Treiber des Biodiversitätsverlusts begünstigen auch Pandemien

Der neue Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Pandemien wie Covid-19 und dem Erhalt der Biodiversität und Klimaschutz. Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität helfen auch, Pandemien vorzubeugen.

Entwaldung. Copyright: IPBES.

Was begünstigt Pandemien?

Laut dem am 29.10.2020 veröffentlichten Bericht wurden mehr als 30 Prozent der seit 1960 weltweit aufgekommenen Infektionskrankheiten durch Landnutzungsänderungen verursacht. Zu diesen Landnutzungsänderungen zählen Entwaldung, Ausdehnung und Intensivierung der Landwirtschaft und Nutztierhaltung aber auch Ressourcenextraktion. Die gleichen Aktivitäten stellen auch die größten Treiber des globalen Biodiversitätsverlusts dar. Durch Habitat Fragmentierung, die Homogenisierung der Landschaft sowie den vermehrten Kontakt zwischen Menschen, Wildtieren und Nutztieren erhöht sich auch das Risiko der Übertragung von Krankheitserregern.

Für Industrieländer wie Deutschland stufen die Wissenschaftler zahlreiche Konsumpraktiken als „Aktivitäten mit hohem Pandemie-Risiko“ ein. Dazu gehört der Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten. Ebenso der Handel und Konsum von Produkten wie Palmöl, Zuckerrohr, tropischem Hartholz und seltenen Erden für Elektronikartikel. Und nicht zuletzt der Handel mit Wildtieren und deren Nutzung als Haustiere.

Intensive Tierhaltung. Copyright: IPBES.

Wie können Pandemien vorgebeugt werden und was kostet das?

Das Risiko von Pandemien lässt sich durch den Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität reduzieren. Dazu gehört einerseits das effektive Management von Schutzgebieten. Andererseits braucht es Maßnahmen, die den Erhalt und die nachhaltige Nutzung von Ökosystemen in Land- und Forstwirtschaft sicherstellen.

Momentan fokussieren sich Regierungen aber vor allem darauf, Pandemien nach ihrem Ausbruch einzudämmen. Laut Forscher*innen sollte in Zukunft der Schwerpunkt auf die Vorbeugung von Pandemien gelegt werden. Das ist auch wirtschaftlich gesehen deutlich günstiger: Die Autor*innen schätzen, dass die Kosten der Prävention von Pandemien 100 mal geringer sind als die Kosten der Bekämpfung von Pandemien.

Zur Einordnung: Das nötige Finanzvolumen für den globalen Biodiversitätsschutz liegt bei geschätzten 78 – 91 Milliarden US Dollar im Jahr. Die durchschnittlichen Kosten zur Pandemiebekämpfung hingegen liegen bei mehr als einer Billion US Dollar pro Jahr. Und COVID-19 setzt noch einen drauf: Die Kosten der Pandemie belaufen sich geschätzt auf bis zu 16 Billionen US Dollar (mit drei bis sechs Monaten Social Distancing und Reisebeschränkungen).

Die zentrale Emfpehlung der Forscher*innen ist letztlich, die transformativen Veränderungen herbeizuführen, die sie bereits in dem letzten großen globalen Bericht vorschlugen. (siehe IPBES Global Assessment). Dazu gehört der Erhalt und die Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemprozessen. Aber auch die Treiber des Biodiversitätsverlusts müssen adressiert und ein nachhaltiger Nutzen sichergestellt werden.

Regenwald. Foto: Clare Kendall.

Was heißt das für die Biodiversitätspolitik?

Der Bericht zeigt: Die Integration von Biodiversitätsbelange in alle politischen Bereiche ist nötig. Nur so lassen sich Synergien finden und Politik-Kohärenz herstellen.

Im neuen globalen Rahmenabkommen zur Biodiversität werden die Treiber des Biodiversitätsverlusts bisher nicht ausreichend adressiert (aktueller Entwurf des Verhandlungsdokuments hier). Deutschland und die EU sollten sich in den Verhandlungen dafür einsetzten, dass die Erkenntnisse und Forderungen der Forscher in dem Abkommen besser reflektiert sind. Dass der IPBES-Bericht einen guten Rahmen vorgibt, um den nötigen transformativen Wandel zu starten hatte zuletzt sogar Angela Merkel unterstützt (weitere Informationen dazu hier) .

