Telemetrie Beiträge

Daheim in störungsarmen Wäldern: Der Lebensraum des Schwarzstorchs

Bei unserem Sendervogel gibt es nichts Neues. Der Vogel verweilt noch in Nordostfrankfreich, in den Feldlfuren um Lixingen sucht die Scharzstorch-Dame ausgiebig nach Nahrung. Waltraud erkundet die Umgebung, das macht einen guten Eindruck.

Daher möchten wir die Möglichkeit nutzen, um wie angekündigt auch wichtige Naturschutzthemen in den Fokus dieses Schwarzstorch-Blogs zu rücken. Was benötigen Schwarzstörche, damit sich der Bestand dieses seltenen Waldbewohners hält bzw. gar noch erhöhen lässt? Dabei steht heute der Wald im Fokus.

Diesjähriger Schwarzstorch

Wo brüten Schwarzstörche?

Der Schwarzstorch besiedelt ein breites Spektrum von Waldtypen, zur Brut bevorzugt er Laub- und Mischwälder. Alte Eichen und Buchen, aber auch Kiefern bieten aufgrund ihrer Wuchsform häufig ideale Unterlagen für den häufig mehrere Zentner wiegenden Horst. Brutplätze befinden sich aber ebenso in Auwäldern oder reinen Nadelwäldern.

Wenn die Schwarzstörche bei der Brut nicht gestört werden oder aus anderen Gründen den Brutplatz aufgeben, werden die Horste über viele Jahre immer wieder genutzt. Die Horste werden jährlich ausgebessert und wachsen im Laufe der Jahre zu mächtigen und schweren Gebilden heran. Daher ist eine stabile Unterlage wichtig.

Faktoren für den Bruterfolg

Die Brutplätze (in Hessen brüten rund 60 Paare) liegen meist in Altbeständen, der Bestand sollte dafür hallenartig und nicht zu dicht sein, um gute An- und Abflugmöglichkeiten zu bieten. Starker Unterwuchs und Naturverjüngung sind weniger ideal, da sich die Jungstörche nach dem Ausfliegen gerne am Boden aufhalten und als Schutz vor Fressfeinden einen guten Überblick benötigen.

Wasserläufe wie z. B. kleine Quellbäche sind ein wichtiger Faktor bei der Auswahl des Brutplatzes. Dort können die Jungstörche erste Erfahrungen bei der Nahrungssuche sammeln. In den Mittelgebirgen werden Hanglagen bevorzugt, da diese den An – und Abflug begünstigen.

Deutlich wird, dass die Vögel auf Störungen sensibel reagieren, gerade während der Revierbesetzung und zum Beginn der Brutzeit. Daher ist es wichtig, dass möglichst keine Störungen statffinden. Daher dürfen größere Räume nicht forstwirtschaftlich zur Brutzeit bearbeitet werden, keine Baumfällungen oder andere Forstarbeiten staffinden. Auch Lagerflächen von gefällten Bäumen dürfen nicht in der Nähe der Horste etabliert werden. Eine von mehreren Lösungen zur Störungsminimierung können Horstschutzzonen sein.

Horstschutzzonen

Martin Hormann berichtet im Rahmen seiner Arbeit für Hessen-Forst über Horstschutzonen im Jahrbuch Naturschutz in Hessen (2022) und zeigt auf, wie wichtig ein hoher Reproduktionserfolg für diese Art ist, da nur so langfristig die hohen Verluste ausgeglichen werden können. Ein zielgerichteter und effektiver Schutz für den Schwarzstorch muss die artspezifischen Ansprüche an sein Brut- und Nahrungshabitat ganzheitlich betrachten und berücksichtigen (räumlich funktionale Zusammenhänge).

Die Habitatansprüche des Schwarzstorches an seine Fortpflanzungsstätte sind im Rahmen eines wirksamen Artenschutzes nicht nur im Brutzeitraum von Mitte Februar bis Ende August zu sichern, sondern – insbesondere in Bezug auf den funktionalen Erhalt der Niststätte – darüber hinaus auch in der Zeit seiner Abwesenheit von den Brutrevieren. Das heißt, dass hinsichtlich der Erhaltung des charakteristischen Horstumfeldes ganzjährig und während der gesamten Nutzungsdauer des Nestes Verändungen bzw. Störungen zu vermeiden sind. Notwendig ist auch der weitergehende Erhalt verlassener Nester und des charakteristischen Horstumfeldes in einem Zeitraum von mindestens fünf Jahren.

Nutzungsverzicht im Wald

In einer 200 Meter-Horstschutzzone (als sogenannte innere Horstschutzzone) werden durch den ganzjährigen Verzicht auf den Holzeinschlag aktive Veränderungen am Waldbestand ausgeschlossen. Die Vermeidung von Veränderungen am Waldbestand und Störungen in der Umgebung des Horstbaumes sind die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Reproduktion. Für diesen Nutzungsverzicht stehen beim Land Mittel zur Verfügung. Und in den vergangenen Jahren sind mehrere dieser Horstschutzzonen bereits umgesetzt worden.

Störungen während der Brutzeit vom 15. Februar bis zum 31. August eines Jahres sind nach § 44 Absatz 1 Nummer 3 Bundesnaturschutzgesetz verboten, um eine Aufgabe des Horststandortes zu vermeiden. Dazu zählen forstbetriebliche Arbeiten wie Rückearbeiten und Holzlagerung ebenso wie Wegebau-, instandhaltung oder -unterhaltung und der Jagdbetrieb. In zeitlicher Hinsicht betrifft die Verbotsnorm primär die Phase der Brutzeit. Dennoch ist zur Sicherung und zum Erhalt der Funktion der Lebensstätte der Schutz weiter zu fassen, um eine Aufgabe des Brutplatzes zu vermeiden. Bestandsverändernde Maßnahmen sind daher auch außerhalb der Brutzeit zu unterlassen.

Die Naturschutzleitlinie des Landes Hessen

Die Leitlinie für den hessischen Staatswald wird derzeit überarbeitet (Stand: 26.09.2025), wodurch auf mehreren Ebenen Verschlechterungen für den Natur-, Klima- und Artenschutz zu erwarten sind. Neben der Reduzierung der Habitatbäume von 10-15 auf 5 Bäume je Hektar ist vor dem Hintergrund des Schwarzstorch-Schutzes u. a. problematisch, dass Holzeinschlag mitten im Sommer künftig nicht mehr verboten sein soll. Er soll nur vermieden werden. Holzrücken darf künftig auch im Sommer und sogar in Schutzgebieten erfolgen. Bei Neupflanzungen soll künftig nur noch „ein angemessener Anteil“ der vorgesehenen 4 bis 5 standortgerechten Baumarten heimisch sein. Ansonsten setzt der Forst auf Douglasien, Roteichen, Küstentannen oder andere nicht angepasste Arten von anderen Kontinenten. Das alles klingt nach vielen Störungen, die vor allem den scheuen Bewohnern unserer heimischen Wälder nicht gefallen dürfte.

Der NABU fordert, dass die Leitlinie in jetztiger Form erhalten bliebt. Die Forderungen an die Landesregierung hat der NABU hier zusammengefasst.

 

Der 1. Zugtag im September 2025

Sorgenvoll waren die Tage nach der Besenderung, worüber wir bereits berichteten. Waltraud, unser besenderter Schwarzstorch, schien es in Oberbiel, einem Stadtteil der Stadt Solms im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis, schlichtweg zu gut zu gehen.

Neben dem guten Ernährungszustand waren es auch die Rahmenbedingungen, die einen Abzug verzögerten. Sommerliche Temperaturen, Gegenwind und schließlich auch ausgiebiger Regen machten einen Abzug unmöglich. Zudem sind natürlich viele Artgenossen bereits abgezogen, so dass der Schwarzstoch ein Stück weit auf sich alleine angewiesen war.

Sendervogel

Am 23. September ging es dann jedoch sehr schnell!

Um 9.23 Uhr schraubte sich der Vogel nach oben und zog über Niederselters und Idstein Richtung Wiesbaden, um den Taunuskamm zu umgehen. Über Ingelheim (am Rhein) ging es schnurstracks weiter Richtung Saarbrücken im Saarland.

Kurz nach 15 Uhr erreichte die Scharzstorch-Dame einen Wald bei Lixingen in Nordostfrankreich. Dort ruhte sich der Vogel den Rest des Tages aus und übernachtete auch dort. Einige Zahlen und Fakten zum ersten Zugtag: Über 200 Kilometer zurückgelegt, maximale Fluggeschwindigkeit 102 Kilometer/Stunde (für kurze Zeit, sonst meist 20-30 Kilometer/Stunde), maximale Flughöhe 603 Meter.

Kurz vor neun am 24. September ging es für den Vogel dann schon weiter, allerdings nur zur Nahrungsaufnahme in die Umgebung. Der Vogel blieb den Tag über vor Ort. Er  übernachtete abermals in dem kleinen Wäldchen. Die Windrichtung für den Weiterzug passte zwar, doch es regnete über weite Teile des Tages. In den kommenden Tagen berichten wir darüber, wie es weitergegangen ist.

Zugroute des Schwarzstorchs am 23. September 2025

Glück im Unglück – und der Start zu einem neuen „Reise-Blog“

Mitte September musste leider ein junger Schwarzstorch aufgegriffen werden, der zu verhungern drohte.

Durch die Dürre sind Bachläufe vielerorts ausgetrocknet, Felder abgeerntet, Wiesen gemäht. Zum Glück konnte der Vogel gefangen und in die Auffangstation des NABU Oberbiel bei Wetzlar gebracht werden. Die NABU-Gruppe um Ottfried Schreiter und Martin Kallabinsky hatte sich in den Tagen danach mit aller Vorsicht um den Vogel gekümmert und mit Forellen, Eintagsküken und anderen „Leckereien“ versorgt.

Ausgestattet mit modernster Technik

Über Ornitela, einer Firma aus Litauen, konnte ein Sender besorgt werden, der innerhalb weniger Tagen die NABU-Landesgeschäftsstelle in Wetzlar erreichte. Ornitela (https://www.ornitela.com/) ist spezialisiert auf Sender bzw. die Telemetrie, um die Raumnutzung von Vögeln erforschen zu können. Von der Firma stammen auch die Sender, die wir im Rahmen des Rotmilan-Projekts (s. „On tour mit Milan“, ebenfalls auf dem NABU-Blog) genutzt haben. Am Sender können vielfältige Einstellungen vorgenommen werden. Derzeit liefert uns der Vogel alle 5 Minuten seine vertikale und horiziontale Position.

Am 17. September erhielt der Vogel seinen kleinen Beinsender, ebenso einen Ring der Vogelwarte Helgoland. Dies wäre ohne die Unterstützung von Gerd Bauschmann (ehemals Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland) nicht möglich gewesen. Eingebunden in Pflege und Besenderung war zudem u. a. Martin Hormann von Hessen-Forst, ein bundesweit anerkannter Spezialist für die Art.

Der diesjährige Schwarzstorch am 17. September. Gut zu erkennen ist der Sender am rechten Bein.

Anstatt loszufliegen, hielt sich Waltraud (die „Herrscherin des Waldes“), wie ihn die NABU-Gruppe getauft hatte, noch mehrere Tage in Oberbiel auf. Warum wegfliegen, wenn es hier doch so lecker ist? Doch ab dem Moment der Beringung/Besenderung wurde der Vogel nicht mehr gefüttert und hätte jederzeit seine Reise in den Süden beginnen können, lief aber noch einige Tage durch den kleinen Ort, suchte auf den umliegenden Feldern nach Nahrung und übernachtete auf den Hausdächern Oberbiels. Zahlreiche Anrufe (wohlgemerkt aus ganz Hessen) von besorgten Personen erreichten den NABU. Schön, dass sich so viele Menschen um den Schwarzstorch sorgten.

Ab in den Süden

Am 23. September war es dann jedoch soweit: Vormittags bei Sonnenschein und Rückenwand hob der Vogel ab und hatte innerhalb weniger Stunden bereits Hessen und Rheinland-Pfalz hinter sich gelassen; um halb drei am Nachmittag war er bereits im Saarland. Bei rund 300 Metern Höhe und mit rund 45 Kilometern/Stunde hat der Vogel somit bereits gut Strecke gemacht. Der Vogel scheint also fit zu sein. Zeitnah folgen weitere Blogeinträge.

Hintergründe der Besenderung

Wir hoffen, dass ein langes Leben auf den Vogel wartet. Da die Besenderung eines einzelnen Vogels keine repräsentative Stichprobe und somit keine wissenschaftliche Untersuchung darstellen kann, handelt es sich vielmehr um das Einzelschicksal eines jungen Storchs. Die gesammelten Daten stellen wir gleichwohl größeren Besenderungsprojekten zur Verfügung. Wichtige Erkenntnisse für den Schutz dieser Art können wir – insbesondere bei einem längeren Leben des Storchs – auch mit nur einem Vogel gewinnen können.

Von Interesse ist zudem, wie sich die Pflegephase in Oberbiel ausgewirkt hat. Offene Fragen sind z. B.: Hat er die Scheu vor Menschen verloren? Sucht der Vogel in Zukunft häufiger Siedlungsräume auf?

Und ebenso wichtig: Wir werden hier im NABU-Blog über den Storch berichten und dabei auch wertvolle Aspekte des Vogelschutzes, des EU-Wiederherstellungsgesetzes, des Wasserrückhalts in der Landschaft, des Wald-Naturschutzes und viele weitere Themen beleuchten. All dies spielt für den Fortbestand der Art eine Rolle!

Viel Spaß beim Lesen der Schwarzstorch-Blogbeiträge,

Ihr Maik Sommerhage (Landesvorsitzender NABU Hessen)

Sender und Ring des Schwarzstorchs. Durch zahlreiche Studien ist bekannt, dass sich die Vögel daran nicht stören. Gleichzeitig liefern die Vögel wichtige Informationen für ihren Schutz, in den letzten Jahren vor allem auch durch verschiedene Telemetrie-Projekte.

Unsere Sendermilane haben wieder den Vogelsberg erreicht

Erfreuliches ist zu berichten: Unsere Sendermilane Isolde, Noah und Max haben wieder den Vogelsberg erreicht und konnten in den letzten Tagen bei Paarungsflügen und Horstbauaktivitäten beobachtet werden.

Max erreichte den Vogelsberg bereits am 28.02. und besetzte wie 2017 und 2018 jenes Brutrevier bei Stockhausen im östlichen Vogelsberg, in dem er nun im mindestens dritten Jahr in Folge zur Brut schreiten wird. Nachdem aus dem Brutjahr 2017 ein flügger Jungvogel aus der Brut hervorging, brüteten Max und seine Partnerin im letzten Jahr erfolglos. Für den 1.200 Kilometer langen Heimzug von Salamanca bis in den Vogelsberg brauchte er 12 Tage.

Noah wiederum hat am 04.03. den Vogelsberg erreicht und für den 1.800 Kilometer langen Heimzug aus der Extremadura ganze 12 Tage benötigt. Er hat sich abermals für sein traditionelles Brutrevier bei Bobenhausen II in der Nähe von Ulrichstein entschieden – jetzt bereits im mindestens vierten Jahr in Folge (2016, 2017, 2018, 2019). In den letzten Jahren brüteten Noah und seine Partnerin jeweils erfolgreich. Es scheint sich dieses Jahr abzuzeichnen, dass es zu einem Horstwechsel kommt.

Isoldes Sender fiel ja bereits 2018 mehrfach aus (wir berichteten), so dass wir zuletzt wieder einmal nicht genau wussten, wo sich der Vogel aufhält. Noch ehe der Sender sich wieder bei uns meldete und den aktuellen Aufenthaltsort verriet, konnte ein besenderter Vogel bei Salz im südlichen Vogelsberg beobachtet werden. Isolde scheint wieder auf ihrem traditionellen Horst Platz zu nehmen, auf dem sie 2016, 2017 und 2018 erfolgreich brütete. Der Vogel ist wohlauf, ganz im Gegensatz zum Sender, der seine „besten Zeiten“ ganz offensichtlich hinter sich hat und sich nur noch unregelmäßig meldet.

Unser Projekt „On tour mit Milan“ hinsichtlich der Untersuchung des Zug- und Überwinterungsverhaltens besenderter Vogelsberger Rotmilane endet in den kommenden Tagen. Viele spannende Erkenntnisse sind dabei zusammengekommen.

Heimzug der besenderten Vogelsberger Rotmilane im Februar und März 2019

Update

Unter https://msommerhage.net/wp-content/uploads/2019/11/jnh18_s_56-61_sommerhage.pdf befindet sich die kürzere Fassung des Abschlussberichts, erschienen im „Jahrbuch Naturschutz in Hessen“.

Auf dem Weg „heim“

Während wir bereits Anfang Februar die ersten Meldungen erhalten haben, dass an mehreren Stellen Hessens bzw. Deutschlands schon wieder Rotmilane zu sehen sind (s. www.NABU-naturgucker.de), haben es sich unsere drei  besenderten Rotmilane aus dem mittelhessischen Vogelsberg etwas länger auf der Iberischen Halbinsel gutgehen lassen. Verständlich, wenn man bedenkt, dass in den höheren Lagen des Vogelsbergs noch bis vor kurzem Schnee und Eis den Alltag dominierten.

Max, der die letzten Jahre bei Stockhausen im östlichen Vogelsberg brütete, war der Erste im Bunde, der letzten Sonntag die Heimreise angetreten ist. Mitte der Woche folgte ihm Noah, der seit mindestens drei Jahren bei Ulrichstein brütet. Und schließlich machte sich am Wochenende auch Isolde auf den Weg und hat genauso wie Max bereits die Pyrenäen hinter sich gelassen.

Beginn des Heim-/Frühjahrszuges 2019 der drei besendeten Vogelsberger Rotmilane Isolde, Max und Noah

Wir wünschen den Milanen alles Gute für den Heimzug!

Rotmilan-Portrait