Klima- und Naturschutz Fehlanzeige?
Zum ersten Mal seit seinem Beitritt zur Europäischen Union (EU) im Jahr 2007 hat Bulgarien am 1. Januar 2018 den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Es ist Teil der sogenannten „Dreier-Präsidentschaft“ (Triple presidency) mit Estland (wegen des Brexit in die 2. Jahreshälfte 2017 vorgerückt) und nachfolgend Österreich.
Das Präsidentschaftsprogramm und die bisherigen Äußerungen des bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow lassen befürchten, dass Umweltthemen für Sofia keine Priorität zu haben. Im Mittelpunkt sollen die Sicherung der EU-Außengrenzen, Wirtschaftswachstum und Kohäsion, Digitalisierung und der Anschluss der Westbalkan-Staaten an die EU stehen, ebenso die Folgen des Brexit (Forderungen des Europäischen Umweltbüros (EEB) mit BirdLife Europe an die bulgarische Ratspräsidentschaft). Bei seinem Auftritt im EU-Parlament Mitte Januar hob Borissow vor allem den Aspekt Grenzsicherung hervor und bedankte sich bei der EU für die etwa 160 Millionen Euro, die Bulgarien dafür erhält. Als wichtigen Aspekt für die Stabilität der EU sieht Sofia auch die EU-Energiepolitik an. Daher will die Ratspräsidentschaft die Umsetzung des sogenannten Winterpakets vorantreiben, das die EU-Kommission Ende November 2016 veröffentlicht hatte.
In welche Richtung das gehen soll, machte Bulgarien allerdings auch schon deutlich: Das Land kündigte an, die Klage Polens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die im April 2017 von den EU-Mitgliedstaaten mehrheitlich, allerdings gegen die Stimmen einiger „Kohleländer“, beschlossenen neuen EU-Grenzwerte für Quecksilber-, Stickoxid- und Feinstaubemissionen aus Kraftwerken zu unterstützen (Mehr dazu HIER). Die ab 2021 geltenden strengeren Grenzwerte könnten die – teure – Nachrüstung oder vorzeitige Stilllegung insbesondere alter Braunkohlekraftwerke zur Folge haben. Im August letzten Jahres hatten auch die Ministerpräsidenten der vier „Braunkohle“-Länder Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, gestützt auf ein Papier des deutschen Braunkohleverbandes, die Bundesregierung zu einer solchen Klage aufgefordert, der diese aber nicht gefolgt war. Bei einer Diskussion der Pläne der bulgarischen Ratspräsidentschaft am 24. Januar im Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) zeigten sich auch unsere Volksvertreter skeptisch: einige Parlamentarier befragten den bulgarischen Umweltminister Neno Dimov zu seinen jüngsten Äußerungen, in denen er den Klimawandel und den Anstieg des Meeresspiegels angezweifelt hatte. Dimov, der jetzt sechs Monate lang den Vorsitz im EU-Ministerrat für Umwelt innehat, bemühte sich zwar, die Wogen zu glätten, konnte die Abgeordneten aber nicht überzeugen.
Auch im Naturschutz zeigt sich Bulgarien ähnlich ablehnend gegenüber EU-Recht wie Polen. Während dort die massiven Abholzungen im Natura-2000-Gebiet Białowieża trotz Verfügungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im Sommer 2017 und der vom EuGH im Herbst angedrohten Zwangsgeldern zumindest bis Jahresende offenbar fortgesetzt wurden, hat Bulgarien im Dezember einen neuen Managementplan für das Natura-2000-Gebiet und Nationalpark Pirin beschlossen. Wie Białowieża, ist Pinin zudem ein Welterbegebiet der UNESCO. Dennoch sieht der neue Managementplan eine Ausweitung der Bebauungsmöglichkeiten und des Skitourismus vor. Es bleibt abzuwarten, wie die EU-Kommission mit diesem „Fall“ umgeht, da sie ja im Rahmen des „Aktionsplanes“ der EU-Naturschutzrichtlinien eine konsequentere Umsetzung des EU-Rechtes zugesagt hatte (NABU-Blog mit Chronik zu den Abholzungen im Natura-2000-Gebiet Białowieża, Polen).
Nach diesen im Klima- und Naturschutz desillusionierenden Entscheidungen der neuen Ratspräsidentschaft muss natürlich auch ihre Verhandlungsführung hinsichtlich der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) und des Mehrjährigen Finanzrahmens der EU (MFR) nach 2020 genau beobachtet werden. Beide Themen wurden von Sofia auch als wichtige Themen des ersten Halbjahres 2018 benannt. Da EU-Haushaltskommissar Günter Oettinger allerdings erst im Mai seine Vorschläge für den MFR 2021-2027 vorlegen kann, werden sich die Beratungen in Parlament und Rat noch bis in die österreichische Ratspräsidentschaft und darüber hinaus erstrecken.
Titelbild: © European Communities, 2002 / Source: EC – Audiovisual Service
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