energien an den Tag legt, endlich auch für Verbesserungen beim Naturschutz einzusetzen und diese aufeinander abzustimmen.      

Von Rebekka Blessenohl (Referentin für erneuerbare Energien) und Dominik Auch (Referent für Offshore-Windenergie)

Rebekka Blessenohl

Referentin für erneuerbare Energien und Naturschutz

1 Kommentar

mario viggiani

21.07.2025, 17:58

Hi, spannender Beitrag – danke dafür! Früher hat man Themen wie Naturschutz, Klimaschutz oder Waldrodungen oft einfach hingenommen, ohne viel zu hinterfragen. Mit REDIII scheint die Politik jetzt endlich einen wirkungsvolleren Weg einschlagen zu wollen. Heute sind wir in solchen Fragen deutlich sensibler und informierter – was auch dringend nötig ist. Falls Interesse besteht, mal einen Gastbeitrag auf regenwald.online zu schreiben, melde dich gerne bei mir – ich würde mich sehr freuen! Viele Grüße aus Karlsruhe Mario https://www.regenwald.online

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