Bienenkonferenz mit Lücken im Programm

In einer gemeinsamen Pressemitteilung fordern NABU, DBIB und Aurelia-Stiftung vom BMEL mehr Glaubwürdigkeit beim Einsatz für Honigbienen und andere Insekten

Balanceakt: Honigbienen und andere Insekten finden auf intensiv bewirtschafteten Agrarflächen immer schlechtere Lebensbedingunen vor (NABU/Kathy Büscher).

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) sendet mit der „Internationalen Bienenkonferenz“, die heute und morgen in Berlin stattfindet, zwar ein richtiges Signal, indem die „Bedeutung der Biene und die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen“ zum Thema gemacht wird. Nicht nachvollziehbar ist indes, warum die intensive Landwirtschaft, die für den desolaten Zustand von Honigbienen und anderen Insekten wie Wildbienen und Schmetterlingen maßgeblich verantwortlich ist, weitgehend ausgespart wird. Über die Hälfte der in Deutschland vorkommenden Wildbienenarten sind bereits gefährdet, über 40 Prozent Prozent der heimischen Großschmetterlinge werden als ausgestorben oder gefährdet eingestuft. Die Rote Liste füllt sich.

„Leider verpasst Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt die Chance, den Hauptverursacher des alarmierenden Rückgangs der Wildbienen und anderer Insekten beim Namen zu nennen. Insekten gehen durch ausgeräumte Agrarlandschaften die Nahrungsgrundlagen und Nistplätze verloren und sie leiden unter dem nach wie vor viel zu hohen Einsatz von Pestiziden“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimke. Neben ihrer Bestäubungstätigkeit haben Insekten eine große ökologische Bedeutung: Sie minimieren den Schädlingsdruck und sind selber auch Nahrungsgrundlage, zum Beispiel für Vögel wie dem Goldammer oder Säugetiere wie der Feldspitzmaus. Damit dienen sie dem biologischen Pflanzenschutz und sorgen zugleich für den Erhalt des ökologischen Gleichgewichts.

Auch vom Vorsitzenden der Aurelia-Stiftung, Imkermeister Thomas Radetzki, kommt Kritik zur Konferenz: „Mit keinem einzigen Konferenz-Beitrag werden die Praktiken der konventionellen Landwirtschaft grundlegend in Frage gestellt. Fürsprecher einer Agrarwende kommen nicht zu Wort.“

Der Präsident des Deutschen Erwerbsimkerbundes (DBIB), Manfred Hederer, ergänzt: „Das BMEL will durch die Konferenz den Eindruck erwecken, als ob lediglich die Varroa-Milbe für das Bienensterben verantwortlich sei. Es ist unerträglich, dass weder kritische wissenschaftliche Studien noch die Erfahrungen der Praktiker angemessen gewürdigt werden. Sie zeigen, dass die Widerstandskraft unserer Bienenvölker durch die Intensiv-Landwirtschaft erheblich geschwächt und dadurch ihre Anfälligkeit für die Milbe gesteigert wird.“

Bestehende Handlungsspielräume nutzen

Statt sich mit Aktivitäten wie der Bienenkonferenz in ein positives Licht zu rücken und damit aus der Verantwortung zu ziehen, sollte der Bundesminister Schmidt lieber wirksame Lösungsansätze in die Wege leiten, die Honigbienen und anderen Insekten wirklich zu Gute kommen. Dafür stehen dem BMEL aus Sicht der Aurelia-Stiftung, des DBIB und NABU eine Reihe konkreter Möglichkeiten zur Verfügung, um den desolaten Zustand der Insekten zu verbessern:

  • Einsatz für eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik ab 2020! Das BMEL sollte damit aufhören, den Status quo aufrecht erhalten zu wollen.
  • Nutzung der noch in dieser EU-Förderperiode zu realisierenden Möglichkeit zur Umschichtung der Fördergelder in Höhe von 15 Prozent von der 1. in die 2. Säule! Nach wie vor werden vom BMEL selbst kleinste Umschichtungen der Fördergelder blockiert.
  • Durchsetzung eines grundsätzlichen Verbotes des Pestizideinsatzes auf ökologischen Vorrangflächen (ÖVF)! Auch die Auswahlmöglichkeiten der Flächenkatagorien zur Umsetzung von ÖVF sollte durch das BMEL stärker gesteuert werden! Deren ökologische Wertigkeit ist bisher nur marginal: Allein in 2016 wurden auf 81 Prozent der ÖVF Zwischenfrüchte und stickstoffbindende Pflanzen angebaut, die nur wenig Mehrwert für bestäubende Insekten haben.
  • Stärkere Förderung des ökologischen Landbaus! Auf Öko-Flächen wird auf den Pestizid-Einsatz von Pestiziden gänzlich verzichtet. Gerade mal 6,5 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche werden nach Öko-Kriterien bewirtschaftet.
  • Im Rahmen des nationalen Pestizid-Zulassungsverfahrens sollten ökologische und ökotoxikologische Belange sowie negative Synergieeffekte, die durch gleichzeitigen Einsatz verschiedener Pestizide in einer Kultur entstehen können, stärker berücksichtigt werden! Darüber hinaus sollten bei der Risikobewertung nicht nur einzelne Pestizid-Anwendungen, sondern auch die negativen Effekte untersucht werden, die durch wiederholten Pestiziden-Einsatz entstehen können! Daneben sollte die Analyse subletaler Effekte wie Orientierungsstörungen bei solitär lebenden Bestäubern und Honigbienen in die Risikobewertung mit einfließen!
  • Konkrete und verbindliche Reduktionsziele für den Pestizideinsatz in Deutschland sollten definiert werden!
  • Ein Verbot von Pestiziden auf privaten und öffentlichen Flächen!
  • Unterstützung und Durchsetzung des jüngsten Vorschlags der EU-Kommission eines vollständigen Verbotes von besonders bienenschädlichen Neonikotinoiden!
  • Förderung eines dauerhaften, bundesweiten und repräsentativen Insekten-Monitorings!

Dass Landwirte, Verbraucher und Natur eine bessere Landwirtschaftspolitik verdient haben und die Notwendigkeit dafür von einer breiten Öffentlichkeit eingefordert wird, zeigt derzeit die LivingLand-Initiative (www.living-land.de), die vom NABU und weiteren Organisationen vor dem Hintergrund der laufenden EU-Konsultation zur EU-Agrarpolitik ins Leben gerufen wurde und u.a. von der Aurelia-Stiftung und dem DBIB unterstützt wird.

Für Rückfragen:

Till-David Schade, NABU-Referent für Biologische Vielfalt, till-david.schade@NABU.de

Manfred Hederer, Präsident des Deutschen Erwerbsimkerbundes (DBIB), manfred.hederer@berufsimker.de

Thomas Radetzki, Imkermeister und Vorstand der Aurelia-Stiftung, thomas.radetzki@aurelia-stiftung.de

Till-David Schade
Letzte Artikel von Till-David Schade (Alle anzeigen)

2 Kommentare

Guenter Trageser

29.03.2017, 18:04

Es wird sich nichts ändern, solange bei der Aufarbeitung der Probleme die Verursacher verschont werden. Das gilt für den Artenschutz allgemein. Was passiert landesweit mit unserem Trinkwasser? Zu fordern ist ein schonungsloser Hinweis auf die industrielle Landwirtschaft sowie ihrer Lobbyisten.

Antworten

agridaten

20.09.2021, 11:32

Vielen Dank für den interessanten Artikel.

Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte bleibe höflich.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht und Pflichtfelder sind markiert.