Insektenrückgang in den Niederlanden

Wer weiß, wo sie sonst noch liegen, die Datenschätze vergangener Jahrzehnte! Zumindest in den Niederlanden hat man nun einen weiteren ausfindig gemacht, ihn analysiert und ausgewertet. Angeregt von der Naturschutzorganisation Natuurmonumenten, veröffentlichten bereits im Mai diesen Jahres Wissenschaftler u.a. der Radboud-Universität Nijmegen und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) die Studie Analysis of insect monitoring data from De Kaaistoep and Drenthe. Die alarmierenden Befunde könnten auch in unserem Nachbarland Gesellschaft und Politik wachrütteln. Hierzulande hat man die Studie noch nicht registriert. Dabei täten wir gut daran, schließlich wird wiederholt deutlich, dass der Insektenrückgang kein lokales Phänomen ist, das vor Landesgrenzen Halt macht. Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst.

Individuenzahlen von Köcherfliegen, Laufkäfern und Nachtfaltern stark rückläufig

Lage der beiden Untersuchungsgebiete. Quelle: openstreetmap.org (bearb.)

In den Naturschutzgebieten bei De Kaaistoep und Drenthe – beide überwiegend geprägt durch Heidelandschaft und Grünland – wurden durch Biologische Stationen in den letzten Jahrzehnten umfangreiche Insektenzählungen durchgeführt. Mittels Lichtfallen (De Kaaistoep) und Bodenfallen (Drenthe) wertete man die Individuenzahlen mehrerer Insektenordnungen aus. Durch die Einberechnung von Wetterdaten konnte eine Korrelation zwischen Wetter und Insektenfängen ausgeschlossen werden.

Lichtfalle (links) und ansitzende Insekten (rechts). Fotos: Paul von Wielink

In De Kaaistoep flossen die Lichtfallen-Auszählungen von über 628 Nächten (durchschnittlich 30 Nächte pro Jahr) mit ein, die seit 1997 bzw. 2009 vorgenommen wurden. Die Zählungen wurden nach Sonnenuntergang durchgeführt und dauerten zwischen 1-6 Stunden. Für die Auswertungen in Drenthe wertete man insgesamt 7778 Bodenfallen-Fänge aus, die seit 1986 an 48 Orten gewonnen wurden.

In De Kaaistoep wurden besonders starke durchschnittliche Rückgänge pro Jahr bei Köcherfliegen (seit 2009-2017 um 9,2 %), Nachtfaltern (seit 1997-2017 um 3,8 %) und Käfern (seit 1997-2017 um 5 %) festgestellt. Unter den Käfern sind maßgeblich Lauf- und Marienkäfer rückläufig, wobei die Anzahl an Aaskäfern sogar leicht gestiegen ist. Die Bestände der Schnabelkerfen (darunter Wanzen und Rundkopfzikaden) erwiesen sich als stabil, die Fänge von Netzflüglern und Eintagsfliegen konnten nicht ausgewertet werden. Insgesamt sind bei fast 40 % aller gefangenen Arten Individuen-Rückgänge zu verzeichnen.

Bodenfalle in Drenthe. Foto: Rikjan Vermeulen

Da die meisten Läufkäfer-Arten nicht durch Lichtfallen angezogen werden, sind die mittels Bodenfallen gemessenen Laufkäferbestände in Drenthe weitaus relevanter als in De Kaaistoep und durchaus repräsentativ für die gesamte Niederlande. In Drenthe wurden Fänge aus den Jahren 1986-2016 ausgewertet und 158 unterschiedliche Arten bestimmt. Der durchschnittliche Rückgang pro Jahr beträgt dabei 4,3 %, wobei sich dieser seit 1995 mit jährlich 5,6 % nochmal verstärkte. Insgesamt sind die Individuenzahlen von nahezu 38 % aller Laufkäfer-Arten gesunken.

Verluste an Insekten-Biomasse auf ähnlichem Niveau wie in Deutschland

Da bis dato keine Gewichtsmessungen der Fallenfänge vorgenommen wurden, schätzte man für Nachtfalter (De Kaaistoep) und Laufkäfer (Drenthe) die Biomasse pro Fallenfang auf der Grundlage anerkannter durchschnittlicher artenspezifischer Längenmessungen. Für Nachtfalter nutzte man ein Masse-Längen-Verhältnis für Schmetterlinge, für Laufkäfer ein Masse-Längen-Verhältnis für terrestrische Insekten. Um die Ergebnisse mit jenen aus Deutschland vergleichen zu können, wurden die jährlichen Biomassen auf einen Zeitraum von 27 Jahren extrapoliert.

Demnach beträgt der jährliche durchschnittliche Biomasseverlust für Nachtfalter 3,3 % (61 % hochgerechnet auf 27 Jahre) und für Laufkäfer 1,99 % (seit 1995 sogar 4,1 %) (42 % hochgerechnet auf 27 Jahre, ab 1995 hochgerechnet auf 27 Jahre sogar 67,3%).

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse sind mit jenen der Krefelder Entomologen nicht vergleichbar, da keine Daten zu tagaktiven Insekten vorliegen und die Fänge aus den Licht- und Bodenfallen andere Arten(anzahlen) generieren als Malaise-Fallen, auf deren Grundlage die deutschen Biomasse-Ergebnisse beruhen.

