Attacken gegen NGOs sind Angriffe auf die Demokratie!

NABU-Flagge vor Bundestag. Foto: NABU

Eine persönliche Einordnung der aktuellen Debatte auf EU-Ebene und in Deutschland

Ende 2024 startete in Brüssel ein Angriff auf EU-Umweltverbände einschließlich unserer Netzwerke BirdLife Europe und dem Europäischen Umweltbüro (EEB). In den letzten Wochen häuften sich dann auch in Deutschland (mal wieder) kritische Stimmen gegen Nichtregierungsorganisationen („NGOs“). In diesem Beitrag möchte ich die aktuellen Angriffe mit meinen Einblicken in die Brüsseler Umweltverbandsarbeit einordnen und Euch aufrufen, diese nicht leichtfertig hinzunehmen. Weiterer Druck auf die Zivilgesellschaft dürfte nach der Bundestagswahl drohen.

Was passiert gerade in Brüssel?

Konservative Kräfte veranstalten derzeit eine regelrechte „Jagd“ auf europäische NGOs, wie sie zuvor nur von (rechts-)populistischen Abgeordneten bekannt war. Anknüpfungspunkt ist das LIFE-Programm der EU-Kommission. Dieses wurde bekanntlich zur Förderung von Natur- und inzwischen auch Klimaschutzprojekten geschaffen, und macht lediglich 0,3 % des EU-Haushaltes (MFR) aus (und hinterlässt damit immer noch eine immense Finanzierungslücke im Naturschutz, weswegen der NABU mit BirdLife ein eigenständiges Finanzierungsinstrument etwa zur Umsetzung der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur fordert). Gemeinsam mit anderen Partnern führt der NABU Bundesverband dank LIFE beispielsweise ein Projekt zur Wiederherstellung von Mooren durch (LIFE Multi Peat).

Ein Bruchteil des LIFE-Programms, nämlich 0,006 % des MFR, wird von der EU-Kommission für sogenannte „operating grants“ von EU-NGOs vergeben. Hintergrund ist das Ungleichgewicht zwischen kommerziell agierenden Industrie- und Unternehmensakteuren und den regelmäßig Gemeinwohlinteressen vertretenden NGOs, die mit ihren Aktivitäten des Natur- und Klimaschutzes keinen Gewinn erwirtschaften. Die Förderung durch die Kommission erfolgt nach einheitlichen Kriterien und wird von der Kommission regelmäßig überprüft (siehe auch diesen Beitrag von Lobbycontrol).

Auch das Europäische Parlament hatte vor Inkrafttreten des MFR, genau wie der Rat, der aktuellen LIFE-Verordnung und damit dieser gesetzlichen Festlegung zugestimmt. Gleichwohl starteten Ende des Jahres Abgeordnete der vom CSU-Politiker Manfred Weber geführten Europäischen Volkspartei, federführend unter anderem die CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier, gemeinsam mit Rechtsaußen-Abgeordneten beispielsweise der EKR-Fraktion, einen Angriff auf genau diese „operating grants“. Dabei wird in den Medien mit falschen Vorwürfen agiert, etwa dass die Kommission die NGOs in den Fördervereinbarungen verpflichte, Kommissions-Interessen auch auf dem Klageweg durchzusetzen (so etwa die hetzerische Darstellung in Europe.Table). Die zum Springer-Konzern gehörende Medienplattform Politico, also unverdächtig, gemeinsame Sache mit den NGOs zu machen, hat die Fördervereinbarungen eingesehen und die Vorwürfe zurückgewiesen (hier der Politico-Faktencheck).

Darstellung Nebeneinkünfte von MdEBs / Transparency International

Dass es der CDU/CSU bzw. EVP nicht um Transparenz und Lobby-Regulierung geht, und die Debatte insofern einseitig und verzerrt ist, zeigt auch der folgende Punkt: Pikanterweise erhält Monika Hohlmeier laut Hinweisen von Transparency International 75.000 Euro jährlich für ihre Aufsichtsratstätigkeit in der landwirtschaftsnahen BayWa AG, weitere konservative Abgeordnete erzielen für Bauernverbands-Tätigkeiten neben ihrem Mandat ebenfalls mehr als 50.000 Euro jährlich, und insgesamt führen konservative Politiker*innen die Liste der Spitzen-Nebeneinkünfte neben ihrem Mandat an (vergleiche die Erklärung der MdEPs zu ihren Nebeneinkünften bzw. auch diese Darstellung bei Transparency International).