Die wichtigste Stellschraube, um den Wandel in der EU und in Deutschland politisch anzuschieben ist neben der Handels- und Finanzpolitik natürlich die Landnutzungspolitik. Doch in der EU-Agrarpolitik droht derzeit ein Szenario mit weiteren pauschale Flächenprämien für die nächsten sieben Jahre (aktueller Verhandlungsstand siehe hier). Dies würde den Biodiversitätsverlust in der Agrarlandschaft weiter befeuern. Die EU-Kommission könnte ihren Vorschlag allerdings noch zurück ziehen und Kohärenz zum EU Green Deal herstellen.

Der optimale Zeitpunkt zu handeln ist jetzt, das zeigen auch die Forschungsergebnisse: Die Häufigkeit neuer Pandemieausbrüche nimmt zu, genauso wie sich Klimawandel und Biodiversitätsverlust weiter beschleunigen. Ist ein bestimmter Punkt erst einmal überschritten, wird es extrem schwierig oder unmöglich die nötigen Veränderungen noch herbeizuführen.

2020/2021 – Superjahr der Artenvielfalt: In diesem Blog berichtet der NABU über die Verhandlungen zu einem globalen Abkommen über den Schutz der Biologischen Vielfalt (CBD). Wir berichten und kommentieren, wie Deutschland, Europa und die Welt neue Biodiversitätsstrategien für das kommende Jahrzehnt aufstellen.

3 Kommentare

Ute Hasenbein

31.10.2020, 11:23

Ich füge nachstehend einen Kommentar ein, den ich vor einem Monat an anderer Stelle (es ging um unser Allgemeingut Grund-/Trinkwasser) geschrieben habe, denn er passt auch hier: "Es ist schon bemerkenswert, dass für die Folgen von Corona Milliarden ausgeschüttet werden, um Konzerne zu retten und das mit einer Schnelligkeit, die bei anderen höchst wichtigen Themen nicht gegeben ist. Zudem werden hier fast ausschließlich SYMPTOME bekämpft, nicht die URSACHEN! Der Klimawandel mit all seinen schwerwiegenden Folgen - auch was unser Grund-/Trinkwasser betrifft - erfordert mindestens ein ebenso schnelles und beherztes Handeln, denn er ist das Symptom der Misswirtschaft mit den Ressourcen unserer Erde. Und genau mit dieser Misswirtschaft wurde der Grundstein gelegt für Armut, Mangel, Verlust an Lebensräumen, Kriegen, Flucht und für Pandemien! Wann in Gottes Namen schlägt diese Erkenntnis endlich ein und sorgt dafür, dass die Verursacher nicht mehr den Hintern hinterher getragen kriegen sondern radikal in die Pflicht genommen werden! Es reicht!!! Schluss mit lustig!!!" Es ist schön, meine Einschätzung der Lage durch obigen Bericht bestätigt zu sehen. Nicht schön ist, dass der Ernst der Lage an entscheidender Stelle verkannt, ja ignoriert wird. Die Gier kennt nicht nur keine Grenzen sondern auch keine Vernunft. Was sagt eigentlich Frau von der Leyen dazu, dass Frau Klöckner den Green Deal als "Vision" der EU-Kommission abtut? Für mein Verständnis ist der von Frau von der Leyen ausgerufene Green Deal eine Zielvorgabe, auf die hingearbeitet werden sollte. In welcher Position glaubt Frau Klöckner sich zu befinden, dass sie meint, sich darüber stellen zu dürfen?

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Bürger von Limburg

07.11.2020, 20:24

Frau Klöckner hat für mich überhaupt keine Visionen. Alle großen Ankündigungen von ihr sind leider nur Maßnahmen auf freiwilliger Basis.Wenn ich als Ministerinn immer nur dijenigen die am meisten jammern und schreien bediene,kommt nichs vernünftiges dabei herraus. Sie agiert genauso wie ihre Vorgänger .Immer schön die Lobbyisten bedienen und die Natur und die kleinen und mittleren Landschaftlichen Betriebe an die Wand fahren lassen.

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Monika Scharf

13.01.2021, 09:07

Das was Frau Ute Hasenbein und die Bürger von Limburg kommentieren trifft den Nagel auf den Kopf und man könnte es nicht besser sagen. Dem kann ich mich nur anschließen!

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