Satellitentelemtrie Beiträge

Francesco lässt Malta links liegen

Francesco startete seinen diesjährige Herbstzug am Abend des 09. Septembers und damit zwei Tage früher als im letzten Jahr. In südlicher Richtung flog er über das thyrrenische Meer bis nach Sizilien, wo er am nächsten Morgen im Landesinnern Italiens größter Insel angekommen war und sich tagsüber eine Pause gönnte. Am Abend des 10. flog er dann in südwestlicher Richtung weiter, und überquerte das Mittelmeer westlich von Malta in der Nacht auf den 11. September, vermutlich nonstop. Damit blieb er von der Maltesischen Jägerschaft glücklicherweise unbehelligt, die derzeit immer noch legal Jagd auf durchziehende Turteltauben und ca. 40 andere Vogelarten macht.

Francescos diesjährige Herbstzugroute vom Brutgebiet übers Mittelmeer nach Nordafrika.

Nicholas Barbara, der für BirdLife Malta seit etlichen Jahren als Naturschutzbeauftragter tätig und mit dem Dauerthema der legalen und illegalen Vogeljagd bestens vertraut ist, fasst es zusammen: Bis Ende September dürfen die Maltesischen Jäger ganz legal insgesamt 7000 Turteltauben erlegen. Mit etwa 10.000 registrierten Jägern besitzt der kleine, dicht besiedelte Inselstaat im zentralen Mittelmeer die bei weitem höchste Jägerdichte Europas und von ein paar Wildkaninchen abgesehen wird dort ausschließlich auf ziehende Vögel geschossen. Leider werden die Gesetzte kaum durchgesetzt und deshalb auch nicht eingehalten, weshalb die tatsächliche Zahl geschossener Turteltauben viel höher ausfallen dürfte und darüber hinaus auch sehr viele Individuen streng geschützter Vogelarten illegal geschossen werden. Aber auch in fast allen anderen Mittelmeerländern ist die Jagd auf Turteltauben im Herbst noch erlaubt.

Eine auf Malta geschossene Turteltaube. Foto: Archiv BirdLife Malta

 

Das nächste Signal von Francescos Satellitensender erreichte uns am Abend des 11. Septembers von der tunesischen Insel Djerba, von wo aus Francesco noch am selben Abend weiter aufs tunesische Festland flog und somit vorerst sicher den afrikanischen Kontinent erreichte. Die Gegend, in der er sich zur Zwischenrast aufhält, ist landwirtschaftlich geprägt und besteht aus weitläufigen Feldern mit eingestreuten größeren Bäumen, zirka 10 km südlich der Stadt Medenine gelegen. Auf dem Satellitenbild sieht sie recht trocken aus. Täglicher Zugang zu offenen Wasserstellen ist für Turteltauben allerdings sehr wichtig, egal ob im Brutgebiet, am Rastplatz oder im Winterquartier. In heißeren Klimazonen und nach langen Zugstrecken sind diese überlebensnotwendig, und so dürfte Francesco seinen Durst vermutlich an von Menschen angelegten Brunnen oder Wasserreservoirs stillen. Wie lange wird er sich wohl in Nordafrika aufhalten, bevor er ein weiteres Mal die Sahara quert?

Turteltaube an der Tränke, einem von Menschen angelegten Brunnen. Foto: B. Metzger

Melanie startet nach Frankreich durch

Als einzige hessische Turteltaube in unserem Projekt war Melanie Mitte Juni südöstlich von Gießen mit einem Satellitensender ausgestattet worden. Dort hielt sie sich bis Anfang September nahe des Dorfes Villingen auf. Am Abend des 2. September begann sie dann ihren Herbstzug, flog vermutlich nonstop zirka 760 km in südwestliche Richtung und landete am 3. September in Frankreich nahe der Stadt Poitiers, die ca. 130km von der Biskaya-Küste entfernt in Westfrankreich liegt. Seither ist Melanie dort auf Zwischenrast.