Nichtsdestotrotz schlussfolgern die Wissenschaftler, dass der Insektenrückgang auch in den Niederlanden alarmierend ist. Folgerichtig wird deshalb die Einführung weiterer Monitorings gefordert, um mehr Erkenntnisse über Zustand, Gefährdungsursachen und Möglichkeiten des Schutzes der Entomofauna in den Niederlanden zu erhalten.

Was die Gefährdungsursachen anbelangt, ist auch in den Niederlanden eine Verbindung zur intensiven Landwirtschaft wahrscheinlich, die sich auch auf Insekten in Naturschutzgebieten auswirken könnte (auch die beiden Untersuchungsgebiete befinden sich in unmittelbarer Nähe zu landwirtschaftlichen Flächen): Über die Hälfte des Landes wird landwirtschaftlich oder gartenbaulich genutzt. Einhergehend mit dem Höfesterben, nimmt die durchschnittliche Feldgröße weiter zu, was unweigerlich mit einem Verlust an strukturgebenden Elementen wie Ackerrandstreifen oder Feldgehölzen einhergeht. Die Abnahme von Dauergrünland könnte ein weiterer Grund des Verlustes potentieller Lebensräume für Insekten sein, welches seit 1980 um fast 40 % zurückgegangen ist. Im gleichen Zeitraum hat sich die Fläche intensiv genutzten Weidelands verfünffacht. Auch am massiven Pestizideinsatz lässt sich ablesen, dass Insekten in den Niederlanden einem starken ökotoxikologischen Druck ausgesetzt sind: Gemessen am Verbrauch pro Hektar, liegen die Niederlande EU-weit an dritter Stelle (nach Malta und Zypern).

Auch die Biodiversität in den Niederlanden ist eng mit dem Zustand der Agrarlandschaften verwoben. Was für die Bundesrepublik zutrifft, gilt auch hier: Echte Fortschritte für die Natur sind nur durch grundlegende Veränderungen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik zu erreichen.

Köcherfliegen, Nachtfalter und Laufkäfer auch in Deutschland bedroht

Rotkragen-Köcherfliege (Halesus rubricollis). Foto: Horst Schlüter

Amethysteule (Eucarta amethystina). Foto: Andrej Makara

Dunkelblauer Laufkäfer (Carabus intricatus). Foto: Werner Kunz

Laut Roter Liste Deutschlands ist bei den Insektengruppen, die in den Niederlanden untersucht wurden, hierzulande ebenfalls ein Bedrohungsstatus festzustellen. So bei den Köcherfliegen: Bundesweit kommen rund 315 Arten vor, wovon mindestens 27 % gefährdet bis ausgestorben sind. Zu den Nachtfaltern ist keine generelle Aussage zu treffen, da sie offiziell kein Taxon bilden (und übrigens auch nicht ausschließlich nachtaktiv sind). Sie stellen etwa zwei Drittel der in Mitteleuropa vorkommenden Schmetterlingsarten und sind in ein Dutzend Familien aufgeteilt, darunter die Eulenfalter: Von den rund 550 heimischen Arten sind mindestens 31 Prozent gefährdet bis ausgestorben. Laufkäfer, die in der Bundesrepublik etwa 580 Arten stellen, haben ebenfalls einen schlechten Stand: Von ihnen sind mindestens 35 % gefährdet bis ausgestorben.

Till-David Schade
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1 Kommentar

Beatrice Sippel

04.09.2019, 13:48

Schuld am Insektensterben sind auch Gartenpflanzen von unseren lieben Nachbarn, den Holländern!!! Sie manipulieren die Pflanzen genetisch so, dass die Insekten erst gar nicht dran gehen. Das gilt besonders für Blütenpflanzen, hier riechen die Bienen zum Beispiel gleich, dass etwas faul ist und besuchen die Pflanzen erst gar nicht! Danke liebe Holländer! Eine weitere Schuld liegt natürlich bei den Bauern! Gülle, Glyphosate, Neonikotinoide und Co. werden übermäßig genutzt und auf Viehweiden wächst nichts Anderes als Gras! Dabei gibt es so viele Blütenpflanzen, die den Tieren absolut nicht schaden, man müsste sich nur mal informieren!!! Selbst auf den geforderten "Randstreifen" neben Feldern wächst kaum was außer Gras und sie sind nicht wie gefordert 1m breit sondern oftmals höchstens 50cm breit! Wo sollen Wildbienen und andere Nektarsaugende Insekten wie Wespen, Schwebfliegen, Schmetterlinge, etc ihre Nahrung nehmen??? Danke, liebe Bauern! Auch der extreme "Mähwahn" in Deutschland lässt Insekten und andere Tiere Sterben!!! Insekten fehlen die Blüten und andere Tierchen sterben durch die Klingen der Mäher! Ungenutze Wiesen, Streuobstwiesen und andere Grasflächen an Straßenrändern müssten nur einmal im Jahr gekürzt werden und zwar Ende Oktober oder auch überhaupt nicht! Raupen können sich nicht verpuppen und dadurch gibt es keine Schmetterlinge! Das führt ebenso zum Massensterben! Danke liebe Kommunen und Bauern! Mit freundlichen Grüßen Sippel

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