Superjahr 2020: Verhandlungen zum Schutz der Biologischen Vielfalt gestartet
Die Verhandlungen zum Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (CBD) im Vorfeld der 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP15) sind bereits in vollem Gange. Diese Woche treffen sich Vertreter der Vertragsstaaten und Beobachterorganisationen zum zweiten Mal in einer offenen Arbeitsgruppe (Open Ended Working Group, OEWG).
Das Treffen findet in den Räumlichkeiten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom statt und nicht wie ursprünglich geplant im chinesischen Kunming. Grund dafür war die Verbreitung des Corona-Virus in China (wovon mittlerweile allerdings auch Italien nicht mehr verschont geblieben ist). Das Interesse an dem Treffen ist groß: Über 1000 Teilnehmer aus mehr als 140 Ländern sind angemeldet, darunter neben den Delegationen der Vertragsstaaten hunderte Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für den NABU ist unser Dachverband BirdLife International vor Ort. Auch Vertreter von 32 Unternehmen sollen nach Angaben der Veranstalter anwesend sein. Die Diskussionen haben am Montagmorgen begonnen und dauern noch bis zum Samstag, den 29.02. an.
Worum geht es bei dem Treffen?
Im Mai 2019 veröffentlichte der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) einen alarmierenden Bericht über den Zustand der Biologischen Vielfalt. Gleichzeitig geht die Zehnjahresstrategie 2011-2020 der CBD zu Ende – mit ernüchterndem Ergebnis. Die meisten der darin festgelegten Aichi-Ziele werden voraussichtlich bei weitem nicht erreicht werden. Bis zur COP15 soll eine neue Strategie für die Zeit nach 2020 verabschiedet werden. Im Januar wurde der erste Entwurf eines globalen Rahmenabkommens über die Biologische Vielfalt (Global Biodiversity Framework) veröffentlicht, der sogenannte „Zero Draft“.
Die wissenschaftliche Grundlage des Entwurfs bildet der IPBES Bericht, außerdem flossen Ergebnisse aus dem ersten Treffen der Open Enden Working Group in Nairobi und weiteren Konsultationen ein. Dieser Zero Draft bildet in Rom die Diskussionsgrundlage und wird im Laufe der Verhandlungen weiter angepasst. Das Treffen ist ein wichtiger Schritt im Verlauf der Verhandlungen und wird mit darüber entscheiden, ob das Abkommen in der Lage sein wird den Erhalt und die Wiederherstellung der Biodiversität weltweit zu sichern.
Der Hauptfokus der Verhandlungen in Rom soll auf den neuen Zielen für 2030 und 2050 sowie den „Action Targets“ (konkreteren Maßnahmen) liegen. Darin werden beispielsweise die Reduktion der Treiber des Biodiversitätsverlustes angesprochen, wie z.B. Land- und Meeresnutzung, aber auch Umweltverschmutzung und Klimawandel. Die Diskussionen dazu haben gestern Abend begonnen und dauern den heutigen Tag über an.
Was sind unsere Erwartungen an das Treffen?
- Das Ambitionsniveau sollte nicht hinter dem Strategischen Plan 2010-2020 zurückfallen und sich an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren (IPBES-Bericht), damit weiterer Verlust von Biodiversität verhindert und der Zustand von zahlreichen Ökosystemen verbessert wird.
- Schutzgebiete an Land und auf dem Meer müssen weiter ausgeweitet werden – der Zero Draft schlägt jeweils 30% vor, was wir grundsätzlich begrüßen. Noch wichtiger ist jedoch, dass die Qualität der Schutzgebiete sichergestellt wird, mit effektiven Maßnahmen. Dafür ist es auch wichtig, dass die Vertragsstaaten die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.
- Die Treiber für den Biodiversitätsverlust müssen noch klarer adressiert, die Handlungsmaßnahmen weiter ausgearbeitet und Indikatoren festgelegt werden. Für den Bereich Landwirtschaft ist dies noch sehr unkonkret. Hierzu gehört auch ein sofortiger Abbau biodiversitätsschädigender Subventionen und Anreize. Die Renaturierung von natürlichen, vielfältigen Ökosystemen ist eine essentielle Maßnahme um sowohl die Klima- als auch die Biodiversitätskrise zu lösen. Die Formulierung dazu im Zero Draft ist noch verbesserungswürdig.
- Eine ausreichende Finanzierung der Maßnahmen, die für das Erreichen der Biodiversitätsziele nötig sind, muss sichergestellt werden. Dies bedeutet, dass deutlich mehr finanzielle Ressourcen als bisher zur Verfügung stehen müssen. An dieser Stelle sehen wir insbesondere die reichen Länder – und somit auch Deutschland und Europa in der Pflicht.
- Die Vertragsstaaten sollten verbindliche Umsetzungs-, Rechenschafts- und Monitoringmechanismen müssen erarbeiten. Es ist wichtig, möglichst konkrete Indikatoren zu erarbeiten, um den Fortschritt der einzelnen Vertragsstaaten messen zu können. Der aktuelle Zero Draft greift an der Stelle noch zu kurz.
Weitere Hintergrundinfos dazu gibt es auch auf den Webseiten vom NABU und BirdLife International.
Wir bleiben dran!
Was werden die Haupt-Diskussionspunkte bei den Verhandlungen in Rom sein? Wer treibt ein ambitioniertes Abkommen voran und wer blockiert? Werden Deutschland und die EU ihren eigenen Ansprüchen einer progressiven Position gerecht? Mit diesen Fragen im Hinterkopf werden wir die Verhandlungen in den nächsten Tagen weiter verfolgen und am Ende Bilanz ziehen. Einige Teile des Treffens werden übrigens live übertragen – schauen Sie rein!
2020 – Superjahr der Artenvielfalt: In diesem Blog berichtet der NABU über die Verhandlungen zu einem globalen Abkommen über den Schutz der Biologischen Vielfalt (CBD). Wir berichten und kommentieren, wie Deutschland, Europa und die Welt neue Biodiversitätsstrategien für das kommende Jahrzehnt aufstellen.
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