An dieser Lichtung südöstlich von Gießen wurde Melanie gefangen. Foto: Yvonne Schumm

Leider ist Frankreich für Turteltauben im Herbst ein heißes Pflaster, jedes Jahr werden dort auf dem Herbstzug zwischen 45 000 und 138 000 Individuen der Art geschossen, bei den derzeitig rückläufigen Beständen gerade in Westeuropa ist das mit Sicherheit keine nachhaltige Nutzung und trägt weiter zum Rückgang dieser Populationen bei.

Interessant ist auf jeden Fall, dass Melanie im Gegensatz zu ihren besenderten Artgenossen aus der Niederlausitz die Westzugrute gewählt hat. Damit bestätigt sich, dass durch Deutschland eine so genannte Zugscheide verläuft, wobei östliche Tauben über Südost und westliche Tauben in südwestlicher Richtung abziehen. Das deckt sich auch mit den Ergebnissen von Ringfundanalysen, die die Namensgeberin der hessischen Turteltaube Dr. Melanie Marx im Rahmen ihrer Dissertation durchgeführt hatte.

Neugierig erwarten wir nun, dass die Turteltaube Melanie ihre Zwischenrast beendet und weiterzieht und sind gespannt darauf, welche Route sie weiter nehmen wird.

Zwei der drei Lieberoser Turteltauben sind bereits unterwegs

Als erste der in diesem Jahr in Deutschland besenderten Turteltauben hatte sich Jenny auf die Reise begeben. Bereits am 6. August war sie aus ihrem Brutgebiet in der Niederlausitz auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lieberose in Richtung Südosten durchgestartet und hatte dann östlich von Dresden, im Dreiländereck zwischen Polen, Deutschland und Tschechien vom 7. bis zum 8. August eine kurze Zwischenrast eingelegt.

Lebensraum unserer Lausitzer Turteltauben in der Lieberoser Heide, Foto: Yvonne Schumm

In Tschechien, wo die Brutbestandszahlen der Turteltaube wie in den meisten Europäischen Ländern in den letzten Jahren stark zurückgehen, hatte die Tschechische Ornithologische Gesellschaft (ČSO), der dortige BirdLife Partner, die Art in diesem Jahr zum Vogel des Jahres gekürt. Jenny hatte ihr Gastland allerdings schon zwei Tage später durchquert und hielt sich dann bis Ende August in der Slowakei nahe der Grenze zu Tschechien und Österreich auf. Möglicherweise hat Jenny dort ihre komplette Nachbrutmauser abgeschlossen und somit auch die Schwungfedern erneuert, die für die bevorstehenden langen Zugstrecken besonders wichtig sein werden. Am 31. August ging es dann in einer weiteren Etappe bis ins nordwestliche Ungarn, wo sie seither ca. 35km nördlich des Balaton-Sees rastet. Wir nehmen an, dass sie sich dort nun Fettreserven für den langen Zug nach Afrika anfrisst. Gespannt warten wir darauf, wann es weitergeht und welche Richtung Jenny als nächstes einschlagen wird.

Die zweite Taube, die sich aus der Niederlausitz auf den Weg gemacht hat ist Luciano. Er war am Abend des 29. August ebenfalls in südöstliche Richtung losgeflogen und am nächsten Morgen bereits in Ungarn angekommen, allerdings etwa 200km weiter südöstlich als Jenny. In einer Nacht hatte er mit zirka 700 km eine ganz beachtliche Strecke zurückgelegt. Im Südosten Ungarns rastet er dort seither unweit der Theiß, einem Nebenfluss der Donau. Vermutlich wird er in den kommenden Tagen weiterfliegen.

Von den Niederlausitzer Turteltauben hält sich somit nur noch Cyril in seinem Brutgebiet in der Lieberoser Heide auf. Auch er dürfte seinen nachbrutzeitlichen Gefiederwechsel bereits abgeschlossen haben und sich wohl demnächst auf die Reise in Richtung Winterquartier begeben, noch bevor in der Region südlich von Berlin der Herbst richtig einsetzt. Wie bereits Jenny und Luciano wird auch Cyril wahrscheinlich auf dem Herbstzug die Südostroute wählen, aber ganz sicher können wir uns da im Augenblick noch nicht sein.

Franceso ist noch in Italien

Foto: BirdLife Europe

Francesco ist sozusagen der Veteran in unserem Turteltaubenprojekt. Wir hatten ihn bereits im Frühjahr 2017 auf der Maltesischen Insel Comino mit einem Satellitensender ausgestattet und seither hat er uns schon eine große Menge an Daten zum Zug, seinem Brutgebiet und zu den Winterquartieren in Westafrika geliefert. Anfang Mai diesen Jahres war er nun schon zum dritten Mal in sein Brutgebiet in der Nähe der Stadt Benevento in der süditalienischen Provinz Kampanien zurückgekehrt und hat dort vermutlich erfolgreich gebrütet und Junge aufgezogen, eventuell sogar in mehr als einer Brut. In seinem Brutrevier hatte er sich diesen Sommer bis zum zweiten August aufgehalten und war dann etwa 35 km nach Nordosten geflogen, wo er sich seither schon über einen Monat aufhält. Einen solchen Ortswechsel nach der Brutzeit aber vor dem eigentlichen Zug hatte er bereits 2018 durchgeführt, nicht jedoch 2017. Möglicherweise ist das Gebiet, in dem sich Francesco zur Zeit aufhält, für adulte Turteltauben in der Nachbrutmauser und in Vorbereitung auf den Zug einfach besser geeignet als sein eigentliches Brutgebiet, in dem jedoch bessere Nahrungspflanzen für die Jungenaufzucht wachsen dürften.

Im Herbst 2017 war Francesco bereits Ende August Richtung Süden aufgebrochen, letztes Jahr begann er seinen Herbstzug am 11. September. Wir erwarten daher, dass er sich in den nächsten Tagen wieder auf die Reise ins Winterquartier begeben wird.

Wie funktionieren die Satellitensender?

Um die Positionen auf den Karten besser beurteilen zu können und auch zu verstehen, warum Nicolas Sender nach 15 Monaten ausfiel, möchten wir heute ein paar technische Details beschreiben:

Das ARGOS System (Advanced Research and Global Observation Satellite) wurde 1978 von NOAA (USA), NASA (USA) und der französischen Raumfahrtagentur CNES ursprünglich für meteorologische Messungen realisiert. Seit 1990 wurden ARGOS-Zusatznutzlasten für das Tiertracking verfügbar gemacht und ARGOS dient seitdem auch der Beobachtung von globalen Tierwanderungen, aber auch anderen Anwendern wie der Kontrolle im Schiffsverkehr.

Irgendwann erhält man kein Signal mehr: Die Lebensdauer eines Sender hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa dem Akku – Foto: Ben Metzger

Während beim GPS-System der Empfänger auf der Erde seine Position mittels empfangener Satellitendaten berechnet, ist der Weg bei den Argos-Sendern umgekehrt.

Besenderung der Turteltauben auf Malta

Die erste Turteltaube, die wir auf den Namen Nicola tauften, hatten wir in einer Pilotphase des Projekts bereits im Frühjahr 2016 in Malta besendert. Sie war dem Beringer und Naturschutzwart Charles Coleiro am Vormittag des 13. Mai in BirdLife Maltas Vogelschutzgebiet Simar ins Netz gegangen. Simar liegt im Norden der Hauptinsel und ist als  Feuchtgebiet mit Lagunen und einen renaturierten Olivenhain als Rastort für durchziehende Vögel sehr bedeutend.

Turteltaube ‚Nicola‘ wird besendert – Foto: Ben Metzger

Als einer von BirdLife Maltas Gebietsbetreuern fängt und beringt Charles in Simar regelmäßig Zugvögel im Rahmen eines standardisierten Monitoring-Programms.