Die Wahlprogramme der Parteien im Vergleich: Agrarpolitik

Die Wahlprogramme der Parteien im Vergleich: Agrarpolitik

Klimakrise, Artenschwund, befeuert durch fehlgeleite Politik und Subventionen – das Agrarsystem krankt. Der NABU fordert die künftige Bundesregierung auf, die GAP-Flächenprämien vollständig in Zahlungen für öffentliche Leistungen – etwa zum Arten- oder Klimaschutz – umzuwandeln und so ein Geschäftsfeld Naturschutz für die Landwirt*innen zu schaffen. Unter dem Schlagwort Space for Nature sollen zehn Prozent der Flächen in Offenlandschaften zur Produktion von Ökoystemdienstleistungen – also ohne landwirtschaftliche Bewirtschaftung – zur Verfügung stehen.  Diese Forderungen unterstreicht auch die Zukunftskommission Landwirtschaft. Der Ball liegt also bei der Politik. Was sagen die Parteien in ihren Wahlprogrammen dazu?  

Die ökologischen Herausforderungen für die Landwirtschaft

Mit dem Statement „Ohne Landwirtschaft gibt es kein klimaneutrales Deutschland und keine Artenvielfalt“ leitet die Union ihre Agrar-Ausführungen ein. In dieser Logik werden bisherige Leistungen der Landwirtschaft für Artenvielfalt und Klimaschutz betont, ohne explizit auf den enormen Handlungsbedarf einzugehen, der in dem Sektor besteht. Statt einzugestehen, dass die Landwirtschaft selbst von einer intakten Artenvielfalt abhängt, in den letzten Jahrzehnten aber zum Haupttreiber des Artensterbens geworden ist, werden die Herausforderungen lediglich aus der Perspektive künftiger Einkommensmöglichkeiten für Landwirte skizziert, nämlich die notwendige finanzielle Förderung von Natur-, Klima-, Arten- und Moorschutzleistungen durch Kooperationen und Anreize. Nachhaltigkeit soll messbar gemacht werden, um die Honorierung für Landwirte zu ermöglichen. Neben diesen eher vagen Anreiz-Perspektiven verzichtet das Programm auf die Nennung konkreter Zielvorgaben. Die Union bekennt sich explizit zum “Green Deal” der EU, ohne jedoch auf zentrale Elemente wie die dort quantifizierte Pestizidreduktion einzugehen. Auch die Begriffe „Dünger“, „Überdüngung“, „Stickstoff“, „Nitrat“, „Nährstoff“ oder „Nährstoffkreisläufe“ sucht man im Programm vergeblich. Immerhin die Bienen will man schützen, nur wird nicht klar, wie das geschehen soll.

Kurz und bündig die Ausführungen der SPD: Die Agrarförderung soll künftig eine konkurrenzfähige und umweltschonende Landwirtschaft im Sinne des Klima- und Artenschutzes ermöglichen. Dünger und Pestizide sollen reduziert werden. Wie dies konkret geschehen soll, wird nicht dargelegt.

Deutlich umfangreicher ist das Programm von Bündnis 90 /Die Grünen in diesem Bereich: Als einziges geht es explizit auf den Schutz bzw. die Schaffung einer vielfältigen Kulturlandschaft samt Blumenwiesen, Streuobstbeständen, Weinbau-Terrassen, Alleen, Einzelbäumen oder Blühstreifen ein. Ein Artenschutz-Sofortprogramm, das Glyphosat sofort verbieten und Pestizide reduzieren soll, auch mit Hilfe einer eine Pestizidabgabe, wird als der wichtigste Hebel für den Stopp des Artenrückgangs ausgemacht. In Natur- und Trinkwasserschutzgebieten soll die Ausbringung von Pestiziden untersagt werden, bei finanzieller Unterstützung für betroffene Betriebe. Vielfältige Fruchtfolgen und resiliente Anbausysteme wie Agroforst sollen gestärkt, Stickstoffüberschüsse deutlich verringert werden.  Vielfältige Fruchtfolgen und resiliente Anbausysteme wie Agroforst sollen gestärkt, Stickstoffüberschüsse deutlich verringert werden.

Die Notwendigkeit des Artenschutzes wird auch von der FDP bejaht, konkrete Umsetzungsschritte findet man im Programm jedoch höchstens in Ansätzen. Beispiel: Beim Grundwasser- und Gewässerschutz setzen sich die Liberalen für das Verursacherprinzip ein, um Rückstände aus der Landwirtschaft dort zu reduzieren, wo es nötig ist. Die Liberalen setzen sich europaweit und ohne nationale Alleingänge für „wirksame und moderne Pflanzenschutzmittel“ ein.

Dagegen spricht sich Die Linke für ein Verbot von Glyphosat und Neonikotinoiden, für die Halbierung des Pestizideinsatzes bis spätestens 2030 sowie für strenge Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel aus. Biodiversitäts- und Naturschutzziele sollen laut Linkspartei verbindlich in andere Politikbereiche integriert werden. Das Programm schlägt vor, dass Naturschutzflächen in öffentliche Hand gehören und an Naturschutz- und Umweltverbände in Erbpacht vergeben werden.

Nur die Union hält an GAP-Direktzahlungen fest

Mit Ausnahme der Union sind sich die Parteien weitgehend darin einig, dass die flächengebundenen Direktzahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auslaufen sollen. Damit bekennen sie sich auch klar zu den Empfehlungen der Wissenschaft. Die Grünen werden dabei etwas konkreter als andere, enttäuschen aber bezüglich der Ambition: Bis 2028 soll es eine ökologische Zweckbindung für mindestens 50 Prozent der EU-Agrargelder geben – das ist wenig mehr als bereits beschlossen und bei weitem nicht ausreichend, um die notwendige Transformation der Landwirtschaft zu bewältigen.

Die Union scheint an dem System der Flächenprämien festhalten zu wollen – zumindest wird der Abbau letzterer nicht erwähnt. Es werden „höhere Direktzahlungen“ für kleine und mittlere Betriebe sowie die Beibehaltung der Einkommenswirksamkeit der GAP gefordert.

Während sich Union, Grüne, SPD und Linke zu einer Förderung von öffentlichen Leistungen – für Klima-, Natur-, Umwelt- und Tierschutz – durch Steuergelder bekennen,  fordert die FDP eine grundsätzliche Abkehr von Agrar-Subventionen: Im EU-Binnenmarkt und darüber hinaus solle darauf hingewirkt werden, Bürokratie und öffentliche Förderung abzubauen, um mit einheitlichen Regeln die landwirtschaftliche Produktion marktwirtschaftlich auszurichten.

Moorschutz schafft es in alle Programme

Während die Union die Senkenfunktion der Landwirtschaft hervorhebt, vermeidet sie es, die Notwendigkeit und Umsetzung des Moorschutzes deutlich herauszuarbeiten. Auch hier beschränkt sie sich darauf, Moorschutz als Einkommensquelle für Landwirte zu positionieren. Anders das Programm der Grünen: hier werden ein Moor-Renaturierungsprogramm sowie ein strenger Schutz intakter Moore sowie eine nachhaltige ökonomische Nutzung (extensive Weidewirtschaft und Paludikultur) vorgeschlagen. Auch SPD, FDP und Linke bekennen sich zum Erhalt bzw. zur Renaturierung und Wiedervernässung von Mooren.

Anpassung an den Klimawandel: Neue Züchtungstechnologien und Versicherungen als Lösung?

Die Unionsparteien sind für die Novellierung des europäischen Rechtsrahmens um den Einsatz neuer Züchtungstechnologien zu erleichtern. Auch die FDP fordert „Technologieoffenheit“. SPD und Linke lehnen gentechnisch veränderte Pflanzen ab, die Grünen zeigen sich bei diesem Thema offener als in der Vergangenheit. So wird einerseits zwar das gentechnikfreie Leitbild der ökologischen Landwirtschaft hervorgehoben sowie die Notwendigkeit, bei neuen Züchtungen Gefährdungen für Mensch und Umwelt auszuschließen und am streng ausgelegten Vorsorgeprinzip auf EU-Ebene festzuhalten. Auch soll es eine verbindliche Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte geben. Gleichzeitig wird aber die Freiheit der Forschung betont.

Die Union plant, Mehrgefahrenversicherungen gegen Risiken des Klimawandels, wie Dürre, zu bezuschussen. Die FDP sieht in steuerbefreiten Risikoausgleichsrücklagen eine Möglichkeit, Landwirt*innen unabhängiger von staatlichen Notprogrammen zu machen. Ein nationaler Aktionsplan für Gewässer und Wassermanagement soll ausreichende Wasservorräte für den Pflanzenbau sichern, so die Liberalen.

Auch an der Tierhaltung scheiden sich die Geister

Ein in diesem Wahlkampf prominentes Thema ist die Tierhaltung. Während sich die SPD zu flächenbezogenen Obergrenzen bekennt, fordern die Grünen, „deutlich weniger“ Tiere zu halten. Interessantes Detail: Im Vergleich zum Entwurf enthält das finale Programm der Grünen keine konkrete Obergrenze von zwei Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche mehr (obwohl viele Fachleute sogar einen niedrigeren Wert empfehlen). Auch das Ziel, den Antibiotika-Einsatz zu senken, wurde im Programm verwässert. Die Grünen fordern, den Umbau der Tierhaltung per „Tierschutzcent“ an der Ladenkasse zu finanzieren – und neue Ställe nur nach den Vorgaben der EU-Ökoverordnung zu genehmigen.

Auch die Linke fordert eine „stark reduzierte Tierhaltung“ mit Obergrenzen, die an die Fläche gebunden ist und sich an der heimischen Nachfrage ausrichtet. Der Antibiotika-Einsatz soll stark begrenzt werden. Plakativ werden „Megaställe“ abgelehnt sowie ein Umbauprogramm unter Einbezug sozialer Gesichtspunkte gefordert.

Nicht erwähnt wird der Abbau der Tierbestände bzw. eine flächengebundene Tierhaltung bei Union und FDP: Während bei den Freien Demokraten die Forderung nach einem EU-weiten und verpflichtenden Tierwohllabel dominiert (zu dem bei allen genannten Parteien weitgehende Einigkeit herrscht), spricht sich die Union für die Umsetzung der Empfehlungen der Borchert-Kommission aus, bleibt bei der Frage der Finanzierung jedoch vage.

Anders als bei SPD (acht Stunden), Linken und Grünen (vier Stunden) sparen Union und FDP konkrete Vorgaben zur zeitlichen Begrenzung von Tiertransporten aus.

Ökolandbau-Ausbau bei Union, Grünen und Linken 

Laut Grünen soll der Ökolandbau– mehr als im Green Deal vorgesehen – bis 2030 auf 30 Prozent ansteigen. In öffentlicher Hand befindliche Flächen sollen nach Ökolandbau-Kriterien bewirtschaftet werden. Die Bio-Landwirtschaft „weiter verlässlich fördern“ will die Union, inklusive Forschung mit Fokus auf Ertragssteigerungen. Die Linkspartei spricht sich – konform mit dem Green Deal – für den Ausbau des Ökolandbaus auf mindestens 25 Prozent der Agrarfläche aus, in einem bäuerlichen und genossenschaftlichen Kontext. Bei SPD und FDP findet die Bio-Landwirtschaft keine Erwähnung.

3 Kommentare

Angelika Heitmann

09.07.2021, 14:24

Vielen Dank für die informative und hilfreiche Zusammenstellung der Eckpunkte der großen Parteien zum Natur- und Tierschutz. Daran erkennt man, welche Parteien man als Natur- und Tierschützer nicht wählen sollte. Leider wird oft nur der Klimaschutz / CO2-Ausstoss in der öffentlichen politischen Diskussion gesehen. Dass die derzeitige industrielle Land- und Forstwirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste bezüglich u.a. des Arten- und Gewässerschutzes arbeiten und den Tierschutz im wesentlichen ignorieren darf, ist m.E. ein politischer Skandal ersten Ranges. Dies steht für mich in einer Linie mit dem jahrzehntelangen Wegsehen der Politik beim Klimaschutz. Es ist m.E. keine gesonderte öffentliche finanzielle Förderung für eine die natürlichen Ressourcen schonende Landwirtschaft erforderlich ( z.B. Anlage von Blühstreifen, Hecken, Größenbegrenzung der zu bearbeitenden Flächen, Schonung von Feldlerchennestern oder Nichtzerstückelung von Rehkitzen bei der Ernte etc. ), weil die Landwirtschaft so wie wir alle an die grundgesetzlichen Vorgaben gebunden sind. Danach verpflichtet das Eigentum auch die Landwirtschaft ohne Zerstörung der Natur zu arbeiten. Es ist weiterhin skandalös, dass auch in ausgewiesenen Naturschutzgebieten so viel im Rahmen der Naturzerstörung möglich ist und staatlich geduldet wird, obschon wir nur eine verschwindend kleine Anzahl von Naturschutzgebieten haben. Unsere Gesellschaft muss dringend lernen die Biodiversität schnellstmöglich zu schützen und im Einklang mit ihr zu leben - will die Menschheit selbst überleben.

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Robert Fischer ÖDP

09.07.2021, 15:32

Wer es noch ökologischer haben will, muss die ÖDP wählen :)

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Willi

12.07.2021, 17:24

Nachhaltiges Agrar-und ErnährungssystemDie EU muss bis 2030 ein nachhaltiges Agrar-und Ernährungssystem aufbauen. Die „Gießkannensubventionierung“ nach Flächengröße und das Ziel, immermehr immer günstiger und zunehmend auch für den Export zu produzieren,muss aufgegebenwer-den.Stattdessen sollte die europäische Landwirtschaftspolitik auf Qualität,hohe Um-weltstandardsund Subsistenzsetzen. Subventionen für nachhaltigkeit, Bio- Pflanzen, BIO- Gemüse. Großbauern fahren mit Monstertraktoren und pflanzen in Massen an, Dung Natrium-Gulle verunreinigt das noch vorhandene Grundwasser, Wild und Wiesegrundstücke unterstützen. Tierwohl unterstützen, Massentierhandlung abschafen. Natürliche Produkte verkaufen, grumme Gurken, keine Uberproduktion unterstützen sonder kürzen. Hühnergehe prüfen und schliessen. Subventionen in Kontrollpersonen investieren. und und. Wach werden und über alles Nachdenken, Junge Menschen an die Regierung

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