Migration Beiträge

Der 1. Zugtag im September 2025

Sorgenvoll waren die Tage nach der Besenderung, worüber wir bereits berichteten. Waltraud, unser besenderter Schwarzstorch, schien es in Oberbiel, einem Stadtteil der Stadt Solms im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis, schlichtweg zu gut zu gehen.

Neben dem guten Ernährungszustand waren es auch die Rahmenbedingungen, die einen Abzug verzögerten. Sommerliche Temperaturen, Gegenwind und schließlich auch ausgiebiger Regen machten einen Abzug unmöglich. Zudem sind natürlich viele Artgenossen bereits abgezogen, so dass der Schwarzstoch ein Stück weit auf sich alleine angewiesen war.

Sendervogel

Am 23. September ging es dann jedoch sehr schnell!

Um 9.23 Uhr schraubte sich der Vogel nach oben und zog über Niederselters und Idstein Richtung Wiesbaden, um den Taunuskamm zu umgehen. Über Ingelheim (am Rhein) ging es schnurstracks weiter Richtung Saarbrücken im Saarland.

Kurz nach 15 Uhr erreichte die Scharzstorch-Dame einen Wald bei Lixingen in Nordostfrankreich. Dort ruhte sich der Vogel den Rest des Tages aus und übernachtete auch dort. Einige Zahlen und Fakten zum ersten Zugtag: Über 200 Kilometer zurückgelegt, maximale Fluggeschwindigkeit 102 Kilometer/Stunde (für kurze Zeit, sonst meist 20-30 Kilometer/Stunde), maximale Flughöhe 603 Meter.

Kurz vor neun am 24. September ging es für den Vogel dann schon weiter, allerdings nur zur Nahrungsaufnahme in die Umgebung. Der Vogel blieb den Tag über vor Ort. Er  übernachtete abermals in dem kleinen Wäldchen. Die Windrichtung für den Weiterzug passte zwar, doch es regnete über weite Teile des Tages. In den kommenden Tagen berichten wir darüber, wie es weitergegangen ist.

Zugroute des Schwarzstorchs am 23. September 2025

Glück im Unglück – und der Start zu einem neuen „Reise-Blog“

Mitte September musste leider ein junger Schwarzstorch aufgegriffen werden, der zu verhungern drohte.

Durch die Dürre sind Bachläufe vielerorts ausgetrocknet, Felder abgeerntet, Wiesen gemäht. Zum Glück konnte der Vogel gefangen und in die Auffangstation des NABU Oberbiel bei Wetzlar gebracht werden. Die NABU-Gruppe um Ottfried Schreiter und Martin Kallabinsky hatte sich in den Tagen danach mit aller Vorsicht um den Vogel gekümmert und mit Forellen, Eintagsküken und anderen „Leckereien“ versorgt.

Ausgestattet mit modernster Technik

Über Ornitela, einer Firma aus Litauen, konnte ein Sender besorgt werden, der innerhalb weniger Tagen die NABU-Landesgeschäftsstelle in Wetzlar erreichte. Ornitela (https://www.ornitela.com/) ist spezialisiert auf Sender bzw. die Telemetrie, um die Raumnutzung von Vögeln erforschen zu können. Von der Firma stammen auch die Sender, die wir im Rahmen des Rotmilan-Projekts (s. „On tour mit Milan“, ebenfalls auf dem NABU-Blog) genutzt haben. Am Sender können vielfältige Einstellungen vorgenommen werden. Derzeit liefert uns der Vogel alle 5 Minuten seine vertikale und horiziontale Position.

Am 17. September erhielt der Vogel seinen kleinen Beinsender, ebenso einen Ring der Vogelwarte Helgoland. Dies wäre ohne die Unterstützung von Gerd Bauschmann (ehemals Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland) nicht möglich gewesen. Eingebunden in Pflege und Besenderung war zudem u. a. Martin Hormann von Hessen-Forst, ein bundesweit anerkannter Spezialist für die Art.

Der diesjährige Schwarzstorch am 17. September. Gut zu erkennen ist der Sender am rechten Bein.

Anstatt loszufliegen, hielt sich Waltraud (die „Herrscherin des Waldes“), wie ihn die NABU-Gruppe getauft hatte, noch mehrere Tage in Oberbiel auf. Warum wegfliegen, wenn es hier doch so lecker ist? Doch ab dem Moment der Beringung/Besenderung wurde der Vogel nicht mehr gefüttert und hätte jederzeit seine Reise in den Süden beginnen können, lief aber noch einige Tage durch den kleinen Ort, suchte auf den umliegenden Feldern nach Nahrung und übernachtete auf den Hausdächern Oberbiels. Zahlreiche Anrufe (wohlgemerkt aus ganz Hessen) von besorgten Personen erreichten den NABU. Schön, dass sich so viele Menschen um den Schwarzstorch sorgten.

Ab in den Süden

Am 23. September war es dann jedoch soweit: Vormittags bei Sonnenschein und Rückenwand hob der Vogel ab und hatte innerhalb weniger Stunden bereits Hessen und Rheinland-Pfalz hinter sich gelassen; um halb drei am Nachmittag war er bereits im Saarland. Bei rund 300 Metern Höhe und mit rund 45 Kilometern/Stunde hat der Vogel somit bereits gut Strecke gemacht. Der Vogel scheint also fit zu sein. Zeitnah folgen weitere Blogeinträge.

Hintergründe der Besenderung

Wir hoffen, dass ein langes Leben auf den Vogel wartet. Da die Besenderung eines einzelnen Vogels keine repräsentative Stichprobe und somit keine wissenschaftliche Untersuchung darstellen kann, handelt es sich vielmehr um das Einzelschicksal eines jungen Storchs. Die gesammelten Daten stellen wir gleichwohl größeren Besenderungsprojekten zur Verfügung. Wichtige Erkenntnisse für den Schutz dieser Art können wir – insbesondere bei einem längeren Leben des Storchs – auch mit nur einem Vogel gewinnen können.

Von Interesse ist zudem, wie sich die Pflegephase in Oberbiel ausgewirkt hat. Offene Fragen sind z. B.: Hat er die Scheu vor Menschen verloren? Sucht der Vogel in Zukunft häufiger Siedlungsräume auf?

Und ebenso wichtig: Wir werden hier im NABU-Blog über den Storch berichten und dabei auch wertvolle Aspekte des Vogelschutzes, des EU-Wiederherstellungsgesetzes, des Wasserrückhalts in der Landschaft, des Wald-Naturschutzes und viele weitere Themen beleuchten. All dies spielt für den Fortbestand der Art eine Rolle!

Viel Spaß beim Lesen der Schwarzstorch-Blogbeiträge,

Ihr Maik Sommerhage (Landesvorsitzender NABU Hessen)

Sender und Ring des Schwarzstorchs. Durch zahlreiche Studien ist bekannt, dass sich die Vögel daran nicht stören. Gleichzeitig liefern die Vögel wichtige Informationen für ihren Schutz, in den letzten Jahren vor allem auch durch verschiedene Telemetrie-Projekte.