Damit ist offensichtlich, dass hinter dem Angriff der Versuch steht, die aus rechtskonservativer Sicht unbequemen Akteure der Zivilgesellschaft, die sich für mehr Natur- und Klimaschutz bzw. den Europäischen Green Deal einsetzen, zu schwächen oder gleich ganz abzuwickeln. Weitergehend steckt hinter den Angriffen das machtpolitische Ziel, die kritische Zivilgesellschaft zu diskreditieren und von der Willensbildung auszuschließen. Der Direktor unseres Dachverbands BirdLife Europe warnt vor Verhältnissen, in denen nur noch Menschen wie Putin oder Musk von der Politik gehört werden (hier der Meinungsbeitrag von Ariel Brunner). Und auch Politico titelt:„First they come for the NGOs“.

Wie dieser Angriff ausgeht, ist nicht absehbar. Der NABU hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgefordert, die für die Demokratie gefährliche Debatte zu beenden und sich hinter das LIFE-Programm zu stellen. Und auch unsere Dachverbände BirdLife und EEB bemühen sich um eine Versachlichung in der Berichterstattung. Ein großes Fragezeichen schwebt aber in jedem Fall über dem nächsten EU-Haushalt, denn mit den gegebenen Mehrheiten ist ungewiss, wie es mit der Förderung der Zivilgesellschaft weitergeht.

Und selbst mit einer Förderung besteht ein enormes Ungleichgewicht zwischen gemeinnützigen Verbänden und Unternehmens-/Industrie-Lobbyisten in Brüssel. Dies verrät beispielsweise der Blick ins EU-Lobbyregister oder aktuelle Zahlen des Lobbybudgets der Industrie alleine für einen Sektor (zuletzt wurde in Brüssel u.a. das immense Lobbybudget der Chemie-Industrie gegen Beschränkungen von PFAS thematisiert).

 

Was hat das mit Deutschland zu tun?

Bei Verbänden in Deutschland geht es naturgemäß nicht um die „operating grants“ der EU-Kommission. Trotzdem weht uns Umweltverbänden immer wieder auch in Deutschland ein rauer Wind entgegen, und zwar auf mehreren Fronten. Denn auch hier sind wir teils für die Politik unbequem, und fordern Natur- und Klimaschutz ein, selbst wenn gewisse Politiker*innen das gerade nicht auf der Agenda sehen möchten.

So versuchte eine rechtskonservative Politik seit 2019 zum Beispiel, mit dem Instrument der Aberkennung der Gemeinnützigkeit, kritische Stimmen (wie attac oder Campact) mundtot zu machen – auf eine die politische Arbeit der Verbände besserstellende Reform des Gemeinnützigkeitsrechts warten wir übrigens noch immer (Hintergründe etwa in diesem ZDF-Beitrag).  Und schon im Wahlkampf der letzten Bundestagswahl griff Friedrich Merz bei einer Wahlkampfveranstaltung im Schwäbischen direkt den NABU an – unser Präsident Jörg-Andreas Krüger forderte daraufhin eine Richtigstellung (hier der entsprechende Bericht).

Screenshot des vom Team Merz geteilten Bild-Artikels

Und auch ganz aktuell wird das Thema u. a. von der CDU/CSU und FDP wieder herausgeholt. So offenbarte Markus Söder sein Weltbild mit der Frage, ob NGOs wichtiger als die Demokratie seien. Und Wolfgang Kubicki möchte nicht nur das Umweltbundesamt abschaffen, sondern bezeichnet NGOs mal wieder als „Empörungsindustrie“. Die Krone der Schöpfung setzte dem Ganzen aber die Bild-Zeitung auf, als sie titelte: „München ist bunt“, „Omas gegen rechts“: Wer steckt hinter den Massen-Demos in Deutschland? Bild erklärt, wie Bundesministerien [angeblich] die Proteste mit Steuergeld fördern. Dieser Beitrag wurde übrigens vom „Team Merz“ in den sozialen Medien fleißig geteilt.

Auch diese Schlagzeile kommt mit der falschen Darstellung einer angeblichen Finanzierung von NGOs, und suggeriert, dass der Protest hunderttausender Bürger*innen gesteuert sei. Der Verband Campact wehrt sich in seiner Pressemitteilung gegen die Schmähkampagne der Bild-Zeitung. Damit dürften die Angriffe aber auch in Deutschland noch nicht beendet sein. Und nach der Bundestagswahl drohen weitere Einschränkungen. So möchte die CDU laut ihrem Wahlprogramm die Verbandsklage einschränken. Zur Erinnerung: Mit Hilfe der unter anderem völkerrechtlich in der Aarhus-Konvention geregelten Beteiligungs- und Klagerechte soll Individuen und Verbänden eine Stimme für all die Interessen gegeben werden, die selbst keine Stimme haben. Nur so können wir der Anwalt der Natur sein!

 

Der NABU, die Reputation der EU und die Demokratie

Noch kurz ein paar etwas grundlegendere Gedanken. Irritiert war ich, als ich hörte, dass die EU-Kommission – und dann auch die konservativen Abgeordneten im Europäischen Parlament – ihren Angriff auf die NGOs damit begründeten, NGOs schadeten der Reputation der Europäischen Union. Genau das Gegenteil ist doch der Fall. In meiner nunmehr nahezu zehnjährigen Tätigkeit für den NABU haben wir die EU als Institution und ihre Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zwar sicher auch kritisch kommentiert, aber in der Sache stets unterstützt.

Das fängt bereits damit an, und das lässt sich im Transparenzregister der EU nachlesen, dass wir an zahlreichen Konsultationen der EU-Kommission teilnehmen und hier unsere Expertise einbringen. Das Ausfüllen dieser oftmals langen und äußerst technischen Konsultationen ist dabei wahrlich kein Vergnügen, ist aber Ausdruck einer partizipativen Demokratie. Auch einzelne Politikinitiativen der EU-Kommission unterstützten und bewarben wir in der Vergangenheit. Ich erinnere mich beispielsweise noch an einen „Nature Talk“, den ich in der Pandemie organisierte, um gemeinsam mit der Generaldirektion Umwelt der Kommission die dort druckfrische EU-Biodiversitätsstrategie bis 2030 vorzustellen. Und schließlich rufen wir die deutsche Öffentlichkeit und unsere Mitglieder regelmäßig dazu auf, bei der Europawahl wählen zu gehen (Ihr erinnert euch an unser Kampagnenmotiv Ottfried den Otter). Auch dies fördert das Ansehen der EU, lässt die Wahlbeteiligung leider noch Luft nach oben!

Und natürlich ist der NABU transparent und innendemokratisch organisiert. Wir warben in Berlin und Brüssel schon für Lobbyregister, als es solche noch nicht gab. Und unsere Finanzierung ist in den Jahresberichten transparent einsehbar.

Mit all dem sind wir ein wichtiger Bestandteil der demokratischen Grundordnung. Rechtspopulistische Strömungen verfolgen indes das Ziel, die kritische Zivilgesellschaft zu diskreditieren und von der Willensbildung auszuschließen. In entsprechend regierten Ländern wie Ungarn, Italien, der Slowakei oder auch Russland ist dies bereits gängige Praxis. Damit dies in Deutschland nicht auch droht, fordern wir von der Politik, die Förderung der Zivilgesellschaft als wesentliche Säule der Demokratie wieder in den Vordergrund zu stellen. Gesellschaftliche Teilhabe durch frühzeitige, prozessbegleitende Beteiligung muss ausgebaut werden. Dies trägt auch dazu bei, Bürger*innen den Mehrwert unserer Demokratie zu verdeutlichen, statt Engagierte immer häufiger frustriert über eine mangelhafte, kaum gleichberechtigte Teilhabe abzuschrecken.

 

Werdet aktiv!

Zum Abschluss nun eine Bitte an Euch Leser*innen: Lasst nicht zu, dass der von Rechtsaußen unterstützte Angriff der Konservativen Erfolg hat und NGOs „platt gemacht werden“. Wendet Euch an eure (konservativen) Abgeordneten im Wahlkreis und teilt ihnen eure Meinung mit. Werdet Mitglied bei Umweltverbänden wie dem NABU, um uns zu stärken. Helft durch Eure Äußerungen und Aktivitäten in den sozialen Medien, die einseitige Debatte geradezurücken. Und gebt bei der Bundestagswahl Eure Stimme für demokratische Parteien ab (mehr dazu auf www.nabu.de/bundestagswahl). Danke!

 

2 Kommentare

Matthias Luy

19.02.2025, 16:32

Lieber Rapha, Danke für diese übersichtliche Darstellung der Angriffe auf NGOs auf europäischer und deutscher Ebene, und unserer Rolle in demokratischen Prozessen. Es ist gut, dass sich der NABU bereits an von der Leyen gewandt und sie aufgefordert hat, sich vor das LIFE-Programm und die Beteiligung von NGOs zu stellen. Wir lassen uns nicht klein kriegen! Herzliche Grüße Matthias Luy

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Matthias

21.02.2025, 15:02

Ein wirklich besorgniserregender Trend – wenn NGOs, die sich für Umwelt- und Naturschutz einsetzen, systematisch angegriffen werden, geht es längst nicht mehr nur um finanzielle Mittel, sondern um eine Schwächung der Zivilgesellschaft insgesamt. Ich finde es krass, dass ausgerechnet diejenigen, die sich ehrenamtlich oder gemeinnützig engagieren, jetzt zum Feindbild stilisiert werden. Wenn wir anfangen, den Naturschutz als „politische Agenda“ zu brandmarken, ist das eine gefährliche Entwicklung. Wer profitiert davon, wenn unabhängige Organisationen mundtot gemacht werden? Sicher nicht die Umwelt – und erst recht nicht wir als Gesellschaft.